Nach nur zwei Monaten den Quereinstieg in die IT schaffen
Ein Dienstleister macht Absolvent/innen aller Fachrichtungen fit für einen Job in der IT-Branche – mit nur acht Wochen Schulungszeit und einem begleiteten Berufseinstieg.
Interview: Janna Degener
Auch ohne Informatikstudium in die IT: Das ist die Idee hinter der so genannten „Calco MasterClass“, die Absolventinnen und Absolventen aller Fächer offen steht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren eine zweimonatige theoretische Ausbildung in den Niederlanden und arbeiten sich dann 18 Monate in ein Unternehmen ein. Die Geisteswissenschaftler Robert Matz und Joyce Baron-Koetsier haben sich dafür entschieden.
WILA Arbeitsmarkt: Warum haben Sie sich nach Ihrem geisteswissenschaftlichen Studium für die Calco MasterClass entschieden?
Robert Matz: Nach meinem Bachelor in European Management und meinem Master mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Europäischer Politik habe ich in meiner Heimat, dem Raum Nürnberg, eineinhalb Jahre lang erfolglos eine Stelle gesucht. Über Freunde, die ich während meines Studiums in den Niederlanden kennengelernt hatte, hörte ich dann von der Calco MasterClass. Ich hatte Jahre zuvor als Jugendlicher schon ein bisschen mit HTML gearbeitet und fand es spannend, mehr über die technischen Entwicklungen zu lernen, die hinter dem Umbruch unserer Gesellschaft stehen.
Im Rahmen der ersten zwei Wochen als Trainee fand ich heraus, dass ich ein sehr guter Programmierer bin. Doch dann merkte ich, dass bei Calco noch jemand fehlte, der das Koppelstück zwischen den Niederlanden und Deutschland sein kann, sodass ich innerhalb des Unternehmens wechselte und mich jetzt um die Bereiche Marketing und Recruiting kümmere.
Joyce Baron-Koetsier: Mir war schon während des Studiums in Korean Studies klar, dass ich nicht in der Wissenschaft bleiben wollte. Als ich dann nach meinem Abschluss ein Jahr lang reiste und in sozialen Projekten tätig war, wurde mir bewusst, dass ich auf keinen Fall als Einzelkämpfer arbeiten möchte.
Eine Freundin erzählte mir dann von dem Traineeprogramm, in dem agil, also in kleinen Teams sehr eng zusammengearbeitet wird. Ich entschied mich, es einfach mal auszuprobieren. Ich arbeite jetzt als Trainee in der IT-Abteilung einer Bank. Dass es dazu einmal kommen würde, hätte ich vorher nie gedacht.
Das Programm setzt einen Studienabschluss voraus, die Fachrichtung ist aber völlig egal. Warum?
R. M.: Der Studienabschluss zeigt, dass die Bewerberinnen und Bewerber ein gewisses Maß an analytischen Fähigkeiten mitbringen. Diese benötigen sie, um sich als Trainee in einem Unternehmen schnell in eine neue Materie einzuarbeiten. Auch ein Auge für Strukturen ist sehr wichtig, weil die IT sehr strukturiert arbeitet.
Wie groß ist das Interesse aus den Geistes- und Sozialwissenschaften an dem Programm?
R. M.: Geistes- und Sozialwissenschaftler sind ein normaler Teil des Programms. In den Traineeklassen sitzen Englischlehrer neben Bio-Ingenieuren und Historiker neben Game-Designern. Sie sehen in der IT-Branche einen zukunftsträchtigen Bereich, der ihnen vielleicht mehr Herausforderungen bietet als ihr ursprünglicher Beruf. Einige orientieren sich beruflich auch komplett neu, nachdem sie ihr Studium absolviert oder schon eine Weile in ihrem Beruf gearbeitet haben.
Nach einem achtwöchigen-Crashkurs setzt Calco diese Leute in Unternehmen als ITlerinnen und ITler ein. Wie kann das funktionieren?
R. M.: Die Idee ist aus der Beobachtung entstanden, dass Unternehmen – in den Niederlanden wie auch in Deutschland – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, die gut an der Schnittstelle von Business und IT arbeiten können. Natürlich spielt technisches Know-how eine Rolle, ausschlaggebend für eine erfolgreiche Karriere sind aber die persönlichen Kompetenzen. Deshalb ist das Ziel des Programms, motivierten, wissbegierigen und kommunikativen Menschen die notwendigen technischen Voraussetzungen für solche Tätigkeiten mitzugeben.
Während Absolventen eines IT-Studiums häufig sehr darauf fixiert sind, was technisch möglich ist, bringen Quereinsteiger einen anderen Blick und eine kritische Haltung mit. Sie fragen nach, mit welchem Ziel bestimmte Prozesse auf eine bestimmte Art und Weise durchgeführt werden sollen.
Auf welchen Stellen werden die Teilnehmenden beispielsweise eingesetzt und welche Rolle spielen dabei die genannten Soft Skills?
R. M.: Calco arbeitet in den Niederlanden viel mit Versicherungen und Banken zusammen. Fast alle Tätigkeiten solcher Unternehmen haben heute mit IT zu tun: von der Pflege der Kundendatenbanken über die Entwicklung von Investmentstrategien bis hin zur Erstellung der Bank-App, die vom Kunden genutzt wird. IT ist also ein integraler Bestandteil fast aller modernen Unternehmen, und damit das funktioniert, müssen technisch versierte Menschen in Teams und mit vielen verschiedenen Abteilungen zusammenarbeiten können.
Wie läuft der Bewerbungsprozess ab, und worauf kommt es Calco bei der Auswahl der Trainees an?
R. M.: Das Motivationsschreiben sollte schon darüber informieren, warum eine Person sich für das Programm interessiert. Eine Bewerberin hat vielleicht schon als Jugendliche in der Freizeit Websites programmiert, ein anderer hat sich im Rahmen des Studiums in einem Technikclub engagiert.
Ich selbst habe zum Beispiel als Schatzmeister für eine Studentenvereinigung mit Excel gearbeitet. Und viele begeistern sich einfach für Computerspiele. Calco führt mit jedem Bewerber und jeder Bewerberin zunächst ein kurzes Telefongespräch durch, um den Prozess zu erklären und bei Bedarf Fragen zu beantworten.
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Dann findet ein Assessment-Tag mit einem analytischen Test und einem Persönlichkeitstest statt. Bewerber und Bewerberinnen aus dem Großraum Frankfurt werden dazu von Calco eingeladen, alle anderen können die Tests online absolvieren.
Beim Analytik-Test müssen Zahlen- und Bilderreihen sowie Textaufgaben bearbeitet werden. Beim Persönlichkeitstest geht es vor allem darum, ob eine Person lieber allein oder mit anderen Menschen zusammenarbeitet und ob sie Projekte gerne zu Ende bringt oder lieber ein Stück weit begleitet und dann delegiert.
Wer den Analytik-Test besteht, wird zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Auch hier wollen wir vor allem wissen, warum die Personen im IT-Bereich arbeiten möchten und wie sie diese Motivation kommunizieren können. Der komplette Auswahlprozess vom Einreichen der Unterlagen bis zur Kommunikation der Entscheidung dauert im Schnitt zwei Wochen.
Der zweimonatige Crashkurs findet dann im niederländischen Utrecht statt. Was lernen die Trainees dort?
R. M.: Während der ersten zwei Wochen bekommen die Trainees in Klassen von etwa zehn Leuten eine Einführung in zentrale IT-Themen wie Projektmanagement, Informationsanalyse, Funktionales Design, Programmieren, Testen und Verwalten. Danach folgt eine technische Vertiefung dieser Kenntnisse.
In dieser Zeit können die Trainees erste Erfahrungen sammeln und schauen, welche Tätigkeiten ihnen besonders leichtfallen und Spaß machen. Auch Calco sieht dann, in welche Richtung sich die Trainees entwickeln. Auf dieser Basis wird entschieden, welches Spezialisierungsprogramm die Trainees in den kommenden vier Wochen durchlaufen.
Da Calco die komplette Bandbreite an IT-Jobs vermittelt, ist die Vielfalt an Möglichkeiten groß: Wer möchte, kann sich etwa mit dem Software-Lifecycle-Management beschäftigen oder in die technische Infrastruktur eintauchen und Linux-Kenntnisse erwerben. In dieser Phase arbeiten die Trainees vor allem im Selbststudium. Wer also zum Beispiel die Programmiersprache Java erlernt, trifft sich ein- bis zweimal pro Woche mit anderen Trainees, die denselben Schwerpunkt gewählt haben, um sich auszutauschen.
Und nach dieser zweimonatigen Ausbildung kann man in Unternehmen arbeiten?
R. M.: Dann folgt die 18-monatige Einarbeitungszeit in dem Unternehmen, das wir für den Trainee ausgewählt haben. Wir bereiten die Trainees so gut wie möglich auf diesen Einstieg vor. Doch sie müssen sich wie Absolventen, die direkt aus dem Informatik-Studium kommen, in dieser Phase zunächst mit dem Unternehmen und der Stelle vertraut machen.
Welche Aufgaben übernehmen die Trainees in den Unternehmen und wie werden sie angelernt?
R. M.: Das ist ganz unterschiedlich und hängt vom Profil des einzelnen Trainees ab. In jedem Fall steht den Trainees ein so genannter Field Manager zur Seite, der sie regelmäßig trifft und ihnen bei Bedarf Weiterbildungen oder Hilfe bei Problemen anbietet.
Ein Kollege sitzt zum Beispiel im Entwicklungsteam des Finanzdienstleisters ING und entwickelt interne Applikationen. Die Aufgabe hat er direkt nach der theoretischen Ausbildung übernommen, wo ihm die für die individuelle Stelle notwendigen technischen Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden.
Ein anderer Kollege hält für sein Unternehmen Kontakt zu den Dienstleistern, an die IT-Prozesse ausgelagert wurden, um bei Problemen zu unterstützen. Eine Kollegin begleitet verschiedene Teams beim Versicherungskonzern Nationale-Nederlanden dabei, auf die agile Softwareentwicklung umzusteigen.
Und Joyce durchläuft bei der Bethmann Bank in Frankfurt gerade verschiedene Abteilungen, um später als Business Analyst zwischen IT und Business übersetzen zu können. Beim Umzug der Bank vor einiger Zeit hat sie beispielsweise geprüft, welche technischen Anforderungen das Gebäude hat und welche Infrastruktur benötigt wird.
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J. B.: Ich schaue mir die verschiedenen Teams im IT-Bereich an und übernehme kleine Aufgaben, die mir helfen, dieArbeit besser zu verstehen. Anfangs habe ich vor allem Termine koordiniert und Kollegen über agiles Arbeiten informiert. Jetzt helfe ich dabei, standardisierte Prozesse für die Verarbeitung von Online-Anfragen einzuführen, die bisher per Email direkt an die Kollegen gingen.
Wenn Trainees einen Mitarbeiter ersetzen sollen, kann er ihnen natürlich genau seine Aufgaben erklären. Bei mir ist das nicht der Fall, weil meine Stelle neu geschaffen wurde. Die Basisschulungen aus der theoretischen Ausbildung helfen mir, und ich habe auch Kollegen, die ich bei Fragen ansprechen kann.
Vieles läuft im Unternehmen aber auch nach dem Prinzip „Learning by doing“. Ich habe anfangs an vielen Besprechungen und Meetings teilgenommen und Kollegen gebeten, mir ihr Arbeitsfeld zu erklären. Monatlich habe ich ein Treffen mit meinem Field Manager, der mich nach meinen Zielen fragt und Unterstützung anbietet.
Calco verspricht seinen Trainees Sicherheit und Flexibilität beim Quereinstieg in die IT-Branche. Was heißt das konkret?
R. M.: Andere Quereinsteiger-Programme sind auf spezielle Positionen in der IT ausgerichtet, bieten also etwa eine Ausbildung zum Java-Programmierer oder zum Web Developer an. Wir legen unsere Trainees dagegen auf keine Richtung fest, sondern stehen ihnen bei der Orientierung zur Seite und fördern sie entsprechend ihrer Stärken.
Die Trainees erhalten ab dem ersten Tag einen unbefristeten Vertrag mit einem vollen Gehalt und Benefits wie einem Firmenwagen oder einem Ticket für den Nahverkehr, das wie die Arbeit von Calco durch die Arbeitgeber finanziert wird. Auch die Kosten für die Unterkunft in Utrecht übernehmen wir für die zweimonatige Ausbildungszeit.
Nach Ablauf des Programms werden alle unsere Trainees in den Unternehmen, in denen sie eingesetzt sind, direkt übernommen, um dort ihre Karriere fortzusetzen. Dennoch gehen die Trainees keinerlei Verpflichtung ein. Der beste Beleg für die Anerkennung unserer Ausbildung sind sicherlich die 1.500 erfolgreich vermittelten Trainees und die große Zufriedenheit unserer Kunden mit den Trainees. Daneben sind die Zertifikate, die unsere Trainees erwerben, industrieweit anerkannt..