Musik als Beruf
Peter Motzkus ist Diplom-Komponist und Lehrbeauftragter - ein Berufszweig von vielen in der Musikbranche. Foto: privat.

Musik als Beruf

Komponist, Sopranistin und viele mehr: 47.000 Menschen in Deutschland arbeiten in Musikberufen. Doch der Weg zum Traumjob ist nicht leicht. Wir sprachen mit vier Leuten, die den Schritt gewagt haben.

Text: Daniela Lukaßen

„Thank you for the music, the songs I'm singing. Thanks for all the joy they're bringing. Who can live without it, I ask in all honesty. What would life be?“

Diesen Abba-Song kennen sicherlich die meisten Menschen, die Musik machen. Und ohne Musik zu leben, können sich sicherlich die wenigsten vorstellen. Aber von der Musik leben? Das ist schon schwieriger.

Seit Jahr und Tag gelten künstlerische Jobs als nicht besonders ertragreich. Als „brotlose Kunst“ verschrieen, gelten Berufswünsche rund um die Musikbranche als eine Art klassischer Elternschreck. Dennoch verdienen viele Menschen ihr Geld mit der Musik. Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt: Im Jahr 2013 waren insgesamt etwa 47.000 Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig in Musikberufen beschäftigt. Mehr als die Hälfte von ihnen war im Gesang, in den Bereichen Dirigieren und Komposition sowie Instrumental- und Orchestermusik tätig. Die zweitgrößte Gruppe bildeten Musikpädagogen an Musikschulen und an anderen außerschulischen Einrichtungen.

Und ebenso vielfältig wie die beruflichen Möglichkeiten sind auch die Zugangswege. Eines ist allen jedoch gleich: An Anfang steht das Studium. Egal ob Musikwissenschaft, Gesang, Musiktherapie oder Kirchenmusik: Ohne den richtigen Abschluss in der Tasche geht häufig wenig. Aber auch mit Bestnoten ist der Weg in die hauptberufliche Musik nicht leicht. Und eines ist klar: Wer viel Wert auf Sicherheit legt, wird häufig enttäuscht. Auch das Einkommen fällt nicht gerade üppig aus. Nach Angaben der Künstlersozialkasse, kurz KSK, lag das durchschnittliche Jahreseinkommen beispielsweise von Komponisten im Jahr 2013 bei 16.700 Euro, Jazz- oder Rockmusikerinnen verdienten 11.500 Euro pro Jahr. 

„Ohne die Liebe zum Job geht es nicht“

„Ohne die Liebe zum Job geht es nicht“, bestätigt Cornelia Sokoll, Vorsitzende des  Deutschen Tonkünstlerverbandes DTKV Landesverband NRW e.V. „Die Einkommensverhältnisse sind oft nicht gut. Musikerinnen und Musiker befinden sich an der unteren Grenze.“ Und dennoch würden viele Menschen das Ziel, in diesem Bereich zu arbeiten, hartnäckig verfolgen. „Das lässt sich eigentlich nur mit der Leidenschaft für die Musik erklären“, sagt Sokoll. Und so gelten viele Musikberufe nach wie vor als Traumjobs, und viele nehmen einen steinigen Weg in Kauf, um ihr Ziel zu erreichen und als Musikerinnen und Musiker ihren Lebensunterhalt zu sichern. Hier berichten vier Musikerinnen und Musiker über ihren Weg: 

„Einfach nur Musik“ 

Theresa Rademacher ist Vollblutmusikerin mit Leib und Seele.

Theresa-Rademacher-Wila-ArbeitsmarktSeit Theresa Rademacher neun Jahre alt ist, schreibt sie ihre eigenen Songs, spielt Klavier und Oboe und erhält Gesangsunterricht. Sie war lange Mitglied des Landesjugendorchesters NRW und der Jungen Bläserphilharmonie NRW, trat im Rahmen des Festivals „Ruhr 2010“ und „Kunstfest Weimar“ 2015 als Solistin auf und nahm an Singer/Songwriter Contests teil. „Als kleines Mädchen hatte ich immer den Wunsch, eines Tages berühmt zu werden“, sagt sie.

Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Musik studieren. „Aber dann habe ich mich doch nicht getraut, weil ich dachte, ich sei noch nicht weit genug.“ Und so wählte sie den, wie sie heute sagt, „vernünftigen Weg“. Die junge Frau machte eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau im Hotel. „Für die Musik blieb damals jedoch kaum Zeit“, erklärt die Tochter eines Musiklehrerehepaares. Als ihr Arbeitgeber wirtschaftliche Einbußen einfahren musste, wuchs in Theresa Rademacher erneut der Wunsch, es mit der Musik weiter zu versuchen. „Ich habe mich dann bei der Castingshow X-Factor beworben“, erzählt sie.

Mit dieser Sendung suchte der Fernsehsender Vox mehrere Jahre lang neue Gesangstalente. Die junge Musikerin kam unter die letzten 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sang statt ihrer eigenen Kompositionen Songs von Rihanna, weil man es ihr so auftrug. Dann war für sie Schluss. „Zum Glück“, sagt sie heute. „Denn ich musste schon in dieser Zeit drei Verträge unterschreiben, mit denen ich alle Rechte abgegeben habe. Hätte ich meine eigenen Stücke gesungen, hätte ich auch von diesen die Nutzungsrechte an den Sender abgetreten.“

Und auch wenn das Rausfliegen aus der Show damals nicht leicht war, überraschend sei es auch nicht gewesen. „Ich wollte nicht viel Privates von mir preisgeben. Und genau das gehörte zum Konzept. Für mich ging es aber einfach darum, Musik zu machen.“ Also beendete die Sängerin ihre Ausbildung; den Berufswunsch, Musikerin zu werden, konnte sie dennoch nicht vergessen.

Musikwissenschaft statt Gesang

2013 begann sie, sich an Musikhochschulen zu bewerben, um Gesang zu studieren. An sechs Aufnahmeprüfungen nahm sie teil und kassierte vier Absagen. „Ich wollte unheimlich gerne in den Jazz und Pop-Gesangsbereich der Hochschulen“, erklärt sie. „Dieser ist überall sehr klein und es werden pro Jahr nur zwei Studierende aufgenommen. Aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht und war einfach frustriert.“

Die junge Frau stellte damals alles infrage, wie sie sagt und fügt hinzu: „Ich brauchte einfach Zeit, um zu verstehen, dass nur so wenige aufgenommen werden und dass ich vielleicht auch nicht zu den Gesangsprofessoren gepasst habe.“ An der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar machte sie dann eine Aufnahmeprüfung für Musikwissenschaft und Kulturmanagement. Und dieses Mal klappte es. „Eigentlich war das Studium nur Plan B. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mir die Aufnahmeprüfungen für das Gesangsstudium nicht noch einmal antun möchte.“

„Mich verlässt manchmal einfach der Mut"

Mit ihrer Entscheidung, Musikwissenschaft zu studieren, ist sie sehr zufrieden. „Musik kann ich nun als Hobby auf einem guten Niveau weitermachen. Und das ist es, was ich momentan am wichtigsten finde“, erklärt sie und gibt zu: „Manchmal bin ich natürlich in Situationen, wo ich denke: Wenn ich Zeit hätte, könnte ich das Ganze auch noch viel professioneller aufziehen.“ Allerdings habe sie eines erkannt: „Mit Musik Geld zu verdienen, ist nicht so einfach. Und darum ist es problematisch, darauf zu bauen. Es gibt einfach zu viele gute Musiker, die keinerlei Chancen bekommen.“

Für sie selbst spiele der Sicherheitsaspekt eine große Rolle: „Mich verlässt manchmal einfach der Mut, wenn es darum geht, alles auf eine Karte zu setzen. Außerdem vergleiche ich mich schnell mit anderen. Darum würde ich im professionellen Musikgeschäft vielleicht auch untergehen.“

Mit ihrem Studium der Musikwissenschaft hat Theresa Rademacher vor, einmal im Theater-, Orchester- oder Festivalmanagement tätig zu werden. „So habe ich einerseits mit Musik zu tun, bin aber auf der anderen Seite auch für das Administrative zuständig.“

  • Musikwissenschaft kann ein klassischer Einstieg in die Musikbranche sein. Und so können Absolvent/innen dieser Fachrichtung ihre Brötchen mit unterschiedlichen Stellen verdienen. Sie arbeiten beispielsweise als Dozent/innen an Musikhochschulen, sind im Musikverlag tätig, arbeiten als Musikredakteur/innen oder im Kulturmanagement. Doch um eine feste Stelle zu erhalten, ist auch hier Flexibilität gefragt. Und das Sammeln zusätzlicher Qualifikationen, die einen von anderen Bewerberinnen und Bewerbern abheben, ist unerlässlich. Praktika und eine freie Mitarbeit im gewünschten Bereich schon während des Studiums können den Weg ebnen.

„Die Ergebnisse entschädigen für die Mühe“ 

Peter Motzkus ist Diplom-Komponist und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber.

Peter-MotzkusEs ist besonders die Freiheit, die Peter Motzkus an seinem Beruf liebt. „Und ich mag es, meinen sehr arten- und farbenreichen Arbeitsalltag nach eigenem Geschmack, Tempo und Inhalt gestalten zu können“, sagt er und ergänzt: „Außerdem macht mir das Zusammenarbeiten mit den verschiedensten Künsten und Wissenschaften, mit Studierenden und Musikern Spaß.“ Peter Motzkus ist Komponist und Musikwissenschaftler und arbeitet als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden.

Von 2006 bis 2011 studierte er selbst dort Komposition und Musiktheorie. „Im Anschluss daran habe ich meine Doktorarbeit am selben Haus begonnen, die leider noch immer im Entstehen begriffen ist“, erklärt er. Um sich noch breiter aufzustellen und in der Musik Fuß fassen zu können, schloss er an der Technischen Universität Dresden den Masterstudiengang Musikwissenschaft an, den er mit dem Master of Arts beendete.

Wenig Freizeit, viel Freude

Seit dem Wintersemester 2014 ist er an der Dresdner Musikhochschule als Lehrbeauftragter für Musikwissenschaft tätig und hält dort Einführungs- und spezielle Themenseminare zu unterschiedlichen Schwerpunkten, wie zur Opern- und Filmmusikgeschichte. Peter Motzkus: „Außerdem verdinge ich mich freischaffend als Komponist, Musiker, Rezensent und Autor. Zudem bin ich als freischaffender Dramaturg für das Gesangsensemble AUDITIVVOKAL DRESDEN tätig und betreue dort einzelne Projekte dramaturgisch und inhaltlich.“

Wenn Peter Motzkus von seiner Arbeit spricht, taucht zunächst die Frage auf, wie die Tätigkeiten alle unter einen Hut gebracht werden können und ob er überhaupt noch Freizeit hat. Ein Punkt, der tatsächlich nicht immer ganz einfach sei. „Manchmal ist die Koordination und Organisation gerade terminlicher Art nicht eben die einfachste“, berichtet der Musiker und betont: „Zeitmanagement und Effektivität sind das A und O.“

Für ihn sei das hin und wieder auch ein Balanceakt. Schließlich solle die Kreativität nicht leiden. „Arrangier- und Kompromissfähigkeit sind also auch Dinge, mit denen man als Komponist, Musikwissenschaftler und Musiker ausgestattet sein sollte“, fügt Motzkus hinzu. Und so gleicht seine Tätigkeitspalette einem bunten Strauß verschiedener Jobs rund um die Musik. Als Rezensent schreibt er für die Dresdner Neuesten Nachrichten über Orchesterkonzerte, Choraufführungen und Konzertabende. 2013 gründete er den rolfsquinten.verlag, um seine Werke und die anderer Komponisten zu publizieren.

"Wer in diesen Bereichen tätig ist, hat selten eine handelsübliche 40-Stunden-Woche“

Der 30-Jährige liebt seinen Job. Auch wenn der mit einem ganz normalen Angestelltenberuf nicht zu vergleichen ist – weder inhaltlich, noch was den Arbeitsaufwand betrifft. Dazu Peter Motzkus mit einem Augenzwinkern: „Um nicht das bodenlose Fass der `niemals ausreichenden Finanzen´ aufzumachen — denn so ist die Lage: Wer in diesen Bereichen tätig ist, hat selten eine handelsübliche 40-Stunden-Woche.“

Ein Punkt, den sich Musiker/innen bewusst machen müssen, bevor sie den Weg in diese Branche wählen und sich am Ende wundern. Auch über das Finanzielle. Denn das Gehalt ist nicht üppig und ermöglicht kein Leben in Saus und Braus. Ohne Freude an der Musik und die Bereitschaft, in gewisser Weise auch Opfer zu bringen, gehe es eben nicht, wie Motzkus betont: „Die Leidenschaft und Liebe, mit der ich all meine Handwerke ausübe und zu koordinieren versuche, was sich häufig in 60- bis 70-Stunden-Wochen niederschlägt, wird einem kaum mit barer Münze zurückgezahlt.“ Reich würden also nur die wenigsten Freiberufler der Musikbranche.

