„Englisch gilt als Erweiterung der Muttersprache“
Auf in die Welt - und die richtige Sprache direkt im Gepäck. Foto: Fotolia.de / Contrastwerkstatt

„Englisch gilt als Erweiterung der Muttersprache“

Welche Fremdsprachen helfen bei Bewerbungen und im Job weiter? Vor allem die, die auch Spaß machen, sagt der Spracheninstitutsleiter Klaus Waschik.

Das Landesspracheninstitut Nordrhein-Westfalen (LSI), das seit 2007 zur Ruhr-Universität Bochum gehört, macht Berufstätige in wenigen Wochen fit für ihre Auslandseinsätze. Und auch der Geschäftsführende Direktor, Dr. Klaus Waschik, lernt gerade seine sechste Sprache. Mit ihm sprach Saskia Eversloh. 

WILA Arbeitsmarkt: Wer kommt zu Ihnen ins LSI?   

Klaus-Waschik_LSIKlaus Waschik: Neben Studierenden, die ihre literatur- und sprachwissenschaftlichen Studiengänge durch aktive Sprachpraxis ergänzen wollen, kommen vor allem zwei Gruppen von Berufstätigen: Wirtschaftsvertreter und Ingenieure des gehobenen Managements, die sich bei uns insbesondere auf ihre Einsätze in China, Russland, Japan oder im arabischen Raum vorbereiten – und Personen, die im öffentlichen oder auch diplomatischen Dienst tätig sind.

Darunter sind viele Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler, die in Stiftungen, sozialen Einrichtungen oder der öffentlichen Verwaltung arbeiten. Außerdem sehr viele Journalisten, wir haben hier die meisten ARD- und ZDF-Auslandskorrespondenten für Russland, China, Japan und den Nahen Osten ausgebildet.

Was sind die Arbeitssprachen der Zukunft?

Entscheidend sind nicht die absoluten Zahlen, sondern Angebot und Nachfrage. Man sollte sich dafür folgende Frage beantworten: Welche Sprachen sind perspektivisch für mich karrierefördernd in meinem Berufsfeld? Wie positioniere ich mich, bin ich der Einzige oder kann jeder Dritte diese Sprache? Und: Zu welchen Ländern und Kulturen habe ich eine gewisse Affinität?

Mit dem Beruf ist ja schon eine gewisse Vorentscheidung gefallen, welche Sprachen in Frage kommen könnten. Dabei sollte man auf keinen Fall auf kurzfristige Trends setzen, sondern sich an mittel- und langfristigen Entwicklungen orientieren. Nicht zuletzt ist das persönliche Interesse eine gewisse Garantie, sprachlich mehr als andere erreichen zu können.

Braucht man überhaupt noch Fremdsprachen, wenn sich alle Welt auf Englisch verständigt?

Das Englische ist heute keine Fremdsprache mehr, sondern in gewisser Weise eine Erweiterung der Muttersprache. Englisch wird von allen Akademikern auf einem guten Niveau erwartet. B1/B2 ist die Minimalvoraussetzung – sonst sinkt man unter die Seriositätsschwelle, mit der man im Beruf souverän auftreten und die Interessen des Arbeitgebers vertreten kann.

Besser ist natürlich C1 des europäischen Referenzrahmens, C2 entspricht dann schon der Muttersprache. Englisch ist heute jedenfalls nicht mehr distinktiv für eine Bewerbung – für einen Wettbewerbsvorteil ist mindestens eine zweite Fremdsprache unerlässlich.

Nach den aktuellen Auswertungen des WILA Arbeitsmarkt liegt für Geisteswissenschaftler das Spanische auf Rang drei gleich hinter Französisch. Wozu würden Sie raten?

In den letzten fünf bis sieben Jahren ist die Wahl des Französischen innerhalb der Romanistik an den Universitäten zurückgegangen, während die Hispanistik boomt – am Arbeitsmarkt aber hat das Französische eine gewisse Renaissance erfahren. Es werden zwar nicht unbedingt mehr Stellenangebote mit Französischkenntnissen ausgeschrieben, aber es hat eine Verknappung der Bewerber stattgefunden.

