Generationswechsel in den Volkshochschulen
Mit Spaß bei der Weiterbildung: Die Kursteilnehmer in der Volkshochschule Köln. Foto: VHS Köln

Generationswechsel in den Volkshochschulen

In kommunalen Einrichtungen der Erwachsenenbildung werden zurzeit viele neue Stellen ausgeschrieben - besonders Leitungspositionen.

Matthias Alke forscht am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. in Bonn. Er beobachtet in den Volkshochschulen derzeit viele Neubesetzungen, weil eine ganze Generation von Leitungskräften in Rente geht. Im Interview mit WILA Arbeitsmarkt spricht er über die Aufgaben der Leitungskräfte und das Spannungsfeld zwischen Allgemeinwohl und Budgetverantwortlichkeit. 

WILA Arbeitsmarkt: Welche Anforderungen erleben Leitungskräfte gemeinwohlorientierter Einrichtungen der Erwachsenenbildung heute?

Matthias-Alke-Jobs-VHSDr. Matthias Alke: Sie müssen immer mehr Akteure gleichzeitig bedienen. Erstens gibt es neben Kommunen und Ländern neue Geber wie das Bundesamt für Migration (BAMF) für Integrations- und Sprachkurse. Zweitens wird von den öffentlich geförderten Einrichtungen viel stärker als früher eine wirtschaftliche Ausrichtung gefordert. Leitungskräfte müssen deshalb den Weiterbildungsmarkt genau beobachten und zusätzliche Drittmittel oder Projektgelder einwerben.

Drittens werden durch knapper werdende Mittel Kooperation und Vernetzung immer wichtiger. Außerdem gibt es neue Angebote für die Übergänge im Bildungssystem: zwischen Schule und Weiterbildung, in Betriebe hinein, für Erzieherinnen, offenen Ganztag oder in der kommunalen Verwaltung. Lebenslanges Lernen hat eine neue Dynamik bekommen.

Welche Kompetenzen sind dafür notwendig?

Neben Führungskompetenzen wie Selbststeuerung, Initiative und Kommunikationsstärke sind betriebswirtschaftliche Fähigkeiten unabdingbar geworden. Da die gemeinwohlorientierte Weiterbildung immer wieder von Mittelkürzungen bedroht ist, benötigen Sie Beharrlichkeit, Überzeugungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen. Als Leitungskraft müssen Sie Lobbyarbeit für die eigene Einrichtung betreiben.

Ist der Druck von Wirtschaftlichkeit eine Gefahr für den Bildungsauftrag?

Das kann eine Gefahr sein. Leitungskräfte in der öffentlich geförderten Weiterbildung müssen einerseits den gemeinwohlorientierten Bildungsauftrag erfüllen, andererseits wirtschaftlich arbeiten. Deshalb werden oftmals über Einnahmen aus lukrativen Programmbereichen andere Angebote finanziert, die kein Geld einbringen, aber gesellschaftlich wichtig sind, wie zum Beispiel Alphabetisierungskurse für Erwachsene. 

Was sollten Leitende gerne und gut tun?

Sie sollten offen und neugierig auf neue Themen, Zielgruppen und Formate sein. Wichtig ist Freude am Kontakt mit unterschiedlichen Personengruppen wie Dozenten, Teilnehmenden, Kommunalpolitikerinnen, Kooperationspartnern oder anderen Akteuren in der Stadt.

Ein Großteil des Arbeitsalltags besteht darin, Kontakte herzustellen, zu vermitteln, Räume und Ressourcen zu beschaffen. Immer wieder müssen sie Prozesse koordinieren und schnelle Lösungen finden, wenn beispielsweise Dozentinnen kurzfristig ausfallen. Darüber hinaus stehen Leitungskräfte, vor allem von Volkshochschulen, in der Öffentlichkeit.

  • Jobs in Volkshochschulen
  • Kritik: Volkshochschulen sind in der Vergangenheit auch in die Kritik geraten, weil Dozentinnen und Dozenten ein vergleichsweise niedriges Honorar erhalten. Besonders im Bereich der Deutsch- und Integrationskurse wird auch über Scheinselbstständigkeit diskutiert.
  • Attraktive Jobs: Stellen in der Geschäftsführung und Fachbereichsleitung sind in der Regel nach Tarifvertrag (TVöD) vergütet, viele davon unbefristet.
  • Aktuelle Stellen: Im WILA Arbeitsmarkt finden sich die festen Stellen im Tätigkeitsbereich 2.

Welches sind typische Aufgaben im Job?

Einrichtungsleitungen müssen vor allem die gesamte Organisation mit ihren unterschiedlichen Bildungsangeboten im Blick behalten und managen. Typische Aufgaben sind deshalb Strategieentwicklung, Controlling, Qualitäts- oder Personalmanagement. In größeren Einrichtungen kümmern sich Fachbereichsleitungen um Programm- und Angebotsplanung, Auswahl und Betreuung von Dozentinnen. In kleineren Einrichtungen betreuen Leitungskräfte häufig neben der Gesamtleitung auch einzelne Fachbereiche.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Das ist ein großes Thema. Für Leitungskräfte liegen die Herausforderungen im Marketing: Wie bewerbe ich neue Bildungsangebote und erreiche neue Zielgruppen? Die Digitalisierung betrifft aber auch interne Abläufe und Verwaltung. Und schließlich geht es um neue Bildungsprozesse wie E-Learning, Massive Open Online Courses (MOOCS) oder Open Educational Resources (OER). Wie können Präsenzphasen mit selbstorganisiertem Lernen auf Plattformen kombiniert werden, wie kann digitale Lernberatung stattfinden?  Kompetenzen im Bereich digitaler Medien sind aktuell sehr gefragt.

Wie sehen Sie die Zukunft dieser Leitungsfunktion?

In den nächsten Jahren wird eine ganze Altersgruppe die Einrichtungen verlassen, die in den 70er- und 80er-Jahren ihre berufliche Laufbahn begonnen hat. Hier findet ein „Generationenwechsel“ statt, deshalb finden Sie aktuell viele Stellenausschreibungen dazu. Zwar streichen finanzschwache Kommunen auch Stellen oder fassen Aufgabenbereiche zusammen. Da aber die gemeinwohlorientierte Weiterbildung durch Flucht und Migration stark in den Fokus der politischen Aufmerksamkeit gerückt ist, wird neues Personal gebraucht. In Moment stehen die Chancen gut, sich im Weiterbildungsbereich zu etablieren, auch als Quer- oder Seiteneinsteiger.

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