Doch der Komponist und Musikwissenschaftler ist glücklich mit seinem Job und kann sich keine andere Tätigkeit vorstellen. Mit einem Lächeln sagt er: „Glücklicherweise sind die Ergebnisse – sowohl jene künstlerischer wie wissenschaftlicher Natur – oft Entschädigung genug für die viele Mühe, die ich in meine Arbeit investiere.“

  • Komponisten und Komponistinnen sind in unterschiedlichen Bereichen tätig. Sie arbeiten zum Beispiel für Orchester, Konzertveranstalter und Musikschulen. Doch sie sind auch in Branchen tätig, die eher außergewöhnlich scheinen. So sind in der Werbeindustrie Komponisten gefragt, die Musik für Werbespots schreiben. Keine leichte Aufgabe, gilt es doch, möglichst Musikstücke zu kreieren, mit denen die Konsument/innen das Produkt in Verbindung bringen können. Und auch im Bereich der Filmproduktionen können Komponistinnen und Komponisten Fuß fassen.

„Ich wollte Oper machen“

Lisa Kaltenmeier ist studierte Sopranistin und festes Opernchormitglied.

Lisa-Kaltenmeier-Foto-Farina-Grieb

Ihre Gesangskarriere begann die Krefelder Sopranistin Lisa Kaltenmeier als kleines Mädchen im Kinderchor. Ein Hobby, das den Berufswunsch der jungen Frau schon früh festlegte. Nach dem Abitur ging sie zunächst als Au-pair-Mädchen nach Venedig. „Ich wollte damals unbedingt nach Italien“, berichtet die Sängerin. „Ich dachte mir, es sei für den Beruf der Opernsängerin gut, italienisch zu können.“

Mit dem Auslandsjahr verliebte sich die damalige Abiturientin in die Stadt und beschloss, zu bleiben. Lisa Kaltenmeier studierte am „Conservatorio di Musica Benedetto Marcello“ in der Lagunenstadt. Eine Zeit, die die junge Frau geprägt hat und von der sie noch heute profitiert, wie sie sagt. Auch, weil sie dort wie geplant ein gutes Italienisch lernte. „Prinzipiell sind Sprachen ein enormer Vorteil in unserem Beruf. Wenn wir mit vielen Musikern auf der Bühne zusammenkommen, sprechen alle entweder Englisch oder eben Italienisch.“

Klinkenputzen für den Erfolg

Fünf Jahre lang studierte Kaltenmeier. „Und von Anfang an stand für mich fest, dass ich Oper machen möchte.“ Also konzentrierte sie sich voll und ganz auf diese Musiksparte. Zurück aus Italien aber stand für die frischgebackene Opernsängerin erst einmal das Klinkenputzen an. „Unmittelbar nach dem Studium habe ich die unangenehmste Zeit erlebt“, gibt sie zu. „Anders als Kolleginnen und Kollegen, die in Düsseldorf oder anderswo in Deutschland studiert hatten, kam ich aus Italien und hatte hier keinerlei Kontakte.“

In Italien bleiben konnte sie jedoch auch nicht. „Dort ist die kulturelle Situation relativ desolat“, erklärt sie. Also waren Geduld und Beharrlichkeit gefragt. „Ich musste versuchen, irgendwie Vorsingen zu bekommen. Ich bin also von Wettbewerb zu Wettbewerb gereist, um bekannter zu werden.“ Die Sopranistin konnte zwar viele Erfolge verzeichnen, aber der Durchbruch blieb zunächst aus. „Da Musikerinnen und Musiker in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch relativ gut bezahlt werden, sind hier sehr viele Menschen, die auf Aufträge hoffen“, erklärt sie.