Außerdem muss man die Entwicklungen der Europäischen Union im Auge behalten: Französisch wird als zentrale Sprache Europas sicher eine Aufwertung erfahren, vor allem in einer EU, die sich stärker auf ihren deutsch-französischen Kern besinnt. Außerdem ist zu erwarten, dass sich Deutschland mehr in Afrika engagieren wird, und viele dieser Länder sind nach wie vor französischsprachig. Mit der beruflichen Perspektive Lateinamerika ist Spanisch natürlich weiterhin unverzichtbar.

Gleich nach den gängigen Schulsprachen Englisch, Französisch und Spanisch sind in den Ausschreibungen für Geisteswissenschaftler Arabischkenntnisse gefragt – die Nachfrage hat sich dem Wila Bonn zufolge fast vervierfacht.

Auch am LSI hat die Nachfrage nach Arabisch in den letzten Jahren stark zugenommen. Dabei handelt es sich – neben Studierenden der Arabistik – vor allem um Berufstätige, die mit Flüchtlingen arbeiten oder in Initiativen engagiert sind und schnell eine gewisse Basiskommunikation brauchen. Die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund hat ja gerade erst begonnen, an Schulen, in der Ausbildung, im Studium und vor allem auf dem Arbeitsmarkt steht sie noch bevor.

Für Deutsche, die Arabisch lernen, gilt, dass es nicht nur um die Sprache selbst geht. Ebenso wichtig ist es, die kulturellen, sozialen und politischen Hintergründe – und auch, wenn sie sich untereinander unterhalten – verstehen und einordnen zu können. Auch für Auslandseinsätze wird die Nachfrage nach Arabisch weiter zunehmen. Diejenigen Länder, die sich jetzt noch in kriegerischen Handlungen befinden und oft zerstört sind, müssen irgendwann wieder aufgebaut werden, und da wird eine Unterstützung durch Deutschland, etwa in der Bildung oder im Umweltschutz, vonnöten sein.

Aber ist es denn überhaupt realistisch, als Erwachsener – und das auch noch neben dem Beruf – eine so ausgefallene Sprache wie Arabisch zu lernen?

Drei Tage dauert unser kleinster Intensivkurs „Einstieg für die Arbeit mit Flüchtlingen“ hierzulande und auch ein erstes Survival-Training für den Einsatz vor Ort. Die regulären Kurse dauern zwei Wochen mit je 60 Unterrichtsstunden plus Nacharbeiten – damit ist man in 8 Wochen „Modern Standard Arabic“ verglichen mit dem Europäischen Referenzrahmen etwa auf Niveau B1. Dann können Sie so sprechen, dass man Sie versteht. Mit dem eigenen Hörverständnis ist es natürlich schwieriger, weil im Arabischen unterschiedliche Dialekte gesprochen werden, mit denen man sich speziell beschäftigen muss.

Welche aktuellen Trends sehen Sie noch?

Neben Arabisch wird auch Farsi, die persische Sprache, in den Bereichen Kultur und Soziales von Bedeutung sein, Farsi ist weitgehend identisch mit Dari/Afghanisch. Farsi wird zukünftig wegen der geopolitischen Lage und wirtschaftlichen Situation des Iran interessant, was allerdings von den weiteren politischen Entwicklungen in dieser Region abhängt. In der Wirtschaft können neben Chinesisch auch andere Sprachen Südostasiens, wie das Vietnamesische oder Indonesische, zukünftig an Bedeutung zunehmen. 

Wie sieht es denn mit den EU-Sprachen aus?

Portugiesisch ist in Hinblick auf wirtschaftlichen Potenziale in Brasilien von Interesse, wenngleich der Hype um Portugiesisch etwas abgeflaut ist. Italienisch ist selbstverständlich in allen Sektoren der Kultur, des Kulturmanagements und des Tourismus.

Leider sinkt die Nachfrage nach Italienisch, wie auch nach Türkisch, vielleicht auch deshalb, weil es in Deutschland eine hohe Anzahl Türkischstämmiger gibt, die hier aufgewachsen und in die Schule gegangen sind und Türkisch auf einem guten Niveau sprechen. Ein ähnliches Phänomen haben wir beim Russischen: Die Kinder der Russlanddeutschen, die seit dem Beginn der 1990er Jahre nach Deutschland ausgewandert sind, sind jetzt über 30 und stehen im Berufsleben.

Sie sind täglich mit Studierenden und Berufstätigen zusammen, die die Sprachen für ihren Beruf lernen. Wie werden die Kenntnisse im Bewerbungsgespräch abgefragt?

Bewerber sollten darauf vorbereitet sein, dass manche Arbeitgeber ohne Ankündigung urplötzlich eine Frage in der Fremdsprache stellen. Diese Überrumpelungstaktik ist nicht sehr professionell seitens der Einstellenden, schließlich sprechen wir ja im Berufsleben nicht unter Schock, sondern unter normalen Bedingungen.

Grundsätzlich ist die praktische Überprüfung von Fremdsprachenkenntnissen aber ein normaler Bestandteil des Bewerbungsgesprächs. Stellt man sich bei ausländischen Vorgesetzten vor, so spielen sicherlich auch die interkulturellen Elemente, wie der Umgang mit dem (potenziellen) Vorgesetzten und das Verhalten als Untergebener, eine entscheidende Rolle. 

Sie sind jetzt 63 Jahre alt. Welche Sprache haben Sie denn zuletzt gelernt?

Zurzeit beschäftige ich mich, durch unser Institut bedingt, mit Chinesisch – auch wenn ich das neben dem Beruf zeitlich nur sehr eingeschränkt schaffe. In der Schule standen Latein, Englisch, Französisch und Russisch auf dem Lehrplan. An der Universität dann Russisch noch einmal umfassend, aus privaten Gründen kam noch Italienisch hinzu. Leider habe ich nicht immer die Gelegenheit, alle Sprachen zu praktizieren.

Übrigens sind viele unserer Teilnehmer und Teilnehmerinnen über 45 Jahre, unser ältester Teilnehmer war weit über 80 Jahre alt und hat durchaus erfolgreich gelernt. Es stimmt einfach nicht, dass man im fortgeschrittenen Alter keine Sprachen mehr lernen kann. Das Gedächtnis, das nicht mehr funktioniert, ist meist ein Mythos – und reine Selbstbegrenzung.

Vielen Dank! 

Sprachen in der Bewerbung 

  • Mit dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ hat der Europarat zehn Niveaus von A1 bis C1/C2 definiert, um Sprachkompetenz und Sprachkurse in Europa vergleichbar zu machen. In Stellenanzeigen finden diese Stufen aber in der Regel keine Verwendung, sondern müssen in andere Formulierungen übersetzt werden. Gängige Sprachnachweise sind Zertifikate wie TOEFL-Test oder Cambridge Certificate (Englisch), DELF/DALF (Französisch) oder TELC (Spanisch).
  • Wie A1 bis C2 in einer Bewerbung zu übersetzen sind oder wie man sich gleich auf Englisch bewirbt, dazu geben die Bewerbungscoachs Christian Püttjer und Uwe Schnierda umfassende Ratschläge.
  • Einen Selbsteinschätzungstest für über 40 europäische Sprachen stellt der Europarat kostenlos zur Verfügung.
  • Wer auch ohne Kurs ein Sprachzertifikat nach Europäischem Referenzrahmen vorweisen möchte, kann für Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch den (kostenpflichtigen) Online-Test von Bulats machen.
  • Wer sich innerhalb der EU bewerben möchte, kann den Europass für Anschreiben, Lebenslauf und Sprachkenntnisse als Anregung nehmen. Allerdings heißt es hinterfragen: So wenig wie der europäische Referenzrahmen in deutschen Ausschreibungen genutzt wird, so oft fallen Bewerbungen ohne Foto hierzulande durchs Raster. 
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