Auf Jobsuche
Endlich im Job - das wünschen sich viele Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler. Foto / Copyright: © Picture-Factory - Fotolia.com

Auf Jobsuche

In der vorigen Woche haben wir einen Leserbrief veröffentlicht, in dem eine promovierte Geisteswissenschaftlerin und Mutter zweier Kinder um eine feste Stelle kämpft. Hier drei Antworten dazu.

„Bizarre Angebote des Arbeitsamtes“

Leider kann auch ich die Erfahrungen der promovierten Geisteswissenschaftlerin und Mutter zweier Kinder nur bestätigen. Ob es in erster Linie am geisteswissenschaftlichen Studium liegt, kann ich zwar nicht beurteilen, dass aber eine Mutter von zwei Kindern kaum bis keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, sehr wohl.

Letztlich ist die Erziehungszeit, die ich für meine Kinder genommen habe, einer der Kündigungsgründe nach insgesamt 12-jähriger Zugehörigkeit zu einem großen Verlag gewesen, auch wenn mein ehemaliger Arbeitgeber das sicher nicht bestätigen würde. Aber wenn die Kündigung pünktlich zum 3. Geburtstag des Kindes, somit genau zum Ende der Schutzfrist eintrifft, liegt diese Vermutung doch zu nahe. 

Da hilft es auch nicht, bereits Teilzeit in der Elternzeit gearbeitet und während der gesamten Zeit für alle Fragen als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden zu haben. So steht es ja vielfach in Ratgebern, wie „frau" sich idealerweise während der Erziehungszeit verhalten sollte, um anschließend wieder in den früheren Job zurückkehren zu können.

Auf der Suche nach einer mit Familie zu vereinbarenden Tätigkeit reichte das Spektrum von bizarren Angeboten des Arbeitsamtes („Aushilfe in Voll-, Teilzeit oder als Minijob für ein Spielmobil“) bis zu einem inhaltlich interessanten Job an der Uni, der aber so schlecht bezahlt war, das er schon für die bisherige Stelleninhaberin nur eine von zwei Teilzeitstellen dargestellt hatte. Aussage einer Personalagentur: „Wir müssen Sie leider darauf hinweisen, dass wir Ihnen bei der Suche nach einer Teilzeitstelle in einem regional begrenzten Umkreis nur sehr selten ein Angebot machen können.“ Auch langjährige Berufserfahrung hilft an dieser Stelle nicht mehr weiter.

Und dann stellt sich plötzlich die Frage, ob es richtig gewesen ist, Deutsch und Französisch auf Lehramt zu studieren, auch das Referendariat mit 2. Staatsexamen zu absolvieren, sich dann aber für die Verlagswelt zu entscheiden. Hätte ich nicht doch einen sicheren Beamtenstatus als Lehrerin anstreben sollen? Leider ist die dazugehörige Altersgrenze jetzt aber überschritten. Was nun? Doch auf das Angebot zu freier Mitarbeit beim ehemaligen Arbeitgeber zurückgreifen?

Ganz ausgeschlossen hatte ich es ja sicherheitshalber von vornherein nicht. Die erste Empörung hat sich gelegt und irgendwie muss es ja weitergehen. Und als freie Lektorin von zu Hause aus zu arbeiten, lässt sich mit einem Familienleben, wie ich es mir vorstelle, besser vereinbaren als manch andere Tätigkeit.

An dieser Stelle kann ich nur nochmals der Verfasserin des angesprochenen Erfahrungsberichtes zustimmen. Was in der deutschen Politik zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu hören ist, hat mit der Realität, wie ich sie erlebt habe, nichts zu tun.  

Immerhin kann ich zum jetzigen Zeitpunkt von einem positiven weiteren Verlauf berichten. Der Schritt in die Selbstständigkeit hat mir persönlich viel gebracht. Dabei geholfen hat mir zu Beginn eine gute Freundin, dich mich an ihren Erfahrungen teilhaben ließ und wertvolle Tipps geben konnte. Als Existenzgründerin konnte ich außerdem Angebote von IHK und Wirtschaftsförderung nutzen, hatte Glück in eine Zirkelberatung bei einer erfahrenen Unternehmensberaterin zu gelangen, mit tollen Frauen, die ganz unterschiedliche Ideen für ihre Selbstständigkeit, aber viele gemeinsamen Fragen hatten.

Mittlerweile sind viele bürokratische Hürden genommen und erste Aufträge erfolgreich bearbeitet worden, neue Aufträge stehen an. Der Austausch mit den anderen Gründerinnen wird weiter gepflegt. Bis nennenswerte Gewinne erzielt werden können, gibt es noch viel zu tun, aber ich sehe wesentlich optimistischer in die Zukunft als bei der Suche nach einer passenden familienverträglichen Stelle. M.P. 

