Die Anwälte der Verbraucher
Was kommt finanziell auf uns zu? Was steht im Kleingedruckten? In Beratungsgesprächen informieren Verbraucherschützer die Kunden. Foto: © Alexander Rats / Fotolia.de

Die Anwälte der Verbraucher

Ingenieure, Politikwissenschaftler, Ökotrophologen: In Verbraucherschutz-Organisationen arbeiten Experten aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Den Menschen helfen, die richtige Kaufentscheidung zu treffen.

Text: Katharina Hamacher 

Ob Stromanbieter, Mobilfunkverträge, Lebensmittel oder Altersvorsoge: In praktisch jedem Bereich gibt es immer mehr Angebote. Der Markt wird unübersichtlicher. Kein Wunder, dass viele Menschen nach einem sicheren Hafen suchen, wenn sie sich über Produkte informieren wollen. Erst Recht, wenn es um größere Summen geht. Hier kommen die Verbraucherschutzorganisationen ins Spiel. Sie sind unabhängig von Konzernen und politischen Institutionen.

Seit Jahren erweitern die Verbraucherschützer ihre Beratungsfelder, zum Beispiel in Fragen zum Energieverbrauch oder zum Datenschutz. Das Arbeitsfeld bietet interessante Perspektiven für Geistes- und Naturwissenschaftler vieler Disziplinen. Über gezielte, meist hausinterne Fortbildungen lässt sich das nötige Know-how leicht aneignen - wenn die Bewerberinnen und Bewerber die nötigen Schlüsselqualifikationen mitbringen.

Ein wichtiger Arbeitgeber im Verbraucherschutz ist die Verbraucherzentrale NRW. Dort arbeiten derzeit rund 780 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf etwa 500 Stellen. Das vielfältige Themenspektrum erfordert ganz unterschiedliche Qualifikationen: „Die Beratungskräfte für die allgemeine Verbraucherberatung in den insgesamt 60 Beratungsstellen haben in der Regel ein Fachhochschulstudium der Ökotrophologie absolviert oder einen Abschluss als Wirtschaftsjurist“, sagt Dinah Denner aus der Personalabteilung. 

Jeder falsche Satz könnte eine Schadensersatzklage auslösen 

„In unserer Geschäftsstelle arbeiten Juristen, um zum Beispiel den rechtlichen Verbraucherschutz zu stärken und durch Abmahnungen und Klagen Verbraucherrechte durchzusetzen. Hier sind aber auch Ingenieure, Architekten oder Bauphysiker beschäftigt, die Inhalte für Beratungsangebote rund ums Thema Energie, Bauen, Wohnen erarbeiten.“

Für die Arbeitsfelder der Verbraucherinformation - via Ratgeber, Onlineangebote, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - beschäftigt die Verbraucherzentrale NRW Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel Germanistik oder Politikwissenschaften studiert oder eine auf Medienberufe qualifizierende Fachrichtung absolviert haben. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Fachleuten, die Experten etwa für die Themen Datenschutz, Telekommunikation, Umweltschutz, Abfallvermeidung, Gesundheit und Pflege oder für Fragen rund um Lebensmittel und Ernährung sind. 

„Unsere Maßnahmen, Beratungsaussagen und Empfehlungen können mitunter gewichtige Auswirkungen auf Märkte haben. Und wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt oder rechtlich nicht haltbar wären, könnte das erhebliche Schadenersatzforderungen betroffener Anbieter auslösen“, betont Denner. Das Streiten für starke Verbraucherrechte und seriöse und unabhängige Verbraucherinformation und -beratung stellt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich vor hohe Anforderungen. Durch eine umfassende, kontinuierliche Fortbildung sichert die Verbraucherzentrale NRW die Qualität ihrer Arbeit.


Neben den schon oben genannten Fachleuten besteht zwischenzeitlich Bedarf an Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie Sozialwissenschaftlern/innen zum Themenfeld Soziale Innovation sowie Agrar- und Lebensmittelwissenschaftlern. Auch als Quereinsteiger ist es möglich, bei der Verbraucherzentrale beschäftigt zu werden. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Rahmen unseres umfangreichen Fortbildungsprogramms gezielt geschult“, sagt die Personalerin. Grundvoraussetzung für die Tätigkeiten als Berater oder Beraterin ist in der Regel ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium; für die Beschäftigung als wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in in der Geschäftsstelle in Düsseldorf ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Diplom/Master/2. Staatsexamen) Voraussetzung.

Gesucht werden Mitarbeiter, die sich politisch oder sozial engagieren

Wer Ratsuchenden mit Rat und Hilfestellungen zur Seite stehen will, für den sind kommunikative Fähigkeiten eine wesentliche Qualifikation. Aber auch bei den Fachreferenten, die zum Beispiel in Interviews bei Presse, Funk und Fernsehen Positionen der Verbraucherzentrale NRW erläutern müssen, sind diese unverzichtbar. Zudem seien Aufgeschlossenheit für beinah täglich wechselnde Fragestellungen, Freude an der Arbeit mit Menschen sowie Kenntnisse gängiger EDV-Anwendungen Pflicht. „Und Verbraucherarbeit funktioniert nur im Team - Teamfähigkeit ist daher eine Schlüsselqualifikation“, sagt Dinah Denner. Wünschenswert sei zudem ein verbraucherpolitisches Interesse, soziales Engagement und eine Identifikation mit dem Arbeitgeber.

Neben den Festangestellten greift die Verbraucherschutzorganisation auf Honorarkräfte für Aufgaben der allgemeinen Rechtsberatung, der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung sowie der Mietrechtsberatung zurück. Außerdem gibt es Honorarkräfte für Ernährungsberatung, auf dem Gebiet Versicherungen/Schadensfall/ Kapitalanlage und zur Baufinanzierungsberatung. Auch beim Online-Jugendportal „checked4you“ arbeiten Honorarkräfte mit. Darüber hinaus sind Energieberater im Rahmen von Projekten auf Honorarbasis im Einsatz.

„Mit einem erfolgreich absolvierten Studium eröffnen sich gute Perspektiven“, sagt Dinah Denner. Bestmögliche Perspektiven und einen Vorsprung beim Berufseinstieg verschaffen sich Bewerber, die schon während des Studiums ein Praktikum bei der Verbraucherzentrale NRW absolviert haben. Ansprechpartner/innen findet man in der Fortbildungsabteilung. „Darüber hinaus bieten wir - in Kooperation mit Fachhochschulen - über Einsätze als Aushilfe in unseren Beratungsstellen einen Einstieg in die Verbraucherarbeit.“

Die Experten sind oft Ansprechpartner für Journalisten

Auch bei der Stiftung Warentest sind Experten aus vielen verschiedenen Bereichen gefragt. „Da wir von Kosmetika über Lebensmittel bis zu Finanzprodukten und Dienstleistungen ein sehr großes Testspektrum haben, kommen auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten“, sagt Heike van Laak, Abteilungsleiterin Kommunikation bei der Stiftung Warentest.

Hier arbeiten unter anderem Lebensmittelchemiker, Sportingenieure, Wirtschaftsmathematiker, Ökotrophologen, Juristen, Sozialwissenschaftler, Pharmazeuten, Physiker, Journalisten der unterschiedlichsten Fachrichtungen, Informatiker für den IT-Bereich, aber auch Sachbearbeiter und Sekretärinnen zur Unterstützung der einzelnen Thementeams, Personalreferenten und Mitarbeiter im Leserservice. Besondere Expertise ist bei der Durchführung der Tests gefragt. „Dabei sind wie auf Fachleute angewiesen, die von dem Thema, das sie bearbeiten, etwas verstehen müssen“, sagt van Laak.

Bei Lebensmitteltests sind das Lebensmittelchemiker/innen, bei Fahrrädern Sportingenieur/innen, bei Tests von Versicherungen Wirtschaftswissenschaftler/innen, bei Tests von Energiesparlampen Physiker/innen und bei der Untersuchung von Schadstoffen in Spielzeug Umweltingenieur/innen. Wenn Dating-Portale getestet werden, kommen Soziolog/innen zum Einsatz, bei der Datensicherheit von Messenger-Apps Informatiker/innen. 

"Wer kein Teamplayer ist, hat es schwer.“

Die Projektleiter/innen testen allerdings nicht selber. „Sie entwerfen das Prüfprogramm, legen also fest, was wie getestet wird. Die eigentlichen Tests finden dann, nach unseren Vorgaben, in externen Prüflaboren statt, zu dem die Projektleiter/innen regelmäßig hinfahren“, erklärt die Abteilungsleiterin. Nach Beendigung der Prüfungen kommt ein umfangreiches Prüfgutachten mit den einzelnen Mess-Ergebnissen zurück zur Stiftung, das wiederum vom jeweiligen Projektleiter ausgewertet wird. Auch das Test-Qualitätsurteil wird im Hause vergeben.

Wer bei der Verbraucherorganisation arbeiten möchte, sollte ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten mitbringen. Die Expertinnen und Experten sind wichtige Ansprechpartner für Fachjournalisten. Zwei Personen kommen als Interviewpartner für jeden Test in Frage: Der für den Test zuständige Projektleiter sowie die Journalistin, die den entsprechenden Artikel geschrieben hat. Diese beiden haben sich intensiv mit der Thematik befasst und können deshalb die Ergebnisse auch am besten in den Medien vertreten.

„Da wir besonders in Hörfunk und Fernsehen sehr viele Medienanfragen haben, kommen viele Interviews auf uns zu“, erklärt Heike van Laak. „Deshalb ist es hilfreich, wenn sie sich gut ausdrücken und unsere Ergebnisse kurz und knapp, aber kompetent darstellen können.“ Wer noch unsicher ist, bekommt Medientrainings vor Mikrofon und Kamera. Darüber hinaus ist die Fähigkeit zur Kommunikation auch intern sehr wichtig. Die Ergebnisse werden in vielen Runden diskutiert und verifiziert. „Auch dabei ist es notwendig, sich mit anderen auszutauschen.“

Die wichtigste Qualifikation ist jedoch die fachliche Ausbildung. Bei den Projektleitern und Journalisten setzt die Stiftung Warentest ein abgeschlossenes Studium beziehungsweise ein Volontariat sowie erste Berufserfahrung voraus. Zudem sei die Fähigkeit zur Teamarbeit unerlässlich. „Einzelkämpfer/innen passen nicht in unsere Struktur“, betont van Laak. „Die Thementeams leben vom Austausch untereinander und vom Input, den jeder einzelne liefert. Hier wird entschieden, welcher Test wann durchgeführt und auf welchem Kanal veröffentlicht wird. Wer da kein Teamplayer ist, hat es schwer.“ 

In den vergangenen Jahren haben sich durch neue Themen auch weitere Tätigkeitsfelder erschlossen. Neu sind unzählige Angebote über das Internet wie Car-Sharing, Wohn- sowie Online-Dating-Portale, Firewalls, Apps oder Reiseportale, die ebenfalls getestet werden müssen. Auch der Bereich Datensicherheit wird immer wichtiger. Ebenfalls ein relativ neues Thema ist der gesamte Bereich Altersvorsorge. „Jeder Verbraucher muss sich genau überlegen, in welche Finanzprodukte er investiert“, erklärt die Kommunikations-Expertin. 

Ebenfalls neu sind die zunehmenden Gesundheitsleistungen, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Nicht alles, was in diesem Bereich angeboten wird, ist auch nützlich und sinnvoll.  Auch hier gibt die Stiftung Warentest Hilfe: Welche Dienstleistungen sind notwendig, welche Medikamente helfen? Gibt es vielleicht günstigere Alternativen? „Ein weiteres Thema sind die zahllosen Angebote bei Mobilfunktarifen, Stromanbietern sowie Gas- und Öllieferanten“, sagt Heike van Laak. Auch im Multimediabereich ändert sich das Angebot ständig. „Hier erwarten Verbraucher aktuelle Testergebnisse zu jedem neuen Smartphone, das auf den Markt kommt. Die Palette dessen, was wir testen, erweitert sich also ständig. Entsprechend benötigen wir Personal, das sich in all diesen Bereichen auskennt.“

