Arbeiten in der Flüchtlingshilfe
Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland - wer wird ihnen dauerhaft helfen? Bund, Länder und Kommunen müssen Fachkräfte einstellen. Foto: © spuno / Fotolia.de

Arbeiten in der Flüchtlingshilfe

Rund 800.000 Flüchtlinge erwartet Deutschland in diesem Jahr. Unterbringung, Versorgung und Schutz vor rechter Gewalt müssen geleistet werden. Kommunen und Hilfsorganisationen fehlt es an professionellen Arbeitskräften.

Text: Daniela Lukaßen 

Seit einigen Wochen und Monaten dominieren Flüchtlinge die Schlagzeilen in Tageszeitungen, Fernsehnachrichten und sozialen Medien. Die Situation macht nachdenklich und fassungslos. Fotos zeigen erschöpfte, sogar ertrunkene Flüchtlinge, überfüllte Unterkünfte und verzweifelte Menschen ebenso wie rechte Demonstranten und brennende Asylbewerberheime.

Dabei bleibt eine Seite weitgehend unbekannt: die jener Menschen, die sich beruflich mit dem Thema Flucht, Vertreibung und Migration befassen. Ein Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Denn längst ist die Flüchtlingshilfe zu einem Berufsfeld für Menschen unterschiedlichster beruflicher Professionen geworden. Akademikerinnen und Akademiker, insbesondere aus dem sozialpädagogischen und therapeutischen Bereich sowie Fachkräfte aus dem Bildungsbereich werden händeringend gesucht.

Und das in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern: Von der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge über die Beratung und die therapeutische Unterstützung traumatisierter Menschen bis hin zum Sprachunterricht für Asylbewerberinnen und Asylbewerber reicht das Tätigkeitsfeld in der Flüchtlingsarbeit. Die Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen und Kommunen stellt das häufig vor ganz besondere Herausforderungen. Denn viele Stellen, die gerade erst geschaffen worden sind, müssen in kurzer Zeit mit gut ausgebildeten und qualifizierten Menschen besetzt werden.

„Lange Zeit gab es in der Flüchtlingssozialarbeit kein klares Berufsbild“

„Lange Zeit gab es in der Flüchtlingssozialarbeit kein klares Berufsbild“, stellt Bernd Mesovic fest. Er ist stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL. So sei die sogenannte Ausländerberatung viele Jahre lang nach Nationalitäten aufgeteilt gewesen. Die Mitarbeitenden – damals oft Quereinsteiger/innen – kamen aus unterschiedlichen Berufsfeldern. Erst Schritt für Schritt entstand hieraus die Migrations-Sozialarbeit. Und erst langsam habe man damit begonnen, Berufe rund um die Flüchtlingsberatung als eigenes Berufsbild zu erschließen, wie Mesovic betont. Doch noch heute sei dieser Bereich ein Tätigkeitsfeld, in dem Menschen mit sehr verschiedenen Professionen arbeiten würden. „Im Flüchtlingsbereich kommen Beschäftigte mit verschiedenen Ausbildungen und Studienabschlüssen zusammen“, erklärt Mesovic. „Viele qualifizieren sich über unterschiedliche Fortbildungen, die etwa durch die Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen angeboten werden.“

Zwischen Ehrenamt und Professionalisierung

Wie aber sieht das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamtlern in der Arbeit mit Flüchtlingen aus? Ein Punkt, den Mesovic mit Skepsis betrachtet. Ehrenamtler würden oft alleine gelassen, weil sich der Staat mit dem Verweis auf die Ehrenamtlichkeit seinen Verpflichtungen entziehen würde, kritisiert er. Und so ist die Flüchtlingshilfe noch vielfach ein Feld, in dem neben wenigen Hauptamtlichen zu einem weitaus größeren Teil ehrenamtlich tätige Menschen arbeiten. Aufgrund der aktuellen Entwicklung und der steigenden Flüchtlingszahlen sei eines darum besonders  wichtig, wie Mesovic betont: „Es spielt eine wichtige und entscheidende Rolle, dass für die Ehrenamtler ein entsprechender Background geschaffen wird, dass man ihnen also fehlende Kenntnisse vermittelt und dass sie wissen, auf was es in der Arbeit mit Flüchtlingen zu achten gilt.“

Zwar sei das Ehrenamt für die Flüchtlingsarbeit unersetzbar, doch es brauche dennoch Hauptamtliche, die die Arbeit der ehrenamtlich arbeitenden Personen steuern. Keine ganz einfache Aufgabe. Denn mit dem Rückgang früherer Flüchtlingsströme sei die Zahl spezialisierter Beratungsstellen rückläufig gewesen. Die aktuelle Entwicklung erfordere dagegen neue Stellen im Bereich der Flüchtlingsberatung. Es müsste sich also etwas im Tätigkeitsfeld der Flüchtlingshilfe ändern. „Wir brauchen Menschen, die sich in diesem Bereich auskennen und wissen, was zu tun ist.“ 

"Bei ehrenamtlichen Tätigkeiten steht häufig die persönliche Begegnung mit Flüchtlingen im Mittelpunkt."

