Jobs für Philosophen: Der Vielseitigkeitsfaktor
Sprachgewandt, analytisch und flexibel: Philosophie-Absolventinnen und -Absolventen bringen viele wichtige Kompetenzen mit. Foto: Fotolia.de / denisismagilov

Jobs für Philosophen: Der Vielseitigkeitsfaktor

Taxifahrer werden? Von wegen. Philosophinnen und Philosophen suchen sich ihre Nischen – oft auch in der Selbstständigkeit. Sie punkten mit ihrem logisch-strukturierten Denken.

Text: Nicola Holzapfel

Taxi ist Jörg Bernardy zwar schon gefahren, aber stets als Fahrgast - und nicht, um damit Geld zu verdienen. Wobei er lieber Carsharing nutzt, da ist er mobiler und flexibel. Beides – das lernt, wer sich mit der aktuellen Arbeitsmarktsituation von Philosophinnen und Philosophen beschäftigt – sind offenbar Eigenschaften, die diese auszeichnen. Zumindest, wenn sie freiberuflich arbeiten.

Sie wirken sehr busy, sind zwar immer erreichbar und offen, aber Zeit für ein Gespräch ist dann nur zwischen zwei Terminen, auf dem Weg zur Mittagspause, erst nach mehreren Wochen geduldigen Wartens oder leider gar nicht, weil derzeit so viele Aufträge anstehen. Keiner der Philosophieabsolventinnen und -absolventen, mit denen für diesen Text gesprochen wurde, hatte es je nötig, als Taxifahrer zu jobben. Überhaupt, so Matthias Warkus von der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil), könne er sich nicht erklären, warum sich dieses Klischee vom taxifahrenden Philosophen so hartnäckig halte. Er kenne keinen einzigen. Im Gegenteil: Alle mit einem Philosophiestudium, von denen er wisse, seien auf dem Arbeitsmarkt irgendwie untergekommen. 

„Ich habe mir damals gesagt: Ich will den Quereinstieg. Jetzt mache ich meine Berufserfahrung und verdiene Geld.“

Jörg Bernardy, der sich inzwischen als Philosoph selbstständig gemacht hat, blickt auf zwei gegensätzliche Erfahrungen zurück. Nach seinem Magisterabschluss 2009 hatte er sich auf dem Arbeitsmarkt breit beworben, 100 Bewerbungen geschrieben, ohne einen passenden Job zu finden. Stattdessen nahm er eine Promotionsstelle an.

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Die Entscheidung lag nah, da seine Trefferquote bei Universitäten hoch war: Während sich Arbeitgeber der freien Wirtschaft bedeckt hielten, kam auf drei Bewerbungen an Hochschulen eine Zusage. Doch nach der Promotion 2014 wollte er es noch einmal wissen. „Ich habe mir damals gesagt: Ich will den Quereinstieg. Jetzt mache ich meine Berufserfahrung und verdiene Geld.“

Bernardy änderte seine Strategie und bewarb sich gezielter. „Nach der Promotion war ich mir viel sicherer, was ich machen möchte.“ Er empfiehlt, darauf zu achten, wo eine Promotion überhaupt geschätzt wird. Bernardy stieg beim Zeit-Verlag ein und damit in einer der Branchen, die als typisches Beschäftigungsfeld für Philosophinnen und Philosophen gilt.

„Die Frage für uns Philosophen ist auch: Wie offen bin ich? Bin ich bereit, noch einmal eine starke Lernkurve hinzulegen?

Dass er den Zuschlag für die Stelle bekam, lag seinem Eindruck nach auch an seinem Auftreten im Bewerbungsgespräch: „Die Frage für uns Philosophen ist auch: Wie offen bin ich? Bin ich bereit, noch einmal eine starke Lernkurve hinzulegen? Es war entscheidend, dass ich das im Gespräch vermittelt habe. Man muss bereit sein, bei Null anzufangen, auch nach der Promotion.“

Ein Pluspunkt seien zudem die Praktika gewesen, die er vorzeigen konnte. Sein Tipp: „Auch mal etwas scheinbar völlig Fachfremdes machen. Wovor haben Philosophen im Studium am meisten Angst? Marketing, Verkauf. Ich würde sagen: unbedingt Erfahrung im Vertrieb machen. Das ist eine gute Basis, wenn man überlegt, ob man sein logisch-strukturiertes Denken in der Wirtschaft einsetzen will.“

Ganz ähnlich klingt die Empfehlung in einer Arbeitsmarktstudie der DGPhil. Dort heißt es: „Da man im Philosophie-Studium eben das Werkzeug für eine generelle Arbeitsweise, nicht aber eine klassische Berufsqualifizierung erhält, muss man selbst für praktische Berufserfahrungen sorgen.“ So könne man den „Vielseitigkeitsfaktor der Philosophie“ zum eigenen Vorteil nutzen.

Signalkompetenzen erwerben

Robin Droemer hat seinen Master in Philosophie 2016 gemacht und wie Bernardy auf praktische Erfahrungen außerhalb der Hochschule gesetzt, und das bereits seit dem Bachelorstudium. „Mir war früh klar, dass ich entweder an der Uni bleiben kann, was ich nicht wollte, oder mich spezialisieren muss. Im Philosophie-Studium kann man sich leicht in dieser wohligen Blase an der Uni verlieren. Aber die Welt da draußen darf nicht aus dem Blick geraten.“

Er hat sich im Studium besonders für Themen der praktischen Philosophie und Menschenrechte interessiert und von Anfang an aufs Schreiben gesetzt, „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ als Nebenfach gewählt, Praktika bei Medien und auch in einem Fotografiestudio absolviert und früh erkannt, dass er selbstständig arbeiten möchte. Bereits seit vier Jahren verdient er sein Geld als freiberuflicher Autor, zurzeit qualifiziert er sich an der Deutschen Journalistenschule weiter.

„Man darf das Philosophiestudium nicht als Defizit sehen, das man kompensieren muss, sondern als Pfund, mit dem man wuchern kann.“

Matthias Warkus von der DGPhil empfiehlt, neben dem Studium unbedingt weitere Kenntnisse zu erwerben. Er nennt das „Signal­kompetenz“, das können eine ungewöhnliche Fremdsprache sein oder bestimmte IT-Kenntnisse wie das Layoutprogramm InDesign oder auch die Managementsoftware SAP. „Etwas, das signalisiert, dass man lernfähig ist.“

Viel wichtiger scheint ihm aber, sich nicht unter Wert zu verkaufen. Viele hätten den Eindruck, sie seien mit einem Philosophieabschluss in einer unglücklichen Situation und müssten das Beste daraus machen. Das Gegenteil sei der Fall: „Man darf das Philosophiestudium nicht als Defizit sehen, das man kompensieren muss, sondern als Pfund, mit dem man wuchern kann.“

Es ist wie mit Mathematikern - die sind auch überall einsetzbar 

Warkus zieht eine Parallele zu den Mathematikern, von denen es hieße, sie seien überall einsetzbar: „Das trifft auf Philosophen genauso zu. Sie sind auch in abstraktem Denken geschult und verfügen über hohe analytische Kompetenzen.“ 

Tatsächlich gibt es auch in der Beratungsbranche Chancen für Philosophieabsolventen. Bei der Unternehmensberatung McKinsey zum Beispiel hält man gezielt Ausschau nach Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. „Philosophen bringen ein bestimmtes systematisches Denken mit, das grundsätzlich für die Beratung interessant ist“, sagt Nadja Peters, Director of Recruiting bei McKinsey in Deutschland.

Eine der Stärken von Akademikerinnen und Akademikern mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund sei es, dass sie ausgehend von wenigen disparaten Datenpunkten versuchten, Zusammenhänge zu erkennen und daraus Geschichten zu erzählen. „Diese Fähigkeit braucht man auch in der Beratung.“

Damit die Quereinsteigerinnen und -einsteiger nicht zu mutig Schlüsse ziehen, erhalten jene ohne wirtschaftswissenschaftlichen Background spezielle Trainings. „Mit der Zeit lernen sie, die richtige Balance zwischen Hypothese und Analyse zu finden. Aber genau dieses andere Herangehen an Fragestellungen ist oftmals ein wichtiger Startpunkt bei der Suche nach der optimalen Lösung und liefert entscheidende Impulse“, sagt Nadja Peters.

