Jobs mit Meer
Auf Forschungsreise: Janin Schaffer dringt manchmal in Gewässer vor, in denen noch nie ein Schiff gewesen war. / Foto: J. Schaffer

Jobs mit Meer

Heute Schreibtisch, morgen Arktis? In, am und auf dem Meer gibt es viele spannende berufliche Möglichkeiten. Eine Übersicht.

Text: Elisabeth Korn

Janin Schaffer ist seit acht Wochen auf der „Polarstern“, einem der weltweit größten Forschungsschiffe, im Nordosten Grönlands unterwegs. Die Doktorandin erforscht, wie Gletschersysteme mit dem Ozean wechselwirken. Das Schiff macht Station, alle Wissenschaftler beziehen Position. Schaffer und ihr Team lassen Messinstrumente in die Tiefe, deren Sensoren Temperatur-, Salz- und Sauerstoffmessungen durchführen.

Innerhalb von Minuten ist ein ganzes Profil über die Wassertiefe erstellt. Sie sind nicht die einzigen, die konzentriert an ihrem Projekt arbeiten - ein Forschungsschiff zu mieten, ist teuer, deshalb teilt der Fahrtleiter die Kapazitäten unter allen Wissenschaftlern auf. Manchmal können Untersuchungen zeitgleich durchgeführt werden, oft wird in Schichten gearbeitet, auch nachts. 

Die Arbeit auf so einem Forschungsschiff ist spannend. „Bei meiner letzten Expedition sind wir in Gewässer vorgedrungen, wo zuvor noch nie ein Schiff war. Wir wussten noch nicht einmal wie tief oder flach der Meeresboden hier ist“, erklärt Schaffer. Der Kapitän, der „Chef auf dem Schiff“, entscheidet dann wie vorgegangen wird.

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Auf der Polarstern haben etwa 100 Leute Platz, davon gehört meist die Hälfte zur Crew, die andere Hälfte sind Forscherinnen und Forscher aus aller Welt. „Auf dem Schiff wächst man zusammen, wie eine große Familie, man verbringt ja auch den Feierabend zusammen“, sagt Schaffer. Sie schätzt es, auf Forschungsreisen Menschen aus allen möglichen Ländern kennenzulernen. „Aber nach acht Wochen reicht es dann auch wieder, da braucht man mal wieder festen Boden unter den Füßen“, erklärt sie.

Homebase: Forschungsinstitut

Janin Schaffer arbeitet in der angewandten physikalischen Ozeanographie am Alfred-Wegener-Institut (AWI), dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. „In meiner Arbeitsgruppe messen wir zum Beispiel Temperatur, Salzgehalt und Geschwindigkeiten vom Schiff aus an verschiedenen Stellen im Ozean und können daraus etwas über charakteristische Eigenschaften der Wassermassen und der Meeresströmung ableiten“, erklärt sie.

Neben physikalischer gibt es auch Stellen in biologischer und chemischer Ozeanographie; fast alle naturwissenschaftlichen Disziplinen finden sich in der Meeresforschung wieder. Geophysikerinnen und -physiker untersuchen zum Beispiel Unter-Wasser-Erdbeben oder die Beschaffenheit des Meeresbodens. 

Christian-KatleinAuch Dr. Christian Katlein, ein Meereis-Physiker, arbeitet am AWI. Er beschäftigt sich vor allem mit den physikalischen Eigenschaften des Meereises in der Arktis und Antarktis. Dafür gibt es am Institut zwei Arbeitsgruppen.

Katlein ist derzeit für einen Untereis-Tauchroboter zuständig, der bald bei einer Expedition in der Arktis aufs Eis gehen soll: Dort wird ein kleines Loch gebohrt, durch welches der Roboter ins Meer gelassen wird und dann Parameter wie die Eisdicke oder die optischen Eigenschaften der Eisdecke analysiert.

„Im Moment steht die Anpassung der technischen Spezifikationen im Vordergrund und die Frage, wie man so ein Gerät effektiv unter arktischem Meereis betreiben kann. Solche einzigartigen Geräte lassen sich nicht einfach so mal kaufen, da braucht man eben einen Wissenschaftler, der dafür sorgt, dass das alles funktioniert“, erklärt Katlein.

Heute Arktis, morgen Schreibtisch

Wenn Schaffer und Katlein auf dem Schiff unterwegs sind, besteht ihr Alltag vor allem aus Feldarbeit. Meist sind das zwei bis drei Monate pro Jahr, in denen sie tatsächlich in der Arktis arbeiten. Zum Beispiel bauen sie draußen auf dem Eis Messgeräte auf und nehmen sie in Betrieb. „Da muss man schon robust sein, es sollte einem nicht nach fünf Minuten draußen zu kalt werden“, erklärt die Wissenschaftlerin. Auch auf dem Schiff geht es öfter mal rau zu. Jeder und jede muss mit anpacken, wenn Helfer gebraucht werden.

Neben vielen Reisen, Expeditionen oder  internationalen Konferenzen besteht ihr Berufsalltag vor allem aus Arbeit am Schreibtisch: Daten auswerten, Veröffentlichungen schreiben, Meetings oder Vorträge vorbereiten, Karten erstellen, Konferenzen planen, Forschungsvorhaben visualisieren – alles, was eben gerade so anfällt. Auch die nächsten Forschungsreisen müssen geplant werden, beispielsweise gilt es, dafür Frachtformulare auszufüllen, Genehmigungen einzuholen oder direkt im Hafen die Packausrüstung auszusuchen und zusammenzupacken. „Da kommen dann andere Anforderungen auf einen zu, die man als Wissenschaftler sonst eher nicht braucht, zum Beispiel Zollbestimmungen einhalten oder Gefahrguterklärungen ausfüllen“, erklärt Katlein.

Unter Geowissenschaftlern, Meteorologen und Biologinnen

In Katleins Arbeitsgruppe hat fast jeder Wissenschaftler einen anderen Hintergrund: Es arbeiten Physiker, Geophysiker, Geowissenschaftler, Forstwissenschaftler, Meteorologen und eine Biologin zusammen. Katlein schätzt das interdisziplinäre Arbeiten. Jedes Gruppenmitglied hat dadurch eine vielschichtige Arbeit. Das ermöglicht auch, dass Personen mit verschiedenen akademischem Hintergrund den Zugang in den Bereich finden.

Daneben gibt es für studierte Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die Möglichkeit, als Modellierer zu arbeiten und Klima- oder Ozeanmodelle zu optimieren. Das Ziel dabei ist es, die Messungen der Forscher in einen anderen Kontext zu setzen, das „große Ganze“ zu sehen und Beobachtungen einzuordnen. Schaffer betont, wie wichtig die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den messenden Ozeanographen und Modellierern ist. Überhaupt ist Teamwork ein großer Bestandteil der Arbeit eines Ozeanographen, nicht nur innerhalb eines Instituts oder gar eines Landes. „In Deutschland gibt es keine andere Forschungsgruppe, die sich mit einem ähnlichen Thema befasst wie wir, weltweit sind es derzeit fünf andere. Da muss man sich schon gegenseitig helfen, um voran zu kommen“, erklärt Katlein.

Auch Schaffer bestätigt, dass der wissenschaftliche Diskurs immer auf internationaler Ebene stattfindet. „Bei uns am AWI gibt es viele internationale Mitarbeiter; das ist schon manchmal eine Herausforderung, die man nicht außer Acht lassen sollte“, sagt sie. Schaffers Masterstudium in Kiel war englischsprachig, zudem hat sie ein halbes Jahr in Norwegen studiert, unter anderem, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Ihre Ergebnisse müssen Schaffer und Katlein auf Englisch veröffentlichen, zum Beispiel in Fach- oder Wissenschaftsmagazinen. „Arbeiten in der Ozeanographie ist ein klassischer Weltenbummler-Job. Das gilt übrigens auch für Modellierer, die ebenfalls auf Konferenzen weltweit unterwegs sind“, sagt Schaffer.

Museum und Meer

Henning-MayAber nicht nur die Wissenschaftler sind oft beruflich auf den Weltmeeren unterwegs, sondern zum Beispiel auch Henning May. Er ist Taucheinsatzleiter am Meeresmuseum „Ozeaneum“ in Stralsund. Als Forschungstaucher ist er regelmäßig im Freiwasser unterwegs, um Tiere oder Pflanzen für das Museum zu fangen. Privat gibt er europaweit Fortbildungen für technische Taucher. May ist einer von zehn Personen, die am Ozeaneum rund ums Tauchen beschäftigt sind.

In den Taucheranzug geht es für ihn zum Beispiel dann, wenn in den Becken die Technik überprüft werden muss, Tiere gefüttert oder zu Behandlungszwecken gefangen werden sollen, Reinigungsarbeiten vorgenommen werden oder der Besatz eines Beckens geändert wird.

Als Taucheinsatzleiter hat May auch viel Bürokratie zu erledigen: „Menschen sind einfach nicht darauf ausgelegt, unter Wasser zu atmen, dementsprechend ist das Tauchen immer ein Risiko, und es müssen viele Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden“, erklärt er. Nicht immer ist das so einfach. May muss dann Alternativen finden, diese beantragen und dokumentieren.

„Wenn wir die Tiere selbst fangen, können wir sicherstellen, dass es möglichst schonend passiert"

Auch May fährt regelmäßig mit seinem Team auf Expeditionen, um Tiere, Pflanzen oder Dekorationsmaterial direkt aus dem Meer in das Museum zu bringen. Einiges kann das Museum über Händler einkaufen, aber nicht immer ist das für beide Seiten zufriedenstellend. Neben dem Tauchen im Freiwasser nutzt das Team auch andere Fischereimethoden, zum Beispiel Reuse oder Netze. „Wenn wir die Tiere selbst fangen, können wir sicherstellen, dass es möglichst schonend passiert – außerdem kann man vieles, was wir hier zeigen, so gar nicht kaufen“, erklärt May. Die Planung, Leitung und Durchführung solcher Fahrten gehören ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich.

Eine Besonderheit des Ozeaneums ist es, dass es sich vor allem auf wenig bekannte Lebensräume spezialisiert, beispielsweise Kaltwasser-Korallenriffe. Den meisten Besuchern sind nur die tropischen Korallenriffe bekannt, jedoch sind Kaltwasser-Korallenriffe aufgrund ihrer immensen Flächeneinnahmen bedeutsamer für die marine Welt.

Diese sind für Taucher sehr schwierig zu erreichen, sie liegen bis zu 1 500 Meter tief, und sowohl die Dunkelheit als auch die niedrige Wassertemperatur erschweren den Zugang. „Wir wollen diese Wissenslücken schließen und beißen dann als Taucher eben auch mal in den sauren Apfel, um den wichtigen Lebensraum im Museum zeigen zu können“, sagt May. Sein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich; natürlich steigt er nicht jeden Tag in den Taucheranzug. Hochsaison für die Taucherinnen und Taucher sind das Frühjahr und der Herbst, wenn die Vorbereitungen für den Sommer laufen. Denn dann strömen am meisten Besucherinnen und Besucher ins Museum. „Wenn viele Besucher da sind, bin ich so wenig tätig wie möglich, um sie nicht zu stören“, sagt er.

Arbeiten fernab von der See 

May ist als Quereinsteiger ins Ozeaneum gekommen: Statt seine Dissertation im Bereich Geowissenschaften fertig zu stellen, entschied er sich für das Tauchen. „Festanstellungen sind im Bereich Geologie echt schwierig, sowohl an der Uni als auch im privaten Sektor“, erklärt er. Grundsätzlich stehen die Chancen auf dem marinen Arbeitsmarkt, auch für Quereinsteiger aus anderen Naturwissenschaften, seiner Meinung nach gut. „Ein mariner Arbeitsbereich, der derzeit boomt, ist die Vermessungstechnik“, sagt er. Hintergrund ist, dass die Meere für wirtschaftliche Zwecke, beispielsweise Windenergie, erschlossen werden und dazu gehört zunächst eben eine Quadrierung des Meeresbodens. 

Auch umgekehrt sind Meeresspezialistinnen und Meerspezialisten häufig in der Lage, problemlos in nicht-marine Arbeitsbereiche zu wechseln. Ein Vorteil, den unter anderem Ozeanographen und Ozeanographinnen, aber auch andere Naturwissenschaftler durch ihr Studium erlangen, ist die Fähigkeit zu programmieren. Je nach Projekt verbringen die Wissenschaftler zwar mehr oder weniger Zeit pro Jahr auf einem Forschungsschiff, aber den Rest der Zeit werden die Ergebnisse ausgewertet, Daten bereinigt und visualisiert.

Und diese Fähigkeit lässt sich auch in anderen Bereichen nutzen: „Wenn man eine Programmiersprache kann, lernt man relativ einfach auch eine andere“, erklärt Schaffer. Tatsächlich hat sie bei einem Gespräch mit einem Freund festgestellt, dass der in seinem Praktikum bei einer Autofirma die gleiche Software zum Auswerten der Daten benutzt wie sie am AWI. „Klar ist man beim Bewerben auf eine Stelle zunächst ein Außenseiter, aber man muss halt das, was man kann, gut verkaufen, und zum Beispiel als Ozeanograph ist man eigentlich sehr vielseitig aufgestellt“, erklärt Schaffer.

Neben dem Programmieren müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gut planen und kommunizieren, im Team arbeiten (auch mit Nicht-Wissenschaftlern, zum Beispiel auf dem Schiff) und komplexe Sachverhalte erklären können. „Natürlich gehört auch immer eine Portion Glück dazu, den richtigen Job zu finden, aber wenn man vielfältige Aufgaben wahrnehmen kann und ein Experte auf seinem Fachgebiet ist, hat man auf jeden Fall gute Chancen“, sagt May.

Meer-Jobs im Öffentlichen Dienst 

Ein großer Arbeitgeber im Bereich Forschung ist neben dem AWI das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) in Kiel. Letzteres arbeitet eng mit der Universität Kiel zusammen, an der zum Beispiel Janin Schaffer physikalische Ozeanographie studiert hat. In Bremen gibt es das das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie (MPI). Eine alternative, außeruniversitäre Anlaufstelle für Meeresforscher ist das Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) in Warnemünde. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) beschäftigt sich, wenn auch nicht vordergründig, auch mit Meeresforschung und konzentriert sich dabei vor allem auf die deutsche Schifffahrt in Nord- und Ostsee.

Meeresspezialist/innen in fachfremden Berufen 

Ozeanographen, die nicht in der Forschung tätig sein möchten, können zum Beispiel in die Meteorologie ausweichen. Die Meteorologie ist in Hamburg und Kiel ein Bestandteil des Studiums; beispielsweise können die Studierenden in Kiel aus zwei von drei Modulen Schwerpunkte wählen (Geophysik, Ozeanographie, Meteorologie). Für diverse Naturwissenschaften gibt es die Möglichkeit, als Quereinsteiger in den Lehrberuf zu wechseln.

Vor allem im Norden Deutschlands gibt es derzeit zu wenige Lehrkräfte in den Naturwissenschaften, vor allem in Mathe und Physik. Wer also das fachliche Wissen bereits im Grundstudium erworben hat, kann den pädagogischen Teil schnell nachholen und dann meist direkt ins Referendariat einsteigen. Weitere Optionen für verschiedene marine Berufshintergründe stellen Umweltschutzorganisationen, zum Beispiel der WWF oder Greenpeace, dar.

Mehr Infos zur Meeresforschung bietet die Webseite des Wissenschaftsjahr 2016*17 - Meere und Ozeane: www.wissenschaftsjahr.de

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