Bedeutsam sei es in diesem Kontext, auch Seiteneinsteigern eine Chance zu geben und ihnen die notwendigen Kompetenzen mithilfe interner Qualifikationen zu vermitteln. Denn ein Wissen in unterschiedlichsten Bereichen sei mit Blick auf die vielfältigen Aufgabengebiete, in denen Akademikerinnen und Akademiker in der Flüchtlingshilfe tätig werden können, wichtig. Und so werden beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eingestellt, die als direkte Ansprechpartner für die Asylsuchenden tätig sind. Darüber hinaus ist der Bedarf an Menschen mit einem psychologisch-therapeutischen Hintergrund groß. Denn viele der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge sind traumatisiert und brauchen eine besondere Betreuung.

  • Fluechtlinge-ArbeitsmarktDer Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen, dem Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen. Jede Woche wird das aktuelle Stellenangebot ausgewertet. Herausgeber des Heftes ist der Wissenschaftsladen Bonn e.V.

Hinter den Kulissen, also bei den Flüchtlingsorganisationen, finden sich darüber hinaus auch Stellen für Politologinnen und Politologen sowie für Menschen, die über gute interkulturelle Kompetenzen verfügen. Auch beim Kölner Flüchtlingsrat arbeiten Akademikerinnen und Akademiker aus unterschiedlichen Bereichen. Der eingetragene Verein gehört zu den ersten Flüchtlingsräten Deutschlands und setzt sich bereits seit 1984 für die Belange von Flüchtlingen ein. Die Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisation arbeitet dabei sowohl mit freiwillig engagierten Menschen als auch mit hauptamtlich Tätigen zusammen.

„Wir beschäftigen zum Beispiel Menschen, die soziale Arbeit studiert haben, Diplom-Sozialarbeiter, Diplom-Pädagoginnen, Historiker und Ethnologinnen“, erklärt Thomas Zitzmann vom Kölner Flüchtlingsrat. Ein Schwerpunkt der Organisation sei die unentgeltliche asyl- und aufenthaltsrechtliche Beratung und Vertretung von Flüchtlingen in Verwaltungsverfahren nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Diese Aufgabe werde ausschließlich von hauptberuflichen Kräften erbracht. Zur Diskussion um eine Professionalisierung des Ehrenamtes erklärt Zitzmann: „Aus unserer Sicht ist es so, dass bei ehrenamtlichen Tätigkeiten häufig die persönliche Begegnung mit Flüchtlingen im Mittelpunkt steht.“ Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien hingegen oft in die konzeptionelle Arbeit und in Gremien eingebunden.

Wer hauptamtlich für das Flüchtlingsnetzwerk arbeiten möchte, so betont Zitzmann, müsse einige Voraussetzungen erfüllen. „In der Regel setzen wir einen Bachelor in Sozialer Arbeit oder eine entsprechende Qualifikation voraus“, erklärt er. „Darüber hinaus sollten die Bewerberinnen und Bewerber möglichst über Erfahrungen in diesem Bereich verfügen und mit rechtlichen Aspekten des Themas vertraut sein.“ Auch interkulturelle Kompetenzen seien ein wichtiger Pluspunkt. Allerdings wären diese selten klar definiert. „Jeder Träger versteht unter diesem Begriff etwas anderes“, bemerkt er. Dennoch sei es in der Regel von Vorteil, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber berufliche Erfahrungen in diesem Bereich nachweisen kann.

Die Bedeutung interkultureller Kompetenzen und eines Studiums etwa im sozialpädagogischen Bereich scheint – wenn es um das Tätigkeitsfeld der Flüchtlingshilfe geht – unumstritten. Oft bilden diese Voraussetzungen die Basis bei der Besetzung von Stellen. Ein Punkt, der nicht immer leicht einzulösen ist, denn in vielen Regionen sind gut qualifizierte Fachleute, die neben Know-how und dem entsprechenden Studium auch andere spezifische Kompetenzen mitbringen, schwer zu finden. Viele Organisationen und Verbände stellt das vor große Herausforderungen.

Arbeiten in Flüchtlingsunterkünften 

Einen erhöhten Bedarf an Sozialarbeitern und Sozialpädagogen und einen generellen Mangel an Arbeitskräften im Sozialwesen erkennt zum Beispiel Pressereferentin Verena Götze aus der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., einer Organisation, die sich für Flüchtlinge in ganz Deutschland einsetzt: „Bei uns arbeiten sehr viele Menschen mit sozialpädagogischem Hochschulabschluss in der direkten Betreuung von Flüchtlingen“, erklärt Götze. Die Kommune gebe jeweils vor, wie der Betreuungsschlüssel konkret aussehen müsse. Doch unabhängig von dieser Zahl seien generell Fachkräfte aus dem Sozialwesen unter den Mitarbeitenden. Die Aufgaben, die sie dabei erfüllen und wahrnehmen müssen, sind vielfältig. So werden Akademikerinnen und Akademiker mit sozialpädagogischem Hintergrund zum Beispiel als Heimleiter/innen eingestellt.

Insbesondere dann, wenn sie über interkulturelle Kompetenzen sowie über Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Auch konzeptionelle Arbeiten fallen in das Tätigkeitsfeld von Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen. „Darüber hinaus übernehmen sie die strukturelle Gestaltung des Alltags der Asylsuchenden“, erklärt Verena Götze. Dazu gehörten etwa die Begleitung der Männer und Frauen zu behördlichen Terminen, die Organisation eines Freizeit- und Nachmittagsprogramms oder ganz praktische Tätigkeiten, wie die Zuteilung von Schlafplätzen, das Schaffen von möglichst großen Privatsphären und die Organisation der Essensversorgung. „Zudem haben wir in unseren Einrichtungen Büros mit offener Tür“, betont Götze.

Sprachkenntnisse in Persisch oder Arabisch 

Das bedeute, die Bewohnerinnen und Bewohner könnten jederzeit Kontakt zu den Fachkräften suchen, Fragen stellen und sich beraten lassen. Aufgaben, die ein hohes Maß an Kompetenz erfordern. „Unsere Mitarbeitenden sollten darum idealerweise ein pädagogisches Studium oder eine Ausbildung in diesem Bereich haben, zum Beispiel zum Erzieher oder zur Erzieherin. Außerdem setzen wir medizinisches Personal ein. Und die Mitarbeitenden sollten Lust dazu haben, mit vielen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenzuarbeiten.“ Ein wichtiges Plus seien auch Sprachkenntnisse, insbesondere in Farsi (Persisch) oder Arabisch. „Eben in den Sprachen, die die Menschen in erster Linie sprechen“, sagt Verena Götze.

Auch berufliche Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen seien von Bedeutung. Bei der Besetzung ihrer Stellen setzen die Johanniter in erster Linie auf hauptamtlich Tätige. „Ohne die Ehrenamtler geht es nicht, aber viele Aufgaben würden sich gar nicht dauerhaft auf freiwilliger Basis umsetzen lassen“, erklärt die Pressereferentin. Umso dringender sei die Johanniter-Unfall-Hilfe daher auf der Suche nach gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Götze erklärt: „Momentan müssen wir viele Stellen neu besetzen.“ 

Betreuung minderjähriger Flüchtlinge

Da auch die Zahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge stetig steigen, kommt der Betreuung dieser Kinder und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zu. Francesca Manno arbeitet als Diplom-Sozialpädagogin für BMF, eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. Träger der Einrichtung ist der Verein für Sozialarbeit. „Ich bin dort für alles zuständig, was Jugendliche betrifft“, erklärt Manno. Als klassische Netzwerkerin hält sie den Kontakt zur Schule ihrer Schützlinge, zu den Vormündern, zu Sportvereinen und Therapeuten, wenn sich die jungen Menschen in therapeutischer Behandlung befinden. „Zu meinen Aufgaben gehört es, den Jugendlichen Orientierung und Stabilität zu bieten, sie zu beraten und zu begleiten und im Asylverfahren zu unterstützen.“

Dazu sei sie auch bei allen anderen Themen die erste Ansprechpartnerin. Rund zehn Stunden Betreuung stehen einem Jugendlichen im letzten ‚Setting‘ der Jugendhilfe zu. Da die Jugendlichen im Anschluss in die Selbstständigkeit entlassen werden, spielt auch die intensive Vorbereitung der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen auf die spätere berufliche Tätigkeit eine entscheidende Rolle.

Neben dem Absolvieren eines sozialpädagogischen Studiums seien darum laut Manno auch ganz andere Dinge wichtig, wenn sich junge Akademikerinnen und Hochschulabsolventen für eine berufliche Tätigkeit in diesem Bereich entscheiden würden: „Es geht bei uns immer auch um Beziehung und Vertrauen. Darum spielt beispielsweise der Aspekt Nähe und Distanz eine bedeutende Rolle. Denn in der Betreuung ist man in diesem Bereich für die Jugendlichen ganz schnell alles. Aber man übernimmt eben nicht die Rolle von Mutter oder Vater. Und das ist ganz wichtig.“ Ein Aspekt, dem junge Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen gewachsen sein müssten.

Fluechtlinge-2-ArbeitsmarktDarüber hinaus seien auch interkulturelle Kompetenzen bedeutsam. „Wenn man etwa mit somalischen Jugendlichen arbeitet, sollte man wissen, dass die somalische Gesellschaft in Clans aufgebaut ist und dass nicht alle Clans gleichgestellt sind“, erklärt die Sozialpädagogin. „Ich betreue beispielsweise erstmalig einen jungen Mann aus Gambia. Da habe ich mich zuvor über das Land und die gesellschaftlichen Strukturen informiert.“ Als Beschäftigte in diesem Bereich sei daher die Bereitschaft zur ständigen Fortbildung wichtig. Auch das Wissen über und der Umgang mit Traumata sei bedeutsam, um den Jugendlichen effektiv helfen zu können. „Selbstverständlich sollte man auch Wissen im Bereich des Asylrechts mitbringen.

Als Betreuerin muss man wissen, welchen Aufenthaltsstatus ein junger Mensch hat und ob man für ihn beispielsweise Kindergeld beantragen kann.“ Francesca Manno geht davon aus, dass der Bedarf an gut ausgebildeten Akademikerinnen und Akademikern in der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge auch zukünftig weiter steigen wird. Sie ist nicht die einzige, die prophezeit, dass der Flüchtlingsstrom in den nächsten fünf Jahren sicherlich nicht abreißen werde.

Sprachkurse für Flüchtlinge 

Ein ganz besonderes Angebot für junge Flüchtlinge bietet die in Köln ansässige Diakonie Michaelshoven an. Sie ist Trägerin verschiedener Einrichtungen zur Unterstützung von Menschen, die eine berufliche Orientierung suchen, für Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderung, Seniorinnen und Senioren sowie für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Zu den typischen Angeboten gehört der Sprachunterricht für asylsuchende junge Menschen, die auch eine berufsbegleitende Unterstützung benötigen. „Der Unterricht, den wir anbieten, ist sehr niedrigschwellig“, erklärt Frank Gottwald, Geschäftsführer des Zentrums Bildung und Beruf der Diakonie Michaelshoven. „Zusätzlich zu diesem Angebot möchten wir die Kursteilnehmer beraten und unterstützen.“ Dazu gehöre beispielsweise die Vermittlung in andere Hilfsangebote.

Zur Umsetzung dieser Hilfeleistung sind gut  qualifizierte Männer und Frauen notwendig. „Wer sich bei uns als feste Kraft bewirbt, sollte ein sozialpädagogisches Studium absolviert haben, interkulturelle Kompetenzen mitbringen und über eine Zulassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für ‚Deutsch als Zweitsprache‘ (DaZ) verfügen.“ Darüber hinaus arbeitet die Diakonie Michaelshoven mit Dozentinnen und Dozenten, die neben der sprachlichen Qualifikation auch über Fachwissen in speziellen beruflichen Bereichen verfügen.

Wie aber werden sich die Berufschancen für Beschäftigte in diesem Bereich zukünftig weiterentwickeln? Frank Gottwald geht davon aus, dass der Bedarf an entsprechend qualifizierten Fachkräften auch in den kommenden Jahren hoch sein wird. „Die Flüchtlingszahlen steigen, und dabei handelt es sich keineswegs um ein vorübergehendes Randthema“, erklärt er. Und nicht nur im Bereich der Sprachkurse sei der Bedarf an gut ausgebildeten Hochschulabsolventinnen und Akademikern groß, wie Gottwald betont. Auch in den Bereichen Beratung, Unterstützung, Qualifikation sowie in der sozialraumorientierten Arbeit bestehe Bedarf.

