Jobs für Akademiker: Im Durchschnitt alles bestens
Tagsüber im befristeten Job, abends nach einer neuen Stelle suchen: Alltag für viele Akademikerinnen und Akademiker. Foto: © diego cervo / Fotolia.de

Jobs für Akademiker: Im Durchschnitt alles bestens

Akademiker/innen bekommen großartige, sichere Jobs und verdienen sich eine goldene Nase, so der Tenor einer neuen Arbeitsmarkt-Studie. Sie wundern sich? Ich mich auch!

Kommentar: Andreas Pallenberg

Andreas-PallenbergAkademiker/innen auf dem Arbeitsmarkt gelten für die Politik als eher problemlos. Ihre Arbeitslosenquote lag 2015 bei 2,4 Prozent. Da „kann man von Vollbeschäftigung sprechen“, so das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Gegenüber der allgemeinen – schon recht geringen – Arbeitslosigkeit von 6,6 Prozent ist das nochmal ein besserer Wert.

Auch die Verdienstmöglichkeiten seien bei den Akademiker/innen im Durchschnitt am höchsten, so das Institut in seinem Statement mit dem Titel „Es gibt keine Anzeichen für eine Über-Akademisierung“ anlässlich der Herausgabe seines Bandes „Arbeitsmarkt kompakt“. Da ist von einem Lebenseinkommen bei Akademiker/innen von durchschnittlich 2,4 Millionen Euro die Rede.

"Und wer es trotzdem nicht schafft, ist irgendwie selbst schuld, hat keinen Plan oder kommt nicht in die Pötte." 

Bei solchen Nachrichten werden sich auch manche Leser/innen wundern, weshalb es ausgerechnet bei ihnen nicht so recht klappen will mit der Karriere und dem guten Einkommen. Schönen Dank, liebes IAB, für solche Nachrichten, die genau jene Unschärfe zementieren, mit denen unsere Leserschaft seit Jahren zu kämpfen hat. Die Botschaft, die hängen bleibt: Akademiker/innen haben es gut. Und wer es trotzdem nicht schafft, ist irgendwie selbst schuld, hat keinen Plan oder kommt nicht in die Pötte. 

Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob jemand sich im Feld der Ingenieurswissenschaften getummelt oder ob es sich eher um ein naturwissenschaftliches Studium gehandelt hat. Da werden akademische „Welten“ zusammengekippt, die im Hinblick auf ihre Arbeitsmarktnähe fast nichts miteinander zu tun haben.

"Und dann schüttet man dieses Zahlenwerk in einen Topf – und fertig ist die Vollbeschäftigung bei Akademiker/innen."

Nähme man nur die gefragten Ingenieur/innen und Informatiker/innen, dann gäbe es überhaupt keine Arbeitslosigkeit, eher einen Mangel an Fachkräften. Auf der anderen Seite gäbe es eine ordentliche überdurchschnittliche Arbeitslosenquote bei Biologinnen, Geographen oder Agrarwissenschaftlern, bei denen die zahlreichen nichtregistrierten Arbeitsuchenden sogar unberücksichtigt blieben. Und dann schüttet man dieses Zahlenwerk in einen Topf – und fertig ist die Vollbeschäftigung bei Akademiker/innen.

Wären Forst- oder Geowissenschaftler/innen eine exotische Minderheit, könnte man ein solches Vorgehen ja durchwinken. Aber akademische Umweltfachkräfte sind in Zeiten des Klimawandels und der damit verbundenen politischen Herausforderungen vom Arbeitsmarkt nicht mehr wegzudenken.

"Befristung ist nur eine Episode? Von wegen!" 

Das der Bundesagentur für Arbeit zugehörige IAB ist mit seinen Statements zur Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Regel sehr differenziert und bisweilen sogar angenehm kritisch gegenüber der bestehenden Arbeitsmarktpolitik. Kommen dann aber Aussagen wie: „Befristete Beschäftigung ist bei Hochschulabsolventen häufig nur eine Episode auf dem Weg in eine stabile und in der Regel existenzsichernde Beschäftigung“, dann fallen unserer Leserschaft bestimmt noch ganz andere Episoden ein.

Nämlich die, dass nach dem Studium erst mal gar nichts läuft. Jobs vielleicht, um über die Runden zu kommen, gleichzeitig Bewerbungsmarathons mit zig Bewerbungen, unterqualifizierte Einstiege, Pseudo-Trainee-Stellen, unterbezahlte Volontariate etc. Adäquate Einstiege ohne große Umwege kommen bei grünen Akademiker/innen zwar vor, bleiben aber die Ausnahme. 

Das IAB will mit seinem Statement die Angst vor einer Inflation der Bildungsabschlüsse nehmen. Richtig so, denn es gilt nach wie vor, dass ein Studium grundsätzlich die beste Voraussetzung für einen gut dotierten und stabilen Job ist. Aber eben nur grundsätzlich. Die „Ausnahmen“ werden in dem kleinen Hinweis, „dass das stark nach Studienrichtung differiert“ versteckt, und diese kurze Einschränkung geht unter in dem ansonsten eher euphorischen Fazit des Verfassers.

Hier hätte ein deutlicherer Hinweis hingehört, nämlich, dass es für bestimmte Akademiker/innen eben sehr mühsam sein kann, überhaupt einen adäquaten Weg in den Arbeitsmarkt zu finden und dass sie sich auf lückenhafte und mitunter schlecht bezahlte Übergangssituationen während ihres Berufslebens einstellen müssen. 

"Die verallgemeinernde Kategorie „Akademiker“ ist zwar recht praktisch, für die Arbeitsmarktpolitik aber nur bedingt tauglich."

Liebe Arbeitsmarktforscherinnen und -forscher: Nehmt die Umweltfachkräfte unter den Akademiker/innen ernst. Seid deutlicher bei der Differenzierung, denn die verallgemeinernde Kategorie „Akademiker“ ist zwar recht praktisch, für die Arbeitsmarktpolitik aber nur bedingt tauglich. Die Vermittlungsfähigkeit unserer Zielgruppe in den Arbeitsmarkt hängt wesentlich von einer frühen Informationsarbeit ab, die über die tatsächlichen Chancen und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt aufklärt.

Und das muss schon in den Oberstufen der Schulen stattfinden, eben da, wo Studien- und Berufsentscheidungen getroffen werden. Es ist fatal, dass sich studierte Ernährungswissenschaftler/innen, Umweltwissenschaftler/innen oder Forstwissenschaftler/innen jeweils einzeln, erst sehr spät und dann recht mühsam mit ihren Arbeitsmarktchancen auseinandersetzen.

Die dabei überaus hilfreichen Career-Service-Einrichtungen an den Universitäten können ein Lied davon singen. Botschaften wie: „Alles bestens bei den Akademikern“ verhindern eine längst überfällige Informations- und Aufklärungsarbeit. Sie manifestieren den holprigen und verspäteten Eintritt großer Akademikeranteile in den Arbeitsmarkt und verhindern das Ausschöpfen vorhandener Potenziale.    

Das Statement „Es gibt keine Anzeichen für eine Über-Akademisierung“ von IAB-Direktor Joachim Möller ist online auf der Seite des IAB zu finden: www.iab.de/presse/st050417

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