„Ihre tollen Fähigkeiten passen nicht auf ein einziges Blatt Papier" 

Mit großer Sorge hab ich den Leserbrief der promovierten Mutter gelesen. Was ich ihr als Tipp mitgeben würde, wäre, sich zu vernetzen. Sie hat so tolle Fähigkeiten, die ein einziges Blatt Papier Lebenslauf niemals adäquat beschreiben kann.

Vielleicht sogar liest ein Arbeitgeber die Verzweiflung und Aggression zwischen den Zeilen, was er im Moment nicht richtig deuten kann, aber sich dennoch irgendwie abwendet. "Echte" Menschen jedoch werden sie kennen lernen und ihr Potenzial erkennen und sie entweder selbst einstellen oder Bekannten empfehlen.

So habe ich damals meine Stelle gefunden (befristet bis Ende des Jahres, unklar, wie es weitergeht, aber immerhin). Auch viele meiner Bekannten (Geisteswissenschaftler) konnten persönlich überzeugen, was ein Bewerbungsschreiben nicht kann.

Davor empfehle ich ihr aber einen Urlaub, Kur, damit sie wieder Motivation schöpft und vor allem Selbstbewusstsein. Denn das fehlt uns leider allen. Ich würde gerne noch mehr schreiben, will aber auch nicht besserwisserisch klingen. Ich drücke ihr die Daumen :-) C. S.

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„Eine geisteswissenschaftliche Fachrichtung ist nicht hinderlich für die Karriere“

Diese Diskussion gibt es, solange es Geisteswissenschaften gibt! Ich selbst habe nach langer Studienzeit (18 Sem.) in 1999 meinen Abschluss als Diplom-Wirtschaftsanglistin gemacht, einem Studiengang der in 1979 in Kassel u. Gießen als sog. „Berufsbezogene Fremdsprachenausbildung“ eingeführt wurde, um weg von den klassischen Magistern und Lehrämtern zu kommen (fehlende Nachfrage, Schweinezyklus). Deshalb wurde der Studiengang aus Modulen der Anglistik und Wirtschaftswissenschaften zusammengestellt (sog. Hybridstudiengang). Die Verbindung war mehr nebenher als interdisziplinär, sodass es an den meist weiblichen Studierenden war, aus dem Studium etwas zu machen. Heute gibt es den Studiengang als 2Fach-BA/MA.

Eine gute Freundin von mir war für ihren Arbeitgeber lange in Malaysia und ist heute im internationalen Personalmanagement desselben Arbeitgebers tätig. Ich habe parallel zum Studium nicht nur in Hochschulgremien Politik gemacht, sondern auch in Forschungsprojekten zur Internationalisierung von Hochschulen gearbeitet. Diese Erfahrungen, meine Sprach- und interkulturellen Kenntnisse sowie meine (Auslands-) Mobilität haben mir meinen heutigen Job gebracht, in dem ich seit Juni 2001 tätig bin.

Kurzum: weder überlanges Studium noch die Wahl einer geisteswissenschaftlichen Fachrichtung sind hinderlich. Auch nicht für die Karriere! Wenn ich von Studieninteressenten gefragt werde, was sie studieren „sollen“, empfehle ich immer, das zu studieren, wozu kein unnötig hoher individueller Aufwand nötig ist, d.h., was einem liegt, was man/frau gerne macht & auf das man/frau immer wieder neugierig ist! Es gibt durchaus Perspektiven außerhalb des Elfenbeinturms der Wissenschaft für GeisteswissenschaftlerInnen!

Helikopter-Eltern und Studieninteressierte sollten sich von den Rankings, Studienführern und Pressemitteilungen nicht verunsichern lassen. Es geht in 1. Linie um (Hochschul-) Bildung, in 2. Linie um den Job! Hier ein Link zu dem von mir studierten Modellversuch. 

Nach dieser 1. Studiengangsevaluation haben wir noch eine Arbeitgeberbefragung durchgeführt. Da allerdings zeigte sich, dass Unverständnis herrschte, dass sprachliche, interkulturelle und mobile Erfahrungen so bedeutend sein sollen. („Englisch kann jedeR“). Heute, im Zeitalter der Globalisierung, ist manN auch in internationalen Unternehmen diesbezüglich sensibler und offener geworden. D.h. die Realität, die in unserem Studiengang in 1979 antizipiert wurde, ist inzwischen da!

Und: Die Arbeitsmarktsituation für Volljuristen ist aktuell auch nicht rosig, Starteinkommen liegt aktuell bei 30.000€/Jahr. BWLer haben neben Ingenieuren die meisten Studierenden, entsprechend ist der Wettbewerb unter den AbsolventInnen auch groß! ... Bei den meisten Studienfachrichtungen gibt es so etwas wie den „Schweinezyklus“, d.h. die periodische Schwankung zwischen Angebot und Nachfrage (aktuell fehlen Lehrer, Ingenieure, ...).

Annette Fleck

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