Im Kampf gegen Müllberge
Ob Geografinnen, Biologen oder Absolventinnen und Absolventen der Geowissenschaften: Die Abfall- Recyclingwirtschaft bietet viele verschiedene Tätigkeiten für grüne Fachkräfte.

Im Kampf gegen Müllberge

Stoffbeutel und Mülltrennung sind ein guter Anfang, doch noch nicht genug: Wo Privatpersonen aufhören, fangen grüne Köpfe in Abfallwirtschaft, Forschung und Start-ups an, gegen Ressourcenverschwendung vorzugehen.

Text: Daniela Knoll

 „Alles, was kein Müll ist, ist für uns gut“, sagt Günther Langer. Dabei ist Müll das alltägliche Geschäft des Büroleiters der Werkleitung des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM). „Wir haben sogar den gesetzlichen Auftrag, an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen und Müll zu vermeiden“, erläutert der 59-Jährige. Denn das Prinzip der Müllvermeidung steht in der europäischen fünfstufigen Abfall­hierarchie laut der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ganz oben an erster Stelle.

Günther Langer hat in den 1980er Jahren Geografie an der TU München studiert. 1991 hat er beim AWM als stellvertretender Leiter der Planungsabteilung im Bereich Entsorgung angefangen. Eine der wichtigsten Aufgaben dort war die Standortsuche. „Das ist ein klassisches geografisches Thema“, sagt er und lacht.

Man sucht zum Beispiel nach geeigneten Standorten für Deponien oder Müllverbrennungsanlagen. „Oder man macht Lobbyarbeit oder Verbandsarbeit“, ergänzt Langer, der inzwischen selber Lobbyist in Brüssel ist und die Interessen seines Arbeitgebers vertritt.

Mit Geografiestudium in die Abfallwirtschaft

Bereits im Geografie-Studium hat sich Langer intensiv mit dem Thema Müll auseinandergesetzt. Inhalt seiner Diplomarbeit war die Analyse verschiedener Mülltrennungssysteme.Damals sei das Thema noch „exotisch“ für Geograf/innen gewesen.

Inzwischen gebe es aber relativ viele Fachleute aus diesem Bereich in der Abfallwirtschaft, die neben der Standortsuche auch Abfallberatungen durchführen oder im Marketing tätig sind. Auch Bauingenieure oder Architektinