Ökologisch erzeugte Lebensmittel helfen der ganzen Welt. Foto: Fotolia.de / © C. Schüßler

"Bereit sein, unbequem zu sein"

Das Traineeprogramm Ökolandbau bezeichnen die Initiatoren als „die Nachwuchsschmiede für die ökologische Lebensmittelwirtschaft“. Bewerber/innen können hier mit eigenen Ideen punkten.

Thomas Fisel ist Projektleiter des Traineeprogramms Ökolandbau. Mit ihm sprach Janna Degener. Mehr über Trainee-Programme im Nachhaltigkeitssektor lesen Sie hier

WILA Arbeitsmarkt: Herr Fisel, viele Nachwuchskräfte steigen über Praktika in die Nachhaltigkeitsbranche ein. Was zeichnet Ihr Traineeprogramm im Vergleich dazu aus?

Thomas-FiselThomas Fisel: Wie viele andere Traineeships läuft unser Programm über einen längeren Zeitraum von elf Monaten. Die Trainees arbeiten einerseits aktiv in kleinen und mittleren Unternehmen der Biobranche mit, wobei die Arbeitgeber in der Regel im Vorfeld entscheiden, auf welcher Position die Einsteiger/innen eingesetzt werden sollen. Aber sie lernen andererseits auch off-the-job in betrieblichen Lehrgängen.

Darüber hinaus sind die Trainees in Selbstlerngruppen aktiv, in denen die Inhalte aus diesen Modulen vertieft werden. Hier haben die jungen Menschen, die in dieser Phase häufig zum ersten Mal richtig im Beruf stehen und mit dieser Veränderung umgehen müssen, auch die Möglichkeit, in kleinerem Kreis über ihre persönlichen Anliegen zu sprechen. Zudem wird das Programm durch E-Learning-Angebote ergänzt, die eine gemeinsame Wissensbasis als Grundlage für die Lernmodule schaffen und auch die Möglichkeit bieten, bestimmte Inhalte im Nachgang zu vertiefen.

Schließlich bietet das Programm den Trainees auch die besondere Möglichkeit, sich innerhalb der gesamten Wertschöpfungsketten vom landwirtschaftlichen Betrieb über die Erzeugergemeinschaft bis hin zur Vermarktung und zum Einzelhandel zu vernetzen.

Ihre Mitarbeiter/innen vermitteln die Trainees also an verschiedene Unternehmen und qualifizieren sie dann extern.

Ja. Normalerweise sind qualitativ hochwertige Traineeships häufig bei größeren Konzernen mit mehreren tausend Mitarbeiter/innen angesiedelt. Die ökologische Lebensmittelwirtschaft besteht aber überwiegend aus Kleinstunternehmen, die ähnliche Programme aus eigener Kraft nicht realisieren könnten.

Wir verstehen uns also als Dienstleister der Branche und als gemeinsame Plattform für die Entwicklung von Fach- und Führungsnachwuchs. Die Trainees bewerben sich bei uns und sind dann auch bei uns befristet angestellt. Im Laufe des Jahres entscheiden dann die Unternehmen, ob sie an einer Übernahme der Trainees interessiert sind. Bei den allermeisten Unternehmen ist das in den letzten Jahren der Fall gewesen.

Wie sorgen Sie dafür, dass die Unternehmen ihre Trainees nicht als billige Arbeitskräfte ausbeuten?

Die Unternehmen müssen sich bei uns bewerben, und wir bewerten sie dann im Hinblick auf die Ausbildungsmöglichkeiten. Da das Interesse der Unternehmen an dem Programm sehr groß ist, haben wir die Möglichkeit, die attraktivsten Arbeitgeber auszuwählen.

Die persönlichen Betreuer/innen der Trainees nehmen an unseren Veranstaltungen für Ausbilder teil. Wir arbeiten mit einem modulbezogenen Ausbildungsplan, in dem die Lernziele der Trainees abgebildet sind und der gemeinsam mit den Betreuer/innen vorbereitet wird. Wichtig ist uns dabei natürlich auch, dass die überbetrieblichen Aufgabenstellungen Themen aufgreifen, die für die Unternehmen interessant sind.

Wenn wir beispielsweise in unseren Modulen das Führen von Verhandlungsgesprächen üben, stimmen wir vorab mit den Führungskräften in den Unternehmen ab, welche typischen Situationen zu den täglichen Herausforderungen gehören. Schließlich evaluieren und bewerten wir auch die Ausbildungsunternehmen. Natürlich müssen die Unternehmen nicht perfekt sein, aber wenn die Qualität der Ausbildung nicht vertretbar ist, ziehen wir im Zweifel die Reißleine. 

Wie wählen die Unternehmen Trainees aus?

Ein Auswahlkriterium ist der fachliche Hintergrund. Landwirte und Landwirtinnen mit agrarwissenschaftlichem Studium sowie Ökotropholog/innen, aber auch Lebensmitteltechnolog/innen, BWLer/innen und andere nicht branchennahe Hochschulabsolvent/innen sind die Zielgruppe, die wir im Wesentlichen ansprechen.

Wichtig ist vor allem, dass die Bewerber/innen nicht einfach nur irgendeinen Job suchen, sondern dass sie wirklich motiviert sind, in der Branche zu arbeiten. Die Trainees werden in den Unternehmen nicht von heute auf morgen Führungskraft, aber sie werden für verantwortungsvolle Aufgaben fit gemacht.

Darauf müssen sie Lust haben. Schließlich sollten Berufsanfänger/innen auch bereit sein, querzudenken, unbequem zu sein, Verfahrensweisen und Dogmen in Frage zu stellen. Es geht nicht nur darum, die eingeschlagenen Wege fortzusetzen, sondern die Werte und Lösungen der Ökobranche immer wieder zu überdenken und auch den Übergang in die digitale Arbeitswelt vorzubereiten.

Da nicht jede Woche für jeden eine passende Stelle ausgeschrieben ist, braucht es ein wenig Geduld und vor allem auch den Mut, sich mit interessanten Fragen an potentielle Arbeitgeber zu wenden.

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