Bewerbung: Von Selbstständigen lernen
Netzwerken, Portfolio entwickeln, Werbung in eigener Sache machen: Jobsuchende können viel von Freiberuflern lernen. Foto: Clipdealer

Bewerbung: Von Selbstständigen lernen

Freiberufler/innen müssen ihre Kunden und Auftraggeber stets davon überzeugen, dass es sich lohnt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Von dieser Haltung können sich Jobsuchende im Bewerbungsprozess einiges abschauen.

Text: Andreas Pallenberg

Stellensuche geht gewöhnlich so: Auf eine ausgeschriebene Stelle wird eine Bewerbung formuliert. In der Bewerbung geht man auf das Inserat ein und empfiehlt sich als passender Mitarbeiter. Und dann wartet man … 

Damit erfüllen die Arbeitsuchenden als Bewerber/innen mehr oder weniger vollendet ihren Job. Aber sie reagieren nur.

Im Gegensatz zu Selbstständigen bieten sie sich mit ihrem Know-how nicht aktiv an, sondern begründen entlang der Ausschreibungsprosa, dass sie irgendwie passen. Und dabei bleibt vieles auf der Strecke, was die Arbeitgeber auch noch interessieren könnte.

Selbstständige und Freiberuflerinnen können das oft besser. Weil sie kundenorientiert denken müssen. Was kann man als Arbeitsuchender von ihnen lernen?

Lektion 1: Sei präsent! 

Ein freiberuflicher Coach, eine selbstständige Umweltberaterin oder eine Lektorin bieten ihre Dienstleistungen aktiv und passiv an. Sie betreiben eine Webseite, haben analog dazu vielleicht Werbe-Flyer und eine aussagekräftige Visitenkarte, sind in den Sozialen Medien präsent und besuchen regelmäßig Branchentreffen, Kongresse und Messen, auf denen sie Kontakte zu potenziellen Kunden oder Auftraggebern knüpfen können.

Sie bieten Suchmaschinenfutter, sind vernetzt in überregionalen Verbänden, gründen selbst themenbezogene Stammtische und betreiben berufsspezifische Blogs. Volles Programm also!

Arbeitsuchende reagieren eher, als dass sie agieren. Sie sind durchaus aktiv bei der Suche nach passenden Stellen, aber sie beschränken sich auf das bestehende, öffentlich ausgeschriebene Stellenangebot. Diesen Weg gehen sie zunächst sehr ausführlich, oft viel zu lange. Sie bleiben passiv gegenüber einem Arbeitsmarkt, der ganz woanders stattfindet, nämlich im Verborgenen. Dieser muss aktiv erschlossen werden. Sie müssen dafür sorgen, dass sie bei Bedarf gefunden werden.

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Lektion 2: Zeige deine Leistungen! 

Freiberufler haben in der Regel klare Vorstellungen von ihren Leistungen und Qualitäten, und sie wissen, wo ihre Grenzen sind. Mit der Zeit entwickeln sie auch Erfahrungen, was sie wert sind und stellen ihre Leistungen selbstbewusst dar. Dazu bedienen sie sich einer mehr oder weniger aktuellen Marketingsprache, über die sie ihr Angebot kundenorientiert präsentieren.

Dass sie sich dabei als die besten, die passendsten und die geeignetsten Dienstleister ihrer Branche darstellen, gehört zum Geschäft. Und  es bleibt nicht bei Behauptungen. Um mögliche Auftraggeber zu überzeugen, belegen sie ihre Erfahrungen, Erfolge und ihre besonderen Fähigkeiten mit Referenzen, Beispielen ähnlicher Dienstleistungen und nicht zuletzt mit erworbenen Qualifikationen, Verbandszugehörigkeiten und Zertifikaten. Volles Portfolio also!

Lektion 3: Entwickle die Marke „Ich“

Arbeitsuchende, die auf der Suche nach einer möglichst unbefristeten Stelle sind, arbeiten sich ab an den in Inseraten formulierten Qualifikationsanforderungen und Tätigkeitbeschreibungen. Wie macht man das? Wenigstens die wesentlichen Punkte sollten als passend mit dem eigenen Profil dargestellt werden und nach Möglichkeit auch noch über entsprechend nachweisbare Erfahrungen bekräftigt werden. So weit, so gut.

Was vielen aber nicht gelingt, ist ein selbstbewusstes Marketing in eigener Sache.

Gerade Akademiker/innen wollen mit ehrlichen Inhalten und gegebener Qualifikation überzeugen. Absolventinnen und Absolventen bauen immer noch zu sehr auf die Wucht der guten Note und die Wirkung des akademischen Abschlusses.

Gleichzeitig stellen sie ihre konkreten und individuellen Vorzüge für den Arbeitsmarkt eher schüchtern dar. Sie scheuen sich, Dinge auf den Punkt zu bringen, zu vereinfachen und auf Werbebotschaften zu reduzieren. Sie bauen auf übliche Formulierungen und trauen sich kaum, von entsprechenden Vorlagen in den einschlägigen Ratgebern abzuweichen und zum Beispiel in Anschreiben eine individuelle Note zu entwickeln.

Lektion 4: Investiere in Gespräche! 

Freiberufler wollen und müssen mit Kunden ins Gespräch kommen. Dazu müssen sie auf Menschen zugehen können und die Scheu überwinden, im richtigen Moment aktiv auf ihre Leistungen hinzuweisen. Weiterhin wollen sie gefunden werden. Also bemühen sie sich, auf den entsprechenden Foren, Plattformen und Märkten präsent zu sein.

Da andere das auch wollen, ist das ein permanentes Ringen. Es gibt viele Kontakte, die nichts bringen, weil es nicht zum Geschäft kommt. Es gibt viel Vorarbeit, die ohne jede Vergütung erfolgen muss, bis es zu bezahlten Aufträgen, vereinbarten Stunden- oder Tagessätzen kommt. Da wird Arbeitskraft investiert, die sich – wenn überhaupt – erst später rentiert. Aber ihr Angebot wird immer besser, immer stärker auf die Bedürfnisse der Auftraggeber zugeschnitten. Sie wissen immer mehr, was die andere Seite will. Voller Lerneffekt also!    

Viele Arbeitsuchende kommen kaum in Kontakt mit möglichen Arbeitgebern und lernen kaum dazu. Sie schicken ihre Bewerbungen ab und warten. Bei den üblichen zahlreichen Absagen, deren Begründungen geschenkt sind, lernen sie nichts. Auch Nachhaken bringt nicht viel Erhellendes. Da macht sich irgendwann Verzweiflung breit.

Selbst bei sehr aktiven Bewerber/innen, die mehrere Eisen im Feuer haben, kommt es nicht immer zum Vorstellungsgespräch oder gar zur Einstellung. Sie machen eigentlich alles richtig, und dennoch verpassen sie viel vom Arbeitsmarkt. Bei diesen Bewerbungsaktivitäten kann es sein, dass man nie ins Gespräch mit der anderen Seite, den Arbeitgebern, kommt. Es gibt kaum ein Feedback, keinen Austausch, keine Anknüpfungspunkte und keine Hinweise, wie man seine Bewerbungsstrategie entwickeln könnte, was interessant ist und was eher nicht. 

Auf Jobmessen kann man das Kontakten und Small-talken üben und entwickeln. Viele scheuen dies, weil sie sich nicht „anbiedern“ wollen. Aber es lohnt sich. Es kann sein, dass einzelne Gespräche mit Personalleuten so erhellend sind, dass man seine zukünftigen Bewerbungen mit ganz anderen Prioritäten versieht, sich bei ganz anderen Arbeitgebern meldet und völlig neue Strategien  entwickelt.

Diese Annäherung an den realen Arbeitsmarkt ist unbedingt zu empfehlen, um nicht allzu viel Zeit in strategischen Sackgassen zu verbringen.  

Lektion 5: Was kann ich für Sie tun?

Dienstleister müssen etwas anbieten, was für irgendjemand von Interesse ist. Das kann Spezialwissen sein, methodisches Knowhow, Beratungs- oder Coachingkompetenz. Und die Dienstleistung muss ihm etwas wert sein. Spannend wird es immer, wenn es strukturell bedingt neue Probleme gibt, die grundsätzlich von Expert/innen gelöst werden können.

Freiberufler und Dienstleistungsunternehmen mit entsprechenden Angeboten sind dann bald auf der Spur. Sie wittern ihr Geschäft und bieten sich als Problemlöser an. Zum Beispiel bei allgemeinen Veränderungen wie die zunehmende Nutzung von Social Media im Marketing oder bei der aktuellen Bedrohung durch Hacker-Angriffe.

Eher schon Dauerbrenner sind Dienstleistungen im Bereich Mediation, Supervision und Beratung. Da gibt es einen Markt, Konkurrenz und auszuhandelnde Preise. Wer inhaltlich überzeugt und einen adäquaten Preis verlangt, bekommt den Zuschlag. Dazu legen sich die Konkurrenten ins Zeug und „bearbeiten“ den Kunden mit ihren Argumenten. Volles Angebot also!

Auch Arbeitsuchende, die auf abhängige Beschäftigung aus sind, können ihre „Werbung“ optimieren. Sie bauen eine entsprechende Webseite auf, sind mit passenden Suchbegriffen in den Sozialen Medien findbar, betreiben Blogs und bieten sich als Problemlöser entlang ihres Portfolios an.

Ihr „Angebot“ stimmen sie auf aktuelle Problemlagen ab und empfehlen sich als Experten. Diese Kanäle werden auch für die Personaler immer interessanter. Sie wollen wissen, ob die Bewerbung mit einem eventuell vorhandenen Internetauftritt kompatibel ist. Finden sie nichts, fehlt was. Finden sie Passendes, fügt sich das zu einem Bild zusammen. 

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