Wer sich für eine Laufbahn in der Unternehmensberatung interessiert, sollte aber auf jeden Fall eine gewisse Affinität zu Zahlen mitbringen. „Quantitative Analysen sind ein grundlegendes Element unserer Arbeit. Wer dafür nicht ein Mindestmaß an Leidenschaft aufbringt, wird bei McKinsey nicht glücklich. Im Interview achten wir besonders darauf, ob diese Affinität und die grundlegenden analytischen Fähigkeiten vorhanden sind.“

Kritisches Denken kann auch zu Unsicherheit führen

Auf die Frage, was ihr das Studium der Philosophie gebracht habe, sagte die selbständige Philosophin Rebekka Reinhard einmal: „Ich habe im Studium das Denken gelernt. Ich habe gelernt, sehr konzentriert und differenziert zu denken.“ Jörg Bernardy nennt außerdem den Aspekt der Kreativität: „Die Philosophie blickt auf 2.500 Jahre Geschichte zurück. Das ist eine bunte Vielfalt an Denkmodellen, die kreatives Denken lehrt.“ Auch von der präzisen Sprache und Kenntnissen in Rhetorik profitiere er heute. In der Arbeitsmarktstudie der DGPhil werden zudem die breite und interdisziplinäre Bildung betont.

Matthias Warkus weist darauf hin, dass Philosophiestudierende lernen, gut zu schreiben. Er erkennt in den fachspezifischen Stärken jedoch zugleich eine mögliche Ursache für Schwierigkeiten bei der Jobsuche: „Philosophen erlernen im Fach einen extrem kritischen Denkstil. Sie lernen, Fehler in Argumenten zu suchen und sind ständig damit beschäftigt, sich gegenseitig zu kritisieren. Daher lernen sie auch, unheimlich selbstkritisch zu sein.“

Er vermutet, dass das auch zu einer gewissen Unsicherheit führen kann. Verstärkt werde das noch durch die ständige, mitunter geradezu vorwurfsvoll vorgetragene Frage „Was willst du denn damit mal machen?“, die offenbar alle Philosophiestudierenden sehr oft zu hören bekommen.

Robin Droemer wird das noch immer gefragt, obwohl sein Abschluss schon einige Zeit zurückliegt, reagiert aber inzwischen locker: „Es ist vielleicht keine schlechte Übung, wenn man ständig mit Zweifeln konfrontiert ist und diese erst einmal ausräumen muss.“ Andere lassen sich eher verunsichern, was gerade bei der Jobsuche von Nachteil sein kann. „Das trägt natürlich nicht gerade dazu bei, dass man sich im Bewerbungsgespräch darstellen kann und offensiv auftritt“, meint Warkus.

In der Statistik verloren 

Dazu kommt, dass das „Zuordnungsschema“ oft nicht passe, heißt es in der Studie der DGphil: Arbeitgeber wüssten oft nicht, was sie von Bewerberinnen und Bewerbern mit einem Philosophieabschluss halten sollten, könnten ihre Fähigkeiten nicht einordnen. „Die meisten können mit Philosophie nichts anfangen“, ist auch die Erfahrung von Jörg Bernardy. Er hat als zweites Fach Romanistik studiert, was ihm bei der Jobsuche geholfen habe. „Ach, Sprachwissenschaft – das ist nicht schlecht“, war dann öfters die Reaktion. Sein Rat ist daher: „Augen auf beim zweiten Fach“.

Das hat in seinem Fall auch der Arbeitsagentur geholfen. Als er sich dort arbeitssuchend meldete, konnte ihn der Sachbearbeiter zunächst nicht in seiner Datenbank eintragen – auf einen Philosophen war diese offenbar nicht eingestellt. Also wurde Bernardy als arbeitssuchender Romanist eingetragen. Auch Auswertungen, wie speziell Philosophinnen und Philosophen auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, gibt es bei der Arbeitsagentur nicht.

In der Arbeitsmarktstatistik zum Beispiel fallen sie in die Gruppe der Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, für die sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gut entwickelt hat: „Waren im Jahr 2005 laut Mikrozensus noch 250.000 Erwerbstätige mit einem Abschluss der Sprach- und Kulturwissenschaften, der Geschichte oder der Philosophie in Deutschland tätig, stieg ihre Zahl bis 2014 auf 341.000 Personen. Das ist ein beachtliches Plus von einem guten Drittel“, antwortet die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Nachfrage.

In einer Publikation der BA über den Arbeitsmarkt für Akademiker/innen von 2016 heißt es, dass sich der Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler zwar positiv entwickelt habe, sich aber nicht unproblematisch darstelle. Die Zahl der Erwerbstätigen sei zwar sehr stark gestiegen, allerdings „verläuft der Berufseinstieg oft alles andere als einfach, da es nur wenige Stellenangebote gibt, die sich explizit an die Vielzahl der Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge richten“.

Die Arbeitslosenzahlen seien deswegen etwas höher als bei Absolventen anderer Fachrichtungen, lägen aber dennoch nur bei unter drei Prozent. Auch bei der DGphil heißt es, dass der Berufseinstieg für Philosophinnen und Philosophen „zäh und langwierig“ sein kann. Der BA-Bericht empfiehlt daher eine „frühzeitige berufliche Orientierung, Mobilität und Flexibilität“. Außerdem wird zur „gezielten Netzwerkpflege“ geraten.

Die meisten Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler arbeiten der Statistik zufolge im Bildungswesen, bei Medienunternehmen, in den Bereichen Kunst und Kultur sowie Dolmetschen/Übersetzen, aber auch im Handel, in der PR-Branche, bei Unternehmensberatungen und im IT-Sektor. Im Berufsfeld Philosophie, Religion und Ethik zählt die Beschäftigungsstatistik 2.784 Beschäftigte – sie sagt aber nichts darüber aus, in welchen Berufen Philosophinnen und Philosophen noch tätig sind.

Weg in die Selbstständigkeit 

Auch Infos zur Selbstständigkeit von Philosophen geben die offiziellen Statistiken nicht her. Laut dem BA-Bericht sind zwei Prozent der erwerbstätigen Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler freiberuflich tätig, wobei die Freiberuflichkeit vor allem bei den schreibenden Berufen, also etwa im Journalismus, weit verbreitet ist und hier auf jede/n dritte/n zutrifft. Bei Jörg Bernardy kam der Wunsch, sich selbstständig zu machen, erst im Laufe der ersten Berufsjahre auf. „Das hätte ich mir als Philosophie-Student nie zugetraut.“

Erst im Angestelltenverhältnis kam ihm der Gedanke: „Du hast doch noch andere Ziele.“ Als sich ihm die Chance bot, ein Buch zu schreiben, hat er das als Ausstieg genutzt. „Man muss schon ein paar Stationen gemacht haben, bevor man sich selbständig machen kann“, ist seine Erfahrung. Inzwischen sei er „breit aufgestellt“, seine Selbständigkeit nach dem Baukastenprinzip organisiert, vor allem sei er wieder näher an den Themen, die er studiert habe. Er arbeitet als Autor, unterrichtet an Schulen und als Lehrbeauftragter und gibt Workshops, zum Beispiel zum Thema „Gedankensprünge für Medienpraktiker“: „All diese Elemente ergeben zusammen ein Ganzes.“ 

Matthias Warkus arbeitet ebenfalls freiberuflich als Philosoph, angefangen damit hat er bereits während des Studiums mit der Übernahme von Textaufträgen. Er bezeichnet sich als „Mädchen für alles“, da er lehrt – momentan hat er eine Vertretungsstelle an der Uni Jena inne – aber auch für Verlage Korrektorat und Übersetzungen macht, Texte schreibt, Aufgaben in der Pressearbeit übernimmt und in Workshops sowie neuerdings auch in Science Slams philosophische Themen vermittelt.

Über mangelnde Nachfrage kann er sich nicht beklagen. „Es gibt einen Riesenbedarf an populärer Wissenschaftsvermittlung und auch an der Vermittlung von Philosophie. Das erkennt man auch daran, dass es mehrere Publikumszeitschriften für Philosophie gibt, die sich seit Jahren halten, und sich auch populärphilosophische Bücher gut verkaufen“, meint Warkus.

Michael Niehaus, der eine Philosophische Praxis in Dortmund führt, beobachtet diese Entwicklung schon seit Längerem: „Das begann schon vor 20 Jahren mit dem Buch ‚Sofies Welt‘. Damals wurde die Philosophie aus der vermeintlich verstaubten akademischen Welt ins Leben geholt. Es gibt inzwischen in vielen Städten philosophische Cafés oder die Modern Life School in Hamburg, die neue Formate für das miteinander Philosophieren entwickelt haben.

Auch in Talkshows sieht man, dass es ein Bedürfnis nach Beratung gibt und dass hier die Philosophie neben der Psychologie oder anderen Wissenschaften, die regelmäßig Experten stellen, eine wichtige Rolle spielen kann.“ Bei der Modern Life School in Hamburg leitet Jörg Bernardy einen philosophischen Stammtisch. „Die Nachfrage wächst“, meint Bernardy. „Bei gesellschaftlichen Themen sind wir Philosophen gegenüber Sozialwissenschaftlern, die vor allem empirisch arbeiten, im Vorteil. Wir können über Theorien reden, sie aber auch auf aktuelle Fragen herunterbrechen.“

Die richtige Nische finden

Wer sich als Philosoph/in selbstständig machen will, braucht neben ersten beruflichen Erfahrungen insbesondere die Bereitschaft, Kontakte zu knüpfen. „Man muss auf Menschen zugehen können“, sagt Bernardy, bei dem der Wechsel in die Selbstständigkeit gut geklappt hat: „So, wie es bisher läuft, muss ich mir keine Sorgen machen, aber ich plane auch nicht mehr als drei bis vier Monate im Voraus“. Sein Portfolio ändert sich ständig, auch wenn er sich auf die Zielgruppe junger Menschen ab einem Alter von etwa 14 Jahren spezialisiert.

Den Hinweis, man müsse „seine Nische“ finden, geben mehrere freiberufliche Philosophen. Bernardy glaubt, dass sich im Zuge der Digitalisierung neue Chancen eröffnen werden: „Da auf der einen Seiten viele Tätigkeiten spezieller werden, sind auf der anderen Seite mehr Generalisten gefragt. Es tun sich laufend neue Arbeitsfelder auf.“ Er selbst arbeitet inzwischen auch für Start-ups und übernimmt dort Aufgaben als Texter, Berater für Kampagnen und in der Konzeption.

Eine Studie von Arbeitsmarktforscherinnen und -forschern des sogenannten „Münchner Kreis“ für das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt seinen Eindruck. Demnach wird infolge der Digitalisierung die Zahl der Freelancer zunehmen. Durch die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten ist es der Studie zufolge für Unternehmen leichter geworden, Externe punktuell in ihre Arbeitsprozesse einzubeziehen, sodass sie zunehmend je nach Bedarf und Projekt mit Freiberuflichen zusammenarbeiten. 

Trifft diese Analyse zu, dann könnten die Freelancer mit Philosophiediplom, mit denen für diesen Text gesprochen wurde, Vorreiter einer Entwicklung sein, die mit der Digitalisierung einhergeht und die zwar berufliche Unsicherheiten, aber auch neue Freiräume mitsichbringt. Robin Droemer ist jedenfalls mit seiner Situation „absolut zufrieden“, auch wenn er nicht weiß, was in zehn oder zwanzig Jahren ist: „Vielleicht ist es auch eine Haltung meiner Generation zu sagen: Das mache ich jetzt erst einmal.“

Ähnlich klingt es bei Matthias Warkus: „Ich bin sehr froh über meine weitgehend selbstbestimmte selbstständige Tätigkeit. Es ist sehr gut, wie es sich entwickelt hat – auch wenn es nicht so geplant war. Ich habe viele Chancen genutzt. Sobald sich ein Angebot auftat, habe ich das ausprobiert, auch wenn ich zuvor nicht wusste, ob ich das kann. Ich hatte viel Glück. Mein eigener Beitrag war, unerschrocken zu sein.“

Sein Tipp für Jobsuchende ist daher: Seine Chancen nutzen, nicht zu bescheiden sein, sondern extrovertiert, wenn es darauf ankommt. „Ich würde jedem sagen: Machen Sie sich wegen Ihres Fachs keine Sorgen, sehen Sie sich als jemand, der hochattraktive Kompetenzen hat und probieren Sie sich aus.“ 

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