Von der Fischfarm bis zum Marine Consultant: Für Meeres-Spezialisten gibt es sehr viele potenzielle Arbeitsfelder. Foto: Fotolia.de / © kranidi

"Der Arbeitsmarkt ist auch abseits der Forschung groß"

Universelle Meeresspezialist/innen: Wer mit Meeren arbeitet, ist oft gleichzeitig interdisziplinär aufgestellt. Wie wie sehen generell die Chancen auf dem Arbeitsmarkt „Meer“ aus?

WILA Arbeitsmarkt hat zwei Studiumskoordinatoren gefragt. WILA-Autorin Elisabeth Korn hat mit Claudia Hanfland und Dr. Jörg Süling gesprochen. Lesen Sie hier unseren großen Überblick zum "Arbeitsmarkt Meer".

WILA Arbeitsmarkt: Sie beide haben einen guten Überblick darüber, wie Ihre Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt unterkommen. Wie sehen denn momentan die Jobchancen aus?

Claudia Hanfland: Wir haben bei POLMAR rund 180 Doktoranden, im Schnitt gibt es jedes Jahr zwischen 30 und 40 Absolventen bzw. Neuanfänger. Die können wir am AWI nicht alle übernehmen, aber das ist auch nicht unser Anspruch. Viele wollen nach dem Studium nochmal drei Jahre in der Wissenschaft arbeiten, das tun sie dann bei uns, und danach wieder etwas anderes machen. Die Arbeitslosenquote unter promovierten Naturwissenschaftlern liegt in Deutschland bei knapp zwei Prozent, das entspricht quasi Vollbeschäftigung. Die Leute, die bei uns promoviert haben, kommen zum Beispiel gut in der Wirtschaft oder in forschungsnahen Bereichen unter.

Dr. Jörg Süling: Die Mehrzahl unserer Studierenden schließt nach dem Masterstudiengang eine Dissertation an. Nach der Promotion bleiben viele zumindest die ersten Jahre in der Forschung, oft am GEOMAR, aber auch weltweit. Hier ist eine hohe Mobilität gefordert, die die meisten gerne wahrnehmen. Unsere Absolventen bleiben aber nicht nur in der Forschung oder bei Behörden, sondern gründen zum Beispiel eigene Start-up-Unternehmen. Da reicht das Themenspektrum von Meereskosmetika oder Nahrungsergänzungsmitteln über Fisch-, Algen- oder Muschelfarmen bis hin zu Beratungsbüros, die zum Beispiel bei maritimen Großprojekten Gutachten anfertigen. 

  • Claudia-HanflandDr. Claudia Hanfland ist als Koordinatorin für POLMAR, die Graduiertenschule des Alfred-Wegner-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), tätig und vor allem für die Kursgestaltung zuständig. Während ihrer Doktoranden- und Postdoc-Zeit war sie selbst auf Forschungsschiffen unterwegs. Mittlerweile begleitet sie manchmal noch Fahrten, die meist mehr einen Ausbildungs- als einen wissenschaftlichen Charakter haben. Foto: privat

Um einmal weg von der Forschung zu gehen: Wo können Meeresspezialistinnen und -spezialisten denn noch arbeiten?

Hanfland: Der Arbeitsmarkt ist, auch abseits der Forschung, groß. Hier in Norddeutschland haben wir derzeit eine Lehrerknappheit, gerade Naturwissenschaftler haben gute Chancen als Quereinsteiger – das ist für alle, die sich wegen der Unsicherheit im Wissenschaftssystem sorgen, ggf. eine Alternative, insofern man gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und unterrichten möchte.

Wir haben auch immer wieder Absolventen, die am AWI sehr stark analytisch gearbeitet haben und zum Beispiel bei den Firmen angestellt werden, mit deren Geräten sie während der Dissertation zu tun hatten. Besonders Mathematiker und Physiker sind willkommen bei allem, was mit Zahlen oder Modellierung zu tun hat, vom Automobilzulieferer bis zur Unternehmensberatung.

Etliche unserer Absolventinnen gehen auch ins wissenschaftliche Projektmanagement. Es gibt immer mehr Wissenschaftsmanager, die an der Schnittstelle zwischen Projektträgern oder Konsortien und den einzelnen Wissenschaftlern arbeiten.

Dr. Süling: Unsere Absolventen arbeiten vor allem in der marinen Forschung oder Lehre, an meereswissenschaftlichen Instituten oder an Universitäten. Andere Optionen sind die maritime Umweltüberwachung, zum Beispiel in Umweltbehörden oder Forschungsanstalten der Fischerei. Eine Möglichkeit ist auch das Arbeiten im Umweltmanagement, also der Bewertung und Überwachung vorhandener biologischer, energetischer und mineralischer Ressourcen und deren umweltverträgliche Nutzung.

Aber auch in der Privatwirtschaft, zum Beispiel der Umweltanalytik, Marine Consultants, maritimen Technologien (Schifffahrt, Pipelineprojekte, Offshore Windparks), der Nahrungsmittelindustrie, der Pharmazie oder auch im Wissenschaftsjournalismus oder in naturwissenschaftlichen Verlagen finden einige ihren Traumjob. 

  • Joerg-SuelingDr. Jörg Süling ist der Koordinator des Masterstudiengangs „Biological Oceanography“ an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel und Kurator der Biobank am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung. Er hat seine Dissertation im Bereich der medizinischen Mikrobiologie und Genetik geschrieben und beschäftigt sich heute vor allem mit der Betrachtung des Lebensraums „Ozean“ aus der Sicht von Mikroorganismen. Foto: privat

Welche Kompetenzen muss man denn überhaupt mitbringen, um in der Meeresforschung erfolgreich zu sein?

Hanfland: Ein naturwissenschaftliches Studium sowie das Interesse am naturwissenschaftlichen Arbeiten ist natürlich eine Voraussetzung, aber genauso wichtig ist für uns die Freude daran und Neugierde auf Neues. Die meisten unserer Leute freuen sich auf Expeditionen und Forschungsreisen. Man sollte außerdem mit Frustration umgehen und sich auch auf Unvorhergesehenes einlassen können, denn in der Wissenschaft tut man sich allgemein schwer, wenn man nur nach Plan arbeiten kann und erwartet, dass dieser Plan auch aufgeht. Flexibilität ist ein wichtiges Kriterium in unserer Forschung, dazu gehört auch gutes Projektmanagement. 

Und wie stehen die Chancen für grüne Fachkräfte, die bisher noch keine Erfahrungen im marinen Bereich gesammelt haben, in das Arbeitsfeld einzusteigen?

Hanfland: Nach meiner Erfahrung sehr gut, ich kann jedem empfehlen, Karrieremessen zu besuchen und sich dort umzuhören. Ich fand das bei meinen letzten Besuchen wirklich auffällig, wie diese Zielgruppe von kleineren und mittleren Unternehmen im technischen Bereich hofiert wurde. Auf einer Messe in Berlin signalisierten mir etliche Aussteller, dass sie promovierte Naturwissenschaftler sofort einstellen würden – der Fachkräftemangel in Deutschland ist da auf jeden Fall zu spüren.

Aber man muss sich natürlich schon selbst um die Karriere kümmern, Zeitung lesen allein reicht da nicht, die Mehrzahl der Stellen wird über persönliche Kanäle vergeben. Aber auf solchen Messen kann man ja auch Kontakte knüpfen und dann zum Beispiel über Empfehlungen zum Traumjob kommen.

Dr. Süling: Hier ist wichtig, wie genau der Einzelne aufgestellt ist. Ich selbst hatte mich vor meinem Beginn am Institut für Meereskunde an der CAU, dem Vorläufer des GEOMAR, nicht mit der marinen Umwelt, sondern mit der Genetik von pathogenen Mikroorganismen beschäftigt. Wichtig sind vor allem Methodenkenntnisse, die unabhängig vom Lebensraum der Mikroorganismen und meist sogar auf quasi alle Lebewesen anwendbar sind. Dies ist in anderen Naturwissenschaften prinzipiell ähnlich. Wenn bestimmte Fähigkeiten zur Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen erforderlich sind, ist es oft zweitrangig, ob diese Fähigkeiten an marinen oder terrestrischen Objekten erworben wurden.

Wird sich Ihrer Meinung nach der marine Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren wandeln?

Dr. Süling: Auch in den maritimen Wissenschaften ist die immer stärker werdende Nutzung modernster Technologien zu spüren. Viele Dinge, die früher von den Wissenschaftlern am Ort des Forschungsobjekts selbst durchgeführt wurden, werden heute zum Beispiel über autonome Unterwasserfahrzeuge oder ferngesteuert vorgenommen.

Das heißt, Dinge wie „Seefestigkeit“ sind heute weniger gefragt als früher, was die Forschung sicherer und kostengünstiger macht, andererseits aber auch den direkten Zugang zu Daten und Probenmaterial verändert und den überaus komplexen Zusammenhang aller Faktoren miteinander leichter vergessen lässt. Dadurch wird eine weitere Zersplitterung der wissenschaftlichen Disziplinen eher gefördert, was wiederum zu einem größeren Bedarf an fächerübergreifender Kommunikation führt – auch bis in die Gesellschaft hinein. Das „Dahinforschen“ einzelner Wissenschaftler in ihrem „stillen Kämmerlein“ wird immer seltener werden.

  • POLMAR ist eine Graduiertenschule des Alfred-Wegner-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- uns Meeresforschung (AWI). Das Programm begleitet die angehenden jungen Wissenschaftler mit einem flankierenden Kursprogramm, mit Beratungsangeboten oder mit finanziellen Zuschüssen.  Forschungsschwerpunkte des AWI sind marine wie maritime Ökosysteme und der polare Klimawandel. 
  • Das GEMOAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersucht chemische, physikalische, biologische und chemische Prozesse im Ozean und die Wechselwirkung mit dem Meeresboden und der Atmosphäre. Es beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter/innen. In Kooperation mit der CAU ist das GEOMAR an mehreren international ausgerichteten Studiengängen im Bereich der Meereswissenschaft beteiligt. 
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