"Ein MBA ist keine Garantie fürs Weiterkommen"
Für die einen ist es der Karriereturbo, für die anderen eine "Risikoqualifikation": Weiterbildungsberater Christoph Boldt erklärt, wann ein MBA Sinn macht - und wann nicht.
Christoph Boldt ist Sozialwissenschaftler und arbeitet seit fast sechs Jahren als Berater beim Dortmunder Weiterbildungsforum e.V., wo er sich unter anderem auf die Beratung zur beruflichen Entwicklung und Karriereplanung spezialisiert hat.
WILA Arbeitsmarkt: Welche Rolle spielt das Thema MBA in Ihrer Beratung?
Christoph Boldt: Meiner Einschätzung nach geht es bei jedem zehnten der Studienabsolvent/innen, die ich berate, um das Thema MBA. Tatsächlich ist der MBA ein gutes Instrument für diejenigen, die bereits ohne Fortbildung eine gute Chance haben, in ihrem Unternehmen weiterzukommen.
Für Andere jedoch ist er – ähnlich wie der Doktortitel – eine Risikoqualifikation, die teilweise inflationär beworben wird, aber deren Nutzen immer noch nicht eindeutig belegt ist.
In welchen Fällen raten Sie zum MBA?
Für Interessent/innen, die die Option haben, im strategischen Management oder im oberen operativen Management eines Unternehmens weiterzukommen, kann der MBA eine interessante Möglichkeit sein. Denn der MBA stellt sehr gutes und kompaktes Wissen in einer Form bereit, die meines Erachtens aufgrund der üblicherweise stärkeren Praxisorientierung vom Niveau über dem oft noch verschult anmutenden Master liegt.
Wann entscheiden sich Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen typischerweise dafür?
Bei Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen geht es häufig um spezielle Studienangebote. So gibt es beispielsweise Psycholog/innen, die in Pflegeunternehmen arbeiten, dann den MBA in Pflegemanagement machen und schließlich die Einrichtung leiten. Und es gibt auch MBA-Programme, die gezielt auf die Leitung eines Bildungsunternehmens vorbereiten, was etwa für Pädagog/innen mit einem Faible für Ökonomie und entsprechenden Karriereentwicklungschancen interessant sein kann.
In welchen Fällen raten sie generell von einem MBA ab?
Es gibt zwei Schwerpunktgruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt etwas schwieriger haben. Diejenigen, die sehr viel Berufserfahrung haben, deren Abschlüsse aber lange zurückliegen, sind oft nicht mehr bereit, noch etwas Neues zu lernen. Und diejenigen, deren Abschlüsse noch nicht lange zurückliegen, haben oft alles Mögliche gemacht, den Berufseinstieg aber noch nicht geschafft. Häufig erhoffen sich diese Menschen, dass der MBA ihnen Tür und Tor öffnet. Aber das ist in der Regel nicht so einfach. Häufig beobachte ich, dass bei solchen Interessent/innen Anspruch und Wirklichkeit nicht zueinander passen. Berufserfahrung ist sehr wichtig, um die Abläufe in einem Unternehmen zu kennen.
Sie raten also davon ab, mit dem MBA einen neuen Schwerpunkt im eigenen Lebenslauf zu setzen?
Ja, davon rate ich ab. Gerade MBA-Programme, die inhaltlich sehr spezialisiert sind, empfehle ich nur Interessent/innen, die eine reelle Chance haben, später in dem gewünschten Bereich zu arbeiten. Denn man wird nicht zum Vorstandsvorsitzenden oder zum Aufsichtsratsmitglied gewählt, weil man als pädagogische Fachkraft in einer Bildungseinrichtung für hohe Arbeitsmarktintegrationsquoten bei arbeitslosen Menschen gesorgt hat. Die Kunst ist es, das Vertrauen zu gewinnen, dass man eine Position ausfüllen kann.
Deshalb sind Vertrauensnetzwerke wichtiger als Studieninhalte. Ich muss wissen, wie ich den Vorstand davon überzeugen kann, dass ich für die angestrebte Position geeignet bin. Hier zeigt sich für Sozial- und Geisteswissenschaftler häufig auch ein Problem: Wenn ich an einer Fachschule für Sozialpädagogik mein Abitur gemacht, dann Geisteswissenschaften studiert und nie Einblicke in Wirtschaftsthemen erhalten habe, kann es natürlich passieren, dass ich im MBA an den kaufmännischen Anforderungen oder den eigenen Lernbefindlichkeiten scheitere.
Deshalb arbeite ich auch in meiner Beratung mit verschiedenen Verfahren der Kompetenzbilanzierung, um zu schauen, ob die Ratsuchenden von ihrer Persönlichkeitsstruktur sich auch mit den Inhalten eines MBA d’accord erklären können.
Es gibt also viele, die nach dem MBA immer noch keinen Job finden oder auf ihrer alten Stelle bleiben?
Ja, und manche Leute scheitern aus psychologischen und/oder habituellen Gründen. Wenn der Vorgesetzte der Ansicht ist, dass Sie in einem Job gut sind, in einem anderen jedoch nicht erfolgreich sein werden, haben sie schlechtere Aufstiegschancen.
Hier kann man dann auch im Zweifel über einen Unternehmenswechsel nachdenken. Ob der Chef nach objektiven Kriterien Recht hat oder nicht, spielt nämlich eine untergeordnete Rolle – wenn er Sie in einer Position halten will, hilft auch das Studium nicht unbedingt weiter, um ihm zu zeigen, dass Sie für eine administrative Position geeignet sind. Andererseits machen viele Ratsuchende mit entsprechenden Aufstiegsproblemen im Laufe des Studiums eine Persönlichkeitsentwicklung durch, die Ihnen dabei helfen kann, doch noch die gewünschte Position zum Beispiel in einem anderen Unternehmen zu erreichen oder eben zu erkennen, dass sie doch nicht für eine Führungsposition geeignet sind.
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