So gelte es etwa, Wege für ein gelingendes Zusammenleben von Asylsuchenden sowie Anwohnerinnen und Anwohnern zu finden.Sozialraumorientierung spielt heute bereits eine wichtige Rolle, wenn es etwa um die Bereiche Jugendhilfe oder Behindertenhilfe geht. In der Flüchtlingsarbeit hingegen spielt sie eine noch eher untergeordnete Rolle. Ein Aspekt, der jedoch in der kommenden Zeit an Bedeutung gewinnen wird, wie Gottwald vermutet. 

Neue Berufsbilder, herausfordernde Aufgaben

Die Liste der Berufe im Bereich der Flüchtlingshilfe ist also noch lange nicht erschöpft. So scheint es sich bereits heute herauszukristallisieren, dass es zukünftig auch notwendig sein wird, Sozialarbeiter oder Menschen ähnlicher Qualifikationen einzustellen, um den Dialog zwischen Flüchtlingen und Einwohnern herzustellen. Keine ganz einfache Aufgabe, wie die aktuellen Entwicklungen zeigen.

Denn die angestrebte „Willkommenskultur“ lässt in vielen Kommunen und Gebieten noch auf sich warten. Insbesondere, was die Arbeit gegen rechtsextreme Angriffe gegen asylsuchende Männer, Frauen und Kinder betrifft. Aber auch, wenn es darum geht, Anwohnerinnen und Anwohnern Ängste zu nehmen, sie aufzuklären und einen Dialog zwischen Flüchtlingen und Nachbarn zu ermöglichen. Und genau deshalb braucht man auch Fachkräfte, die solche Aufgaben hauptamtlich ausüben.

Darüber hinaus ist eine weitere Ausdifferenzierung der einzelnen Tätigkeitsbereiche zu erwarten. Eine Entwicklung, die bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist. Während es früher beispielsweise Mitarbeitende gab, die sich im Allgemeinen um die Öffentlichkeitsarbeit gekümmert haben, ist dieser Tätigkeitsbereich heute deutlich differenzierter. Pressearbeit, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising sind heute insbesondere in den größeren Organisationen und Verbänden eigenständige Berufsfelder, die eine besondere Expertise erfordern.

So hat zum Beispiel die UNO-Flüchtlingshilfe vor einiger Zeit eine Mitarbeiterin eingestellt, die sich vorrangig mit dem sogenannten "Bußgeldfundraising" befasst. Bei Verfahren, die wegen Geringfügigkeit eingestellt werden oder bei der Einstellung von Jugendstrafverfahren wird es dem Angeklagten häufig zur Auflage gemacht, eine gewisse Summe an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Eine Stelle, die besondere Qualifikationen erfordert, so wie die meisten Tätigkeiten im Bereich der Flüchtlingshilfe.

Tätigkeitsfelder, wie beispielsweise die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, verlangen mehr und mehr Menschen mit professionellem Hintergrund. Denn auch die Kommunikation gewinnt aufgrund der differenzierten Meinungen und Spannungen zum Thema an Bedeutung. Krisenkommunikation und eine bürgernahe Öffentlichkeitsarbeit sind darum das A und O.  Eine frühe Weiterbildung und das Sammeln zusätzlicher Kompetenzen – auch über das Wissen aus dem Hochschulstudium im sozialen, therapeutischen oder kommunikationswissenschaftlichen Bereich hinaus – stellen wichtige Voraussetzungen dar, wenn Hochschulabsolventen und Akademikerinnen in der Flüchtlingshilfe beruflich tätig werden möchten.

Gute und umfassende Möglichkeiten der Qualifizierung bieten beispielsweise die Wohlfahrtsverbände. Aber auch private Bildungseinrichtungen und Organisationen führen regelmäßig Weiterbildungen zu verschiedenen Themen rund um die Flüchtlingshilfe durch. So können sich Akademikerinnen und Akademiker zum Beispiel in den Bereichen interkulturelle Kompetenzen weiterbilden lassen.

Wer in der Flüchtlingsarbeit tätig werden möchte und professionell seinen Teil zur Entwicklung einer Willkommenskultur beitragen will, sollte rechtzeitig damit beginnen, sich entsprechend zu qualifizieren und – auch ehrenamtlich – Berufserfahrung zu sammeln. Das Flüchtlingsproblem wird Deutschland noch lange beschäftigen. Zurzeit werden die politischen Weichen gestellt für eine Jahrhundertaugabe. 

Weitere WILA-Angebote