Gründen als Alternative: Künstlervermittlung statt Museum
Lena Panzer-Selz studierte Volkskunde und Kulturgeschichte in Jena. In ihrer Agentur "Artischocke" vermittelt sie Kunst und veranstaltet Lesungen sowie Musikevents. Foto: Agentur Artischocke

Gründen als Alternative: Künstlervermittlung statt Museum

Vor einem Jahr gründete Lena Panzer-Selz die Künstlervermittlungsagentur „artischocke”. Ihren Plan von der Museumsarbeit verwarf sie für ihren Traumjob. Ein Portrait.

Text: Daniela Lukaßen 

Eigentlich wollte Lena Panzer-Selz nach ihrem Studium in einem Museum arbeiten. „Ich glaube, das hätte mir damals sehr viel Spaß gemacht, und es hätte zu meinem Studium gepasst”, sagt die Gründerin, die wegen der Uni nach Ostdeutschland gezogen ist und heute in Weimar lebt und arbeitet.

„Ich habe mein Abitur 2004 in Bonn gemacht und dann in Jena an der Friedrich-Schiller-Universität Volkskunde / Kulturgeschichte studiert”, erzählt die Akademikerin. „Jena war die einzige Universität in Deutschland, die diese Fächerkombination angeboten hat. Und ich fand das unglaublich interessant und spannend.” Der Weg in ein volkskundliches oder kulturhistorisches Museum schien damit vorgegeben zu sein. Doch dann kam es für die Absolventin doch ganz anders. „Meine Professorin fragte mich damals, ob ich Lust hätte, meine Dissertation zu schreiben.” Lena Panzer-Selz überlegte nicht lange, sah vor allem die Chancen, die ihr die Promotion für das spätere Berufsleben bieten würde. Sie stellte den Wunsch, ins Museum zu gehen, erst einmal zurück: „Ich entschied mich dazu zu promovieren.”

Über welches Thema sie schreiben sollte, wusste sie damals noch nicht so genau. Und wieder war es die Lehrbeauftragte, die einen Vorschlag machte. „Durch Zufall erfuhr meine Professorin von einem Nachlass in Berlin, der aufgearbeitet werden sollte”, berichtet die junge Frau. „Ich fuhr dann hin, um mir diesen anzusehen.” Es handelte sich um den Nachlass Erna Fitzners, einer 1922 geborenen Berlinerin, die seit ihrer Jugend Gedichte schrieb und im Erdgeschoss ihres Hauses in Berlin-Dahlem einen Literatursalon errichtet hatte, zu dem sie lediglich ihren engsten Vertrauten Zutritt gewährte. Als sie 2005 starb, vermachte sie den Salon und die Gedichte ihrer langjährigen Nachbarin. Und eben jene war es, die sich die Aufarbeitung des Nachlasses wünschte. Die Herausforderung, im Rahmen ihrer Dissertation die Arbeit und das Leben von Erna Fitzner aufzuarbeiten, begeisterte Lena Panzer-Selz.

Über fünf Jahre lang war sie für die Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon GmbH tätig, recherchierte, analysierte und arbeitete auf. „Das war eine super Chance”, sagt sie heute. Und sie profitiert noch immer von den Erfahrungen, die sie in der Zeit sammeln durfte. Denn diese gingen weit über die eigentliche Recherche für die Doktorarbeit hinaus. „Ich habe monatliche Salonabende in den ehemaligen Räumen von Erna Fitzer organisiert, die sich noch immer im Originalzustand befinden”, sagt sie.

Bei den zahlreichen Veranstaltungen – von wissenschaftlichen Vorträgen, über Lesungen renommierter Schriftsteller, bis hin zu Konzerten verschiedener Art – konnte sie Netzwerke knüpfen und Kontakte zu vielen unterschiedlichen Akteuren der Berliner Kulturszene aufbauen. „Außerdem konnte ich die Berliner Kulturlandschaft im Kleinen kennenlernen”, erklärt sie. Für die junge Geisteswissenschaftlerin ein wichtiges Pfund, mit dem sie auch heute noch vielfach wuchern kann. „Es war klar, dass die Arbeit für den Kunstsalon keine Dauerlösung ist”, berichtet Panzer-Selz.

Dann kam der Schritt in die Selbstständigkeit

Als die Gesellschaft in der bis dahin bestehenden Form aufgelöst wurde, musste sich die Volkskundlerin zunächst arbeitslos melden. Eine Zeit, in der sie sich einerseits bewarb, sich aber auch beruflich neu orientieren konnte. Und sie entwickelte eine ganz eigene Geschäftsidee: Heute arbeitet sie mit ihrer „agentur artischocke” selbstständig als Künstlervermittlerin. „Zu meinen Kunden gehören Künstlerinnen und Künstler oder Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die ich zum Beispiel für Konzerte und Lesungen vermittle”, berichtet sie. „Bei einigen übernehme ich die ganze Palette an Aufgaben, die damit zusammenhängen; bei anderen sind es nur einzelne Bereiche, die über mich laufen.”

Lena Panzer-Selz arbeitet mit Musikern wie dem Jazzmusiker Konrad „Conny” Bauer, der für seine Solo-Improvisationen immer ganz besondere Konzertorte wie beispielsweise das Leipziger Völkerschlachtdenkmal wählt und der bereits für seine Musik ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus betreut die junge Künstlervermittlerin auch die Kabarettistin Helene Mierscheid, die derzeit mit ihrem Programm „Sex, Drugs & Hexenschuss” auf der Bühne steht und vermittelt für sie kabarettistische Lesungen.

Promotion, Werbung, Terminplanung: Lena Panzer-Selz liefert auf Wunsch die Rundum-Betreuung für ihre Künstler und Künstlerinnen, sorgt dafür, dass ihre Kunden regelmäßig gebucht werden und auftreten können und dass vor und während der Veranstaltung alles reibungslos funktioniert. Auch die Konzeption und Organisation der monatlichen Salonabende in den Räumen Erna Fitzerns gehört nach wie vor zu den Aufgaben der Künstlervermittlerin.

"Meine Kunden haben mir Vertrauen geschenkt"

Seit einem Jahr ist Lena Panzer-Selz in dem Geschäft tätig. Ihren Job liebt sie. Und besonders die Mischung zwischen organisatorischen und künstlerischen Fragen reizt die Agenturinhaberin, die zunächst Sorge hatte, ob ihre Idee tatsächlich zu einem beruflichen Standbein werden könnte. Doch bereits beim Start in die Selbstständigkeit bekam sie viel Zuspruch und einen ordentlichen Vertrauensvorschuss ihrer neuen Kundinnen und Kunden.

Für die studierte Kulturhistorikerin keine Selbstverständlichkeit, wie sie sagt. „Zunächst hat es mich etwas überrascht, wie viel Vertrauen mir die Künstler entgegen gebracht haben, obwohl ich in dem Business damals ganz neu war und ja noch nicht über so viel Erfahrung verfügt habe”, gibt sie zu. „Aber es war für mich auch unheimlich gut, dass mir dieses Vertrauen geschenkt wurde. Auf diese Weise konnte ich zeigen, was ich kann und dass es sich für die Musiker, Schriftsteller und anderen Künstler lohnt, mit mir zusammenzuarbeiten.”

Businessplan und Durststrecken

Leicht war der Weg in die Selbstständigkeit trotzdem nicht. Vieles musste geplant und organisiert werden, und es galt, zahlreiche Anträge zu stellen. Beispielsweise für den Gründungszuschuss. Lena Panzer-Selz musste Business-Pläne schreiben, immer wieder bei der Arbeitsagentur vorsprechen und sich intensiv mit ihrer Geschäftsidee und den zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben auseinandersetzen. Und das, lange bevor sie nur einen Cent mit ihrer Agentur verdienen konnte.

Eine Zeit, die die junge Frau forderte und für sie auch zur Geduldsprobe wurde. „Ich hatte damals zwar sehr nette Berater bei der Arbeitsagentur, die ich immer wieder fragen und kontaktieren konnte, aber alles hat sich doch sehr in die Länge gezogen”, erinnert sie sich. Und so dauerte es mehrere Monate, bis ihr Antrag auf den Erhalt des Gründungszuschusses bewilligt wurde. „Dazu kommt, dass das Geld, was einem dann schließlich bewilligt wird, sehr knapp ist, wenn man sich sozusagen aus dem Kalten heraus selbstständig macht und zuvor nicht so viel verdient hat, dass man richtige Rücklagen bilden konnte.

Besonders die erste Zeit der Selbstständigkeit habe darum einer Durststrecke geglichen. „Der Gründungszuschuss setzt sich aus der Höhe des Arbeitslosengeldes plus 300 Euro zusammen und das ist nicht viel, wenn man in eine neue Geschäftsidee investieren muss”, stellt die Gründerin fest. Sie kritisiert, dass für den Schritt in die Selbstständigkeit viele bürokratische Hürden zu nehmen seien: „Das ist ein Punkt, der viele sicherlich verunsichert und auch abschreckt.”

Doch sie selbst blieb am Ball, lieferte Nachweise und ließ sich nicht beirren und von ihrem beruflichen Plan abbringen. Mit Erfolg. Denn ihre kleine Agentur hat sich bereits etabliert. Und auch wenn sie noch weitere Kapazitäten hat, ist ihr Geschäft gut angelaufen.

Eines Tages zurück in das Angestelltenverhältnis zu gehen, kann sich die junge Frau aktuell nur vorstellen, wenn sie ein wirklich gutes Jobangebot bekäme. „Bevor ich mich selbstständig gemacht habe, hätte ich wahrscheinlich viele andere Jobs angenommen und ganz bestimmt auch einige Kompromisse gemacht”, sagt sie und fügt lachend hinzu: „Aber meine Ansprüche haben sich sehr geändert.”

Lena Panzer-Selz macht anderen Mut, an ihren Ideen festzuhalten und sich nicht davon abbringen zu lassen. Für sie sei der Schritt in die Selbstständigkeit die beste Lösung gewesen. „Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin und ich möchte nicht tauschen.”

  • Selbststaendigkeit-WilaDer Artikel ist im Infodienst WILA Arbeitsmarkt für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen erschienen. Jede Woche werden dort über 400 aktuelle Jobs zusammengestellt für Tätigkeitsfelder wie Museen und andere. Außerdem werden interessante Berufsmöglichkeiten für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen vorgestellt. So kommen unsere Abonnentinnen und Abonnenten auf neue Jobideen. 
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