Galeristen:
Damit die eigene Galerie läuft, muss man viel Zeit und Kraft investieren, sagt Birgit Maria Sturm. / Foto: privat

Galeristen: "Man muss beide Seiten kennen"

Aus einem Bauchgefühl heraus eine Galerie eröffnen? Besser nicht, sagt Birgit Maria Sturm. Sie erklärt im Interview, wie man am besten vorgeht und warum der Job eher Berufung als Beruf ist.

Birgit Maria Sturm, Geschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG). Der Verband setzt sich seit 1975 für die beruflichen Interessen seiner Mitglieder ein und stellt eine Vermittlerposition zwischen Kunstvermittlung und Politik dar. Mit der Geschäftsführerin sprach Max Böhner. Hier lesen Sie einen ausführlichen Bericht zu Jobs in Galerien                                           

Wila Arbeitsmarkt: 2010 haben Sie im Namen des BVDG eine Broschüre über die Grundsätze der Arbeit von Galeristinnen und Galeristen publiziert. Was hat sich seither getan?

Birgit Maria Sturm: Eine Sache hat sich besonders verschärft: Das Thema Mehrwertsteuer. Kunstverkäufe galten jahrzehntelang als mehrwertsteuerbegünstigt. Der Verkäufer musste nur sieben Prozent an den Fiskus abführen. Das hat sich mit dem 1.1.2014 dahingehend geändert, dass gewerbliche Kunstverkäufe jetzt dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19?% unterliegen, was massiv negative Auswirkungen auf die Galerie hat.

Für Direktverkäufe aus dem Atelier gilt der alte Mehrwertsteuersatz. Im Grunde kann der Künstler seine Kunst günstiger als der Galerist verkaufen. Man darf sich also in der Öffentlichkeit nicht wundern, wenn Galeristen in Zukunft aus der Not heraus überlegen, den klassischen Erlös-Aufteilungssatz von 50/50 zu relativieren.

Sollte man eher in eine bestehende Galerie einsteigen oder sich direkt selbstständig machen?

Ich kann nur abraten, aus dem hohlen Bauch heraus eine Galerie zu eröffnen. Zuerst muss man sich die Frage stellen: Wie viel weiß ich über die Branche? Man braucht Erfahrung und die kann man sich auch über ein Studium nicht holen. Es ist sicherlich eine gute Ergänzung, aber es ersetzt die Praxis natürlich nicht.

Ich rede nicht von ein paar Wochen Praktikum, sondern von ein paar Jahren Mitarbeit in Auktionshäusern, im Kunsthandel beziehungsweise in Galerien. Am glücklichsten sind die, die mit einer Galerie familiär aufgewachsen sind. Die haben Kunstgeschichte, Betriebswirtschaft studiert, Erfahrungen im Auktionswesen und in ausländischen Galerien gesammelt, wodurch man viele Akteure kennen lernt und Berührungsängste wegfallen. Das ist ein enormer Vorteil.

Es gibt aber auch Ausnahmen, Leute, die von Null auf Hundert hochschießen. Ein grandioses Beispiel ist Gerd Harry Lybke von der Galerie „Eigen + Art“, der nach der Wende diese Galerie, die zu einem Erfolgsprojekt geworden ist, gegründet hat.

Viele unterschätzen von vornherein, dass eine Galerie immer auf beiden Seiten aktiv sein muss: Auf der Künstler-Seite und der Sammler-Seite. Man muss mit beiden Bereichen umgehen können, beide kennen. Zweitens erfordert es Kapital, eine Galerie zu gründen, das einem eine Bank nicht gibt. Einen Galeriebetrieb aufrechtzuerhalten ist wiederum sehr kostenintensiv, zumal man ein schwankendes Einkommen hat – man verkauft nicht jeden Tag Kunst.

Man denkt oft, man müsse nur irgendwo ein Bild hinhängen, das sich dann von selbst verkaufen würde. So ist das nicht. Man muss viel investieren. Die Künstlerbetreuung und -vermittlung kostet erst einmal Geld. Man muss Ausstellungen machen, vermarkten, Einladungen verschicken, Produktionskosten mitbedenken, das Ganze ordentlich präsentieren, an Messen teilnehmen. Das sind alles Kostenfaktoren, die oftmals nicht richtig wahrgenommen werden. 

Ist es ein 24/7-Beruf, in einer Galerie zu arbeiten?

Es ist eher eine Berufung als ein Beruf. Aber das haben Sie ja in allen kreativen oder Kulturmarkt-Berufen. Das Interesse, das Dabei-Bleiben, das Sich-Informiert-Halten bedeutet auch Lektüre, den Besuch von Veranstaltungen, ein Netzwerk zu knüpfen. Man muss mitreden können, muss sich vielfältige Informationen, Eindrücke und das Wissen holen. Das ist ein niemals endender Prozess, auch an persönlicher Weiterentwicklung.

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