„Wenn ich montags eine Probe habe, kann ich samstags nicht auf den Putz hauen“

Ihr erstes festes Engagement bekam sie dann beim Theater Krefeld und Mönchengladbach als Ensemblemitglied im Opernchor. „Das war nicht mein Ziel, aber ich wollte mir diese Chance nicht entgehen lassen.“ Und neben der Arbeit im Chor bekam die Sängerin immer wieder auch die Möglichkeit, als Solistin auf der Bühne zu stehen. Sie arbeitete hart, war viel unterwegs, reiste zu Konzerten in unterschiedlichen Ländern und Regionen, flog regelmäßig zu ihrer Gesangslehrerin in die USA. „Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass die Stimme auch mal Ruhe braucht“, berichtet sie. „Darum habe ich nach zwei Jahren eine Auszeit vom Chor genommen.“ 

Als eine Solistin ausfiel, bekam sie die Chance, als Solistin in "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach auf der Bühne zu stehen. „Wenn man dranbleibt und nicht aufgibt, bekommt man irgendwann Aufträge“, sagt Lisa Kaltenmeier heute. Doch ganz einfach sei der Weg als Opernsängerin nie. „Einige Dinge sind einfach schwierig. Man muss wissen: Wenn man sich für die Musik entscheidet, gibt es keine wirkliche Trennung zwischen Privat- und Berufsleben.“

So würde sie am Wochenende immer überlegen, ob es ihr gut tut, mit Freunden wegzugehen oder ob sie lieber zuhause bleiben sollte. Der Stimme zuliebe. „Wenn ich montags eine Probe habe, kann ich samstags nicht so auf den Putz hauen“, erklärt sie. Und auch die Arbeitszeiten seien nicht immer mit dem Privatleben kompatibel: Singen, wenn andere freihaben, in das Bühnenoutfit schlüpfen, wenn andere längst zu Hause sind. „Natürlich gibt es zwischendurch immer wieder Flauten, wo ich denke, dass die Entscheidung für diesen Beruf vielleicht nicht die richtige war, aber ich liebe meinen Job und kann mir nichts anderes vorstellen“, betont die Sopranistin. „Außerdem erlebe ich so viele tolle Momente, auf die ich ohne meinen Beruf verzichten müsste.“

  • Die Zugangswege zu Studiengängen im Bereich Gesang sind schwierig. Viele Bewerberinnen und Bewerber kommen auf sehr wenige freie Plätze in den Musikhochschulen. Und besonders Häuser, an denen renommierte und bekannte Gesangsprofessorinnen und -professoren lehren, können sich vor Interessenten kaum retten. Wer es trotzdem geschafft hat, sich dort ausbilden zu lassen, hat nach dem Studium verschiedene berufliche Möglichkeiten, z.B. als Solist/in oder im Chor eines Theaters. Feste Stellen sind allerdings schwer zu finden.

„Musikalisch ist, wer Musik erlebt“

Dr. Matthias Grün ist Abteilungsleiter für Musiktherapie in der HELIOS Klinik Hagen-Ambrock.

Matthias-GruenDie Arbeit in einem Musikverlag: Ein echter Traumjob, wie Matthias Grün als Student glaubte. An der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster studierte er Musikwissenschaft, evangelische Theologie und Publizistik. „Wir haben uns in dieser Zeit mit einigen Kommilitonen getroffen und überlegt, was jeder machen wollte. Einer wollte zum Deutschlandfunk und ist dort noch heute, ein anderer – Götz Alsmann – wollte zum Radio und ich wollte zu einem Musikverlag."

Nach der Promotion bekam der Musikwissenschaftler seine Traumstelle in Wiesbaden. Aber die war ganz anders als gedacht. „Ich war für die Abteilung für Orchester und Bühnenwerke tätig", berichtet Grün. Was er nicht wusste, es war die Leihabteilung.  Matthias Grün: „Einige Orchester kaufen ihre Noten nicht, sie leihen sie beim Verlag aus. Und meine Aufgabe war es, eben diese Werke rauszusuchen und die Kosten zu berechnen."

