Biogas:
Zuerst stark gewachsen, jetzt unter Druck: Die Biogas-Branche. Foto: Stephanie Pletsch / WILA Bonn

Biogas: "Für Berufseinsteiger ist die Situation nicht einfach"

Für Studierende wird es zunehmend schwieriger, sich am Markt zu etablieren. Trotzdem gibt es für gute Leute nach wie vor Chancen, sagt Branchenexperte Prof. Michael Nelles.

Herr Professor Nelles, was sind Ihre Tätigkeiten beim Deutschen Biomasseforschungszentrum und am Lehrstuhl für Abfall- und Stoffstromwirtschaft der Universität Rostock?

Beim Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ), dem Bundesforschungsinstitut für die energetische und integrierte stoffliche Verwertung in Deutschland, bin ich für die wissenschaftliche Weiterentwicklung verantwortlich und unter anderem für die Auslandsaktivitäten zuständig. Ich bin zum Beispiel seit 14 Jahren in China tätig, habe dort Gastprofessuren und betreue mit den Studierenden, Doktoranden und erfahrenen Wissenschaftlern verschiedene Projekte im Bereich Abfallverwertung und Bioenergie.

Am Lehrstuhl für Abfall- und Stoffstromwirtschaft beschäftigen wir uns mit der gesamten Breite der Abfallwirtschaft von der Abfallvermeidung über die Abfallverwertung, Deponierung bis zur Altlastensanierung. Am Lehrstuhl werden überwiegend Umweltingenieure ausgebildet. Im Masterstudiengang sind es etwa 40 Studierende pro Jahrgang. Einen neuen Bachelor in Umweltingenieurwissenschaften führen wir gerade ein. Der Start ist für das kommende Wintersemester vorgesehen.

  • Nelles-Copyright-DBFZProfessor Michael Nelles ist Inhaber des Lehrstuhls für Abfall- und Stoffstromwirtschaft an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ). Zuvor war der Umweltingenieur unter anderem Professor und Leiter des Fachgebietes Technischer Umweltschutz an der HAWK in Göttingen. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Bereich der stofflichen und energetischen Verwertung von Abfällen und Biomasse.

Wie haben Sie die Situation auf dem Arbeitsmarkt im Bereich Bioenergie in den vergangenen Jahren erlebt?

Der Arbeitsmarkt hat sich sehr sprunghaft entwickelt. Bis vor drei Jahren wurden besonders in den Bereichen Forschung und Anlagenbau händeringend Fachkräfte gesucht. Durch die EEG-Novelle 2014 ist der Markt stark eingebrochen, das hatte einige Insolvenzen in der Bionergiebranche zur Folge. Auch einige Forschungsinstitute fahren die Bioenergieforschung zurück. Es gibt deshalb sehr viele qualifizierte Bewerber auf dem Arbeitsmarkt, und für Berufseinsteiger ist es daher nicht einfach, wenn sie in die Bioenergiebranche möchten.

Wie können sich angehende Fachkräfte, die dennoch in die Bioenergie-Branche streben, bestmöglich aufstellen?

Wer Tätigkeiten im Ausland aufgeschlossen gegenübersteht, erhöht seine Chancen. In anderen Ländern stehen die Bioenergieaktivitäten häufig erst am Anfang. Während der Inlandsmarkt schwächelt, entwickelt sich der Auslandsmarkt zunehmend. Hier sind beispielsweise China, Südamerika aber auch einige Länder in der EU zu nennen. Dort werden nach wie vor Fachkräfte gesucht, die Anlagen konzipieren und aufbauen. Viele Unternehmen sind damals auf den Zug aufgesprungen und haben neue Systeme entwickelt. Besonders im Bereich Anlagenbau sind wir weltweit führend und anerkannt. Ausländische Märkte kaufen deutsches Know-how ein.

Und wie sieht es in der Forschung aus?

Auch im Bereich Forschung und Entwicklung wird die Lage schwieriger. Die relativ großen Zentren wie das DBFZ werden dauerhaft bestehen und sich positiv weiterentwickeln, viele Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die das Thema Bioenergie nur als ein kleineres Geschäftsfeld haben, orientieren sich teilweise um. Trotzdem bietet die Forschung noch immer Chancen für sehr gute Leute, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben.

Hierzu sollte man frühzeitig Kontakte zu den relevanten Forschungszentren und Unis knüpfen. Das DBFZ beispielsweise hat etwa 200 Mitarbeiter und eine ganze Reihe von Kooperationen mit nationalen und internationalen Unis. Wenn jemand ernsthaft in Richtung Forschung strebt, gibt es durchaus Möglichkeiten, schon über das Studium einzusteigen. Master-Studierende können bereits Erfahrungen in Auslandsprojekten mit Partner-Unis beispielsweise in China oder Südamerika sammeln.

Ist es ratsam, sich bereits im Studium zu spezialisieren?

In den agrar-, forst- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen gibt es grundständige Bachelor und viele Master, in denen Bioenergie inzwischen integriert ist. Bei Interesse etwa am Bereich Bioenergie kann es durchaus sinnvoll sein, sich im Masterstudiengang zu spezialisieren. Praktika bieten eine gute Möglichkeit, Erfahrungen in der Praxis zu sammeln und wertvolle Kontakte zu knüpfen.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung der Bioenergie-Branche ein?

Es ist schwer zu sagen, was auf politischer Ebene beschlossen wird. Der Biogas-Boom wird sicher nicht wieder losgehen. Es wird eher darum gehen, den Bestand fit für die Zukunft zu machen und den internationalen Markt weiter auszubauen, den sich führende deutsche Anlagenbauer bereits vor Jahren erschlossen haben.

Vielen Dank für das Gespräch. 

Interview: Katharina Hamacher

Portrait Prof. Nelles / Copyright DBFZ

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