Vorgesetzte duzen: ein Problem?
Chef oder Chefin sind sympathisch? Das kann ein großes Glück sein - oder eine große Gefahr. Foto: © Robert Kneschke - Fotolia.com

Vorgesetzte duzen: ein Problem?

In vielen Unternehmen und Organisationen herrscht eine freundschaftliche Atmosphäre. Aber das "Du" hat auch seine Schattenseiten. Karrierecoach Edith Lauble erklärt, wie man eine innere Haltung bewahrt.

Die Frage:

In meiner neuen Arbeitsstelle duzen sich alle. Sogar unsere Chefin wird geduzt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Nähe wirklich möchte. Wie gehe ich damit um?

Die Antwort von Karrierecoach Edith Lauble:

In vielen Branchen duzen sich Führungskräfte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häufig. In manchen Einrichtungen wird auch erwartet, dass man abseits der Arbeit Zeit miteinander verbringt und sich zum Beispiel zu Geburtstagen gegenseitig einlädt. Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass eine vertrauensvolle und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre herrscht. Aber das „Du“ hat auch seine Schattenseiten. Es kann von Ihrer Chefin oder Ihrem Chef manipulativ benutzt werden. Dagegen müssen Sie sich schützen.

Wenn das Duzen in einer Firma üblich ist, können Sie es als neuer Mitarbeiter oder Mitarbeiterin im Grunde nicht ablehnen. Sonst manövrieren Sie sich schnell in eine Außenseiterrolle.  Also nehmen Sie das „Du“ an – und reflektieren gleichzeitig über Ihre Rolle und die Rolle Ihres Chefs. Denn häufig wird die Nähe ausgenutzt, um zusätzliche Aufgaben zu übertragen. Die Mitarbeiter fühlen sich durch das „Du“ gewertschätzt und geehrt. Sie schaffen es nicht, „Nein“ zu sagen. Es ist ja auch menschlich: Jeder Mensch möchte gemocht und anerkannt werden. Häufig geht damit auch die Vorstellung einher, dass man durch die Nähe zum Chef die Möglichkeit erhält, einen Karriereschritt zu machen. 

Nach meiner Erfahrung sind gerade Frauen für solche Situationen anfällig. Sie halten viel aus und haben es gelernt, schnell auf die Beziehungsebene zu gehen. Dadurch können sie später schlecht Grenzen ziehen. In  Extremsituationen führt dies dazu, dass sie immer mehr Aufgaben und Verantwortung übernehmen, aber auf sich selbst keine Rücksicht mehr nehmen. Männer dagegen engagieren sich zwar auch stark, treten danach aber klarer auf. Sie fordern zum Beispiel eine Gehaltserhöhung als Gegenleistung. Frauen arbeiten dagegen umsonst mehr, weil ihnen die Nähe reicht.

Drei Regeln helfen Ihnen dabei, trotz „Du“ eine innere Haltung zu bewahren: 

1. Wahren Sie eine gesunde Distanz: Man muss nicht immer über private Angelegenheiten sprechen. Wenn Ihr Gegenüber damit anfängt, können Sie nach kurzer Zeit das Thema wechseln und über berufliche Dinge sprechen. Wenn Sie dies mehrere Male wiederholen, wird dies in der Regel von der anderen Seite erkannt – ohne dass man es explizit problematisiert.

2. Achten Sie auf Ihre Bedürfnisse: Viele Angestellte fokussieren sich auf die Bedürfnisse Ihres Chefs oder Ihrer Chefin. Dabei verlieren sie völlig sich selbst aus den Augen. Aber Ihre Bedürfnisse sind genau so wichtig. Fragen Sie in Situationen der Mehrbelastung also immer auch: Was will ich? 

3. Sagen Sie klar und deutlich „Nein“: Lehnen Sie zusätzliche Arbeit ab, erst Recht, wenn Sie ständig gefragt werden. Natürlich sollten Sie dabei sachlich bleiben und Argumente nennen, warum Sie die Arbeit nicht übernehmen können. Lavieren Sie nicht lange herum, sondern machen Sie eine schnelle, klare Ansage.

Letztlich ist es so: Trotz vertrauensvoller Atmosphäre herrscht am Ende des Tages immer noch eine klare Rollenverteilung. Eine Führungskraft übt Kontrolle aus. Sie gibt Anweisungen, verteilt Aufgaben und steht in der Gesamtverantwortung. Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter tragen ebenfalls Verantwortung – aber vor allem für ihren eigenen Arbeitsbereich. Damit tragen sie einen wesentlichen Teil für das große Ganze bei.

Zum Coach:

Edith-Lauble-CoachAls Coach und Supervisorin unterstützt Edith Lauble seit 2002 Menschen auf ihrem beruflichen Weg. Zu Beginn der Beratung steht die Analyse der aktuellen Arbeitssituation. Im Anschluss steht die Beschäftigung mit persönlichen Themen an, z.B. mit der Entwicklung einer beruflichen Identität, der Klärung einer beruflichen Neuorientierung oder der Gestaltung von professionellen Beziehungen. Das WILA-Coaching: www.wila-arbeitsmarkt.de/coaching

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