Ein Job, der so gar nicht den Vorstellungen Grüns entsprach. Weil er auch einen sogenannten C-Abschluss in Kirchenmusik gemacht hatte, konnte er nebenberuflich als Organist und Chorleiter tätig sein. So war er zwar trotz des wenig musikalischen Hauptjobs weiter in diesem Bereich tätig, doch das reichte ihm irgendwann nicht mehr aus. „Schon während des Studiums hat mich die Musiktherapie interessiert“, erinnert er sich. „Ich fand es toll, Menschen mittels Musik wirklich helfen zu können.“ Er kündigte seine Stelle beim Verlag und begann, an der Freien Universität Witten/Herdecke Musiktherapie zu studieren.

Seine erste Stelle führte ihn in die Bergische Diakonie Aprath, in eine Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen. „Ich habe dort die Abteilung für Musiktherapie aufgebaut“, erzählt er. „Aus ziemlich banalen Dingen suchte ich dann aber eine neue Stelle. Ich wollte einfach nicht so lange pendeln.“ Eine neue berufliche Möglichkeit bot ihm die HELIOS Klinik Hagen-Ambrock, wo er bis heute tätig ist. „Auch hier konnte ich die Abteilung komplett neu aufbauen“, erinnert er sich.

Viele Patienten sagen zunächst, dass sie nicht musikalisch sind. Dann beginnt die Therapie

250 neurologische Patientinnen und Patienten werden in der Klinik behandelt. Ihre Krankheitsbilder reichen von Multipler Sklerose über Parkinson bis hin zu Schlaganfällen. Und so arbeitet Grün mit Männern und Frauen, die sich teilweise im Wachkoma befinden, mit Menschen, die Sprachstörungen haben und anderen Patientinnen und Patienten, die von der Musiktherapie profitieren.

Zu seinen Aufgaben gehört es nicht nur, mit den Menschen zu musizieren und so ihre Körperwahrnehmung zu fördern. Auch das Thema Krankheitsverarbeitung spielt im beruflichen Alltag von Matthias Grün eine bedeutende Rolle. „Wir haben im Rahmen unserer Ausbildung auch psychologische Inhalte vermittelt bekommen“, erklärt der Musiktherapeut. „Mit den Patienten spreche ich darum auch zum Beispiel darüber, welchen Selbstwert sie noch im Leben haben.“

Grün liebt seinen Job. Und oft sind es die kleinen Dinge, die ihm Freude machen. „Viele Patienten kommen mit Vorbehalten in die Therapie“, weiß er. „Sie sagen, dass sie nicht musikalisch seien und sich falsch bei uns fühlten.“ Gerade bei diesen Menschen sei es schön, mitzuerleben, dass die Musik ihnen doch hilft. „Es ist toll zu erkennen, dass nicht der musikalisch ist, der Musik macht, sondern der, der sie wirklich erlebt.“ Wenn Grün mit seinen Patientinnen und Patienten gemeinsam auf dem Klavier improvisiert, seien es besonders die musikalischen Begegnungen, die ihn berühren: „Das ist ein sehr erhebendes Gefühl.“ 

Wichtig sei es, die Arbeit gedanklich nicht mit nach Hause zu nehmen. „Ich denke aber ohnehin, dass es in erster Linie Berufsanfänger mit wenig Erfahrung sind, die sich von den Schicksalen der Betroffenen zu sehr beeindrucken lassen“, meint der Leiter der Abteilung für Musiktherapie. „Mit der Zeit lernt man, sich mehr auf die Ressourcen der Patienten zu konzentrieren.“ Was ihn eher belaste, sei die enge Taktung im Berufsalltag. „14 bis 16 Therapien im Halbstundenrhythmus sind zu viele“, erklärt er. „Das ist sehr anstrengend und nach vier Therapien hat man Pudding in den Knien.“ Seinen Beruf möchte er dennoch gegen keinen anderen eintauschen.

Viele Hochschulen bieten Studiengänge im Bereich der Musiktherapie an. Doch es gibt auch die Möglichkeit, sich durch ein Aufbaustudium in diese Richtung weiterzubilden. So bieten verschiedene Hochschulen berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge an, die mit dem Master of Arts (MA) Musiktherapie abschließen.

  • Fazit: Schon diese vier Beispiele zeigen, dass das Thema „Musik als Job“ viele Facetten hat: künstlerische, pädagogische, therapeutische und leidenschaftliche. Eines ist aber klar: Wer von Musik leben möchte, muss andere Maßstäbe ansetzen und braucht Ausdauer und Durchsetzungsvermögen.

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