Karrierecoach Andrea Werle erklärt in unserer Coaching-Serie, auf was man sich einstellen muss, wenn man Führungskraft wird. / Foto: A. Werle

"Manche werden nicht ernst genommen"

Fragen Sie unseren Coach (Teil 10): Wer plötzlich Chef oder Chefin ist, hat eine neue Rolle. Nicht jeder wird von den Mitarbeitern anerkannt. Wie man damit umgeht, erklärt Andrea Werle.

Die Frage:

Ich bin seit einem halben Jahr Führungskraft in unserem Unternehmen und leite als junge Frau ein Team von 10 Mitarbeitenden. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht ernst genommen werde. Wie kann ich dies ändern? 

Die Antwort von Karrierecoach Andrea Werle:

Ich coache sowohl männliche als auch weibliche Führungskräfte. Und man kann sagen: Die Probleme unterscheiden sich nicht grundsätzlich. Trotzdem ergeben sich immer wieder andere Nuancen. Das „Nicht-ernst-genommen-werden“ ist eine davon. 

Viele Führungskräfte unterschätzen es, wie sehr sich ihre Rolle ändert, wenn sie in eine Führungsposition kommen. Es ist ein komplett neuer Beruf. Und man sollte nicht davon ausgehen, dass man es automatisch kann.

Als Führungskraft muss man unter anderem auch delegieren – und daran hakt es häufig. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit nicht pünktlich oder schlecht erledigen, tendieren weibliche Führungskräfte eher dazu, nachgiebig zu sein. Sie versuchen zu verstehen, woran es lag. Sie lassen sich eher breitschlagen, geben es an jemand anderes oder erledigen es selbst.

Dieses Vorgehen ist auch nicht grundsätzlich falsch. Schließlich kommt es immer auf die Situation an. Aber es kann dazu führen, dass die weibliche Führungskraft an Autorität verliert. Erst recht, wenn die Mitarbeitenden häufiger ihre Arbeit nicht erledigen und jedes Mal keine Konsequenzen spüren. Dies wiederum bezieht die Chefin auf sich und ihre Person. Sie hat das Gefühl „nicht ernst genommen zu werden.“ 

Was kann man in so einer Situation tun? Als Führungskraft muss man sich klar sein, dass man führt und damit Anweisungen gibt. Dies wird von den Mitarbeitern auch letztlich erwartet. Wenn Aufgaben nicht erledigt werden, muss man klar sagen, was bis wann erledigt werden sollte und welche Konsequenzen sonst im Raum stehen. Natürlich in einem freundlichen, aber bestimmten und selbstbewussten Ton.

Eine andere Situation ergibt sich, wenn es tatsächlich aktive Bestrebungen von Mitarbeitern gibt, die Autorität der Chefin zu untergraben oder ihr sogar Fallen zu stellen. Dies gehört leider zum Alltag. Auch hier sollte man zunächst ein Gespräch suchen. Aber wenn eine Einigung nicht möglich ist, geht es letztlich darum, aktiv in einen Machtkampf einzutreten.

In Führungspositionen muss man sich auch mit Machtkämpfen auseinander setzen, sie sind Teil der Arbeit.Es sägt immer irgendjemand an irgendeinem Stuhl. Und viele Frauen unterschätzen, wie viel Arbeitszeit sie in Machtkämpfe investieren müssen. Man kann nicht mehr „Everybody‘s Darling“ sein.

Dazu kommt: Als Führungskraft ist man in der Regel allein. Selbst wenn man mit seinem Team abends noch etwas unternimmt: Man gehört einfach nicht mehr richtig dazu. Diese Situation fällt vielen weiblichen Führungskräften zu Beginn schwer – erst recht, wenn sie noch relativ jung sind. Deswegen rate ich dazu, sich eigene Netzwerke aufzubauen und zu Menschen Kontakt zu suchen, die auch in Führungspositionen arbeiten. So kann man sich offen austauschen.

Auch die langfristige Perspektive wird oft unterschätzt. Wer einmal Mitte 50 ist und einen Gang zurückschalten will, der bekommt Schwierigkeiten. Denn meistens ist der Weg zurück – zu einem Job als Fachkraft ohne Führungsverantwortung – schwer. Der Schritt hat tendenziell etwas Endgültiges, auch wenn dies natürlich vom Einzelfall abhängig ist. Auch darum wünschte ich mir mehr weibliche Führungskräfte, denn Frauen sind eher bereit, über ihre Probleme mit der Arbeitsüberlastung zu sprechen und wer bestimmt eigentlich, dass Führung immer eine 50-Stunden-Woche bedeuten muss?

Und zu guter Letzt: Häufig werden die Frauen sehr wohl ernst genommen. Sie sind nur extrem kritisch zu sich selbst. Dann sollten sie daran arbeiten, diese Gedanken schlicht aus dem Kopf zu kriegen und in Ruhe ihren Job machen.

Zum Coach

Andrea Werle arbeitet als Systemischer Coach in Mannheim. Sie hat elf Jahre als Führungskraft eines mittelständischen Bildungsunternehmens gearbeitet und hatte Personalverantwortung für rund vierzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für den WILA organisiert sie das kostenlose Bewerbungscafé in Mannheim (jeden ersten Montag im Monat um 18 Uhr in der Katholischen Hochschulgemeinde Mannheim. Mehr Infos dazu: kontakt@andrea-werle.de).

Der Artikel ist in den Informationsdiensten arbeitsmarkt erschienen. Jede Woche werten wir aktuelle und qualifizierte Jobs für Akademiker aus - für Geistes/Sozialwissenschaftler und für die Umweltbranche und Naturwissenschaftler. Mehr zum Coaching-Kooperationsprogramm finden Sie hier

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