Irgendwann einfach nur noch frustrierend... Eine Befristung nach der anderen. Foto: © anyaberkut / Fotolia.de

"Wissen und Kompetenzen schützen nicht vor Arbeitslosigkeit"

Ständig befristete Projektverträge, immer wieder Bewerbungen: Eine 41-jährige Diplom-Erziehungswissenschaftlerin berichtet über ihren beruflichen Werdegang, ihre Zweifel und ihren Frust.

Ich habe ein Diplom in Erziehungswissenschaften sowie einen Master in Personalentwicklung. Den Master machte ich auch vor dem Hintergrund, damit ich mich aus dem sozialen Bereich - mit seinen ständig befristeten Stellen vor allem im Jugendbildungsbereich - hinausarbeiten kann. Die Hoffnung war, einen Fuß in die Wirtschaft und den Personalbereich zu bekommen.

Doch trotz den Aufmunterungen, dass sich lebenslange Weiter- und Höherqualifizierung auszahlen und Quereinsteiger willkommen sind, ist es mir mit nun 41 Jahren und immer noch befristeten Verträgen nicht gelungen.

"Natürlich lernt man, sich nicht zu eng zu bewerben, bundesweit, auch auf die Stellen zu schauen, die nicht an erster Stelle stehen."

Bislang sind es meist ein- bis dreijährige Projektverträge im Öffentlichen Bereich und Hochschulen gewesen. Die Erfahrung lehrte mich, dass dieser Zuwachs an Erfahrungen, Wissen und Kompetenzen nicht vor Arbeitslosigkeit schützt und auch nicht automatisch bessere Chancen auf eine Stelle mit sich bringt.

Nach jeder befristeten Stelle war ich bislang arbeitslos, schrieb zwischen 40 bis 80 Bewerbungen. Jedes Mal mit der Überzeugung und Hoffnung, dass der neuerliche Wissens- und Erfahrungsschatz nun endlich in meiner bevorzugten Branche anerkannt würde. Bislang erfolglos.

Natürlich lernt man, sich nicht zu eng zu bewerben, bundesweit, auch auf die Stellen zu schauen, die nicht an erster Stelle stehen. Aber je länger die Arbeitslosigkeit andauert, die Frustration darüber, die Selbstzweifel und die quälende Ungewissheit der (beruflichen) Zukunft, besonders wenn man alleinstehend ist, immer unerträglicher werden, dann bewirbt man sich wieder auf die Stellen, die man seit Jahren nicht mehr möchte: befristete (Projekt-)Stellen, die kaum eine berufliche Perspektive bieten, aber erstmal für eine kurze Zeit ein festes Gehalt und Erleichterung.

"Ich frage mich wirklich oft, was mir meine ganzen Abschlüsse nützen."

Maßlos ärgert es mich, dass Mitarbeitende jedoch durch diese Stellen „klein gehalten“. Wenn man Glück hat und es einfordern kann, wird man den Erfahrungsstufen entsprechend eingestuft, meist jedoch so billig wie möglich. Während Freunde längst ihre festen Stufenaufstiege durchlaufen, oder in Unternehmen gefördert werden und aufsteigen, kämpft man immer wieder mit Arbeitgebern um die Stufen 2-3. Gerne wird argumentiert, dass die Vorerfahrung ja doch nicht so ganz passend war.

Ich frage mich wirklich oft, was mir meine ganzen Abschlüsse (auch zahlreiche Weiterbildungen), mein Fachwissen und meine Berufserfahrung nützen. Leider erhält man auch nach Vorstellungs-gesprächen kein Feedback.

Es ist also immer ein rätseln: War die „Vorstellung“ nicht gut genug, kam man unsympathisch rüber, zu forsch, zu schüchtern, wird man für zu teuer gehalten oder für überqualifiziert. Man erfährt es nicht und kann daraus auch keine Schlüsse für mögliche Verbesserungen ziehen. Da hilft es auch nicht, dass bekanntermaßen Einstellungen auch nach sehr subjektiven und oft unbewussten, persönlichen Neigungen getroffen werden.

Die Enttäuschung ist riesig. Ein ständiger Bewerbungsprozess wird auch nach Jahren nicht zu einer Routine, die man eben mal so nebenbei macht. Ich höre mittlerweile bei befristeten Verträgen von ein bis zwei Jahren gar nicht mehr auf mich zu bewerben, in der Hoffnung, möglichst zeitnah eine neue Stelle zu finden.

Und noch eine Anregung für Änderungen: nach meiner Erfahrung war es in den meisten fremdfinanzierten Projekten (z.T. aus Bundes- und EU-Mitteln) so, dass in sehr kurzer Zeit, neue Ansätze und Maßnahmen entwickelt und erprobt werden sollten. Hierfür werden Studien durchgeführt, Kontakte und Netzwerke aufgebaut, Konzepte geschrieben, etc..

"Für mich stellt sich die Sinnhaftigkeit von geförderten Projekten, besonders im Bildungs- und Hochschulbereich."

Oft fehlte am Ende die Zeit, diese umzusetzen bzw. wenn die Umsetzung begonnen wurde, konnten keine großen Effekte erzielt werden. Was fehlte, um „richtig los zu legen“, waren am Ende immer das Geld und die Zeit. Doch ein Projektende bedeutet oftmals, dass Netzwerke sterben, es keine Personen mehr gibt, die die Maßnahmen fortführen und die Projektmitarbeitenden, die all das Wissen angesammelt haben ziehen fort, auf der Suche nach neuen Stellen.

Für mich stellt sich die Sinnhaftigkeit von geförderten Projekten, besonders im Bildungs- und Hochschulbereich. Maßnahmen und Angebote brauchen Zeit, um sich zu etablieren, bekannt zu werden und zu wirken.  Ich habe mittlerweile unzählige Konzepte für nichts geschrieben, Netzwerke, die mühsam aufgebaut wurden, lösten sich auf, erlebte Maßnahmen, die angefangen und bei Projektende wieder eingestellt wurden. Und Projektmitarbeitende die versuchen, das aufgebaute Wissen, bestenfalls in ein neues Projekt zu integrieren, oftmals aber angehalten sind, doch wieder etwas innovatives Neues zu entwickeln.

"Die eigene Arbeit, das Engagement, die Erkenntnisse, alles versickert in Schubladen und Ordnern."

Auch das ist irgendwann einfach nur noch frustrierend. Die eigene Arbeit, das Engagement, die Erkenntnisse, alles versickert in Schubladen und Ordnern. Selten erlebt man, dass wirklich langfristig etwas wirkt, etwas den Projektstatus überlebt. Es sollte vielleicht genauer geprüft werden, wie der output von Projekten tatsächlich ist und ob es nicht sinnvoller sein könnte, weniger aber langfristiger zu fördern und so Projektmitarbeitenden sowie Partizipierenden damit eine wirkliche Perspektive zu geben. 

  • Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit befristeten Stellen? Wir würden uns über weitere Leserbriefe freuen. Die Leserbriefe veröffentlichen wir gerne anonym, wie diesen Leserbrief auch. Schreiben Sie eine E-Mail an redaktion (at) wila-arbeitsmarkt (punkt) de. Herzlichen Dank, Ihre WILA Arbeitsmarkt-Redaktion
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