Bei der Stiftung Warentest arbeiten nahezu ausschließlich festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die insgesamt rund 130 verschiedenen Prüfinstitute sind quasi unsere verlängerte Werkbank. Alles andere wird im Hause gemacht, auch alle Journalisten sind fest angestellt“, betont van Laak. Projektbezogene und somit befristete Stellen gebe es nicht. Die Verbraucherorganisation finanziert sich zu rund 90 Prozent durch den Verkauf ihrer Publikationen (siehe Infokasten). „Rund 10 Prozent kommen vom Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, quasi als Ausgleich dafür, dass wir komplett anzeigenfrei sind.“

"Es gibt keinen Studiengang mit dem Schwerpunkt politische Kampagnen"

Die wenigsten Mitarbeiter/innen des Vereins foodwatch sind von Haus aus ausgewiesene Lebensmittelexperten, sagt Pressereferent Andreas Winkler. Viele haben Politik- oder Medienwissenschaften studiert, auch Volkswirte und ein Veterinärmediziner sind unter den 18 festangestellten Mitarbeitern. „Wir arbeiten eng mit Expert/innen zusammen, die sich in den jeweiligen Fachgebieten auskennen.“

Die externen Fachleute bringen ihre Expertise beispielsweise im Bereich Lebensmittelrecht ein oder betreuen die Analyse von Lebensmitteln in Laboren. „Wenn es zum Beispiel um eine große Untersuchung von Mineralöl-Rückständen geht, suchen wir uns ein Labor, das für solche Untersuchungen ausgelegt ist“, erklärt der Pressereferent. Engen Austausch gibt es beispielsweise auch mit Ärzten und Wissenschaftler/innen an Universitäten, die sich mit Kinderernährung beschäftigen.

Für die Recherchen zu den Kampagnen der Verbraucherschutzorganisation sind vor allem die sechs Kolleginnen und Kollegen aus der Kampagnen-Abteilung von foodwatch zuständig. Eine Volkswirtin beispielsweise analysiert den Bereich Agrarspekulationen. „Dafür ist natürlich ein tiefgreifendes wirtschaftliches Verständnis nötig.“ Ein großes Problem von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sei es, qualifizierten Nachwuchs zu finden. „Es gibt ja keinen Studiengang mit dem Schwerpunkt politische Kampagnen“, bedauert Winkler.

Wer sich beim Verein foodwatch bewirbt, muss kein/keine Lebensmittelchemiker/in sein. Viel wichtiger für die Durchführung von Kampagnen sei ein ausgeprägtes Verständnis politischer Hintergründe und Zusammenhänge. „Man sollte wissen, wie öffentliche Debatten funktionieren und wie politische Veränderungen angestoßen werden können.“ Die Kampagnen-Abteilung wendet viel Zeit für Recherche über die detaillierten EU-Richtlinien und Verordnungen zum Lebensmittelrecht sowie für die Auswertung von Studien auf. Neben den festangestellten Mitarbeitern kommen hin und wieder auch Honorarkräfte wie Grafiker, Layouter und Fotografen zum Einsatz.

In der Pressestelle beispielsweise sei es wichtig, die gesamte Medienlandschaft im Blick zu haben. „Wir müssen wissen, wie die Medien ticken, komplexe Zusammenhänge einfach erklären und unter großem Zeitdruck medial aufbereiten können.“ Für Absolvent/innen bietet foodwatch spezielle Trainee-Programme an, in denen die Mitarbeiter /innen alle Abteilungen durchlaufen.

Auch Andreas Winkler hat nach seinem Studium der Politik- und Medienwissenschaften als Trainee bei seinem aktuellen Arbeitgeber begonnen. „Ich war bereits als Student in NGOs tätig, das hat mir sicherlich geholfen“, sagt er rückblickend. Ehrenamtliches Engagement und detaillierte Kenntnisse über die Arbeit von NGOs sowie politisches Interesse und Verständnis seien wichtige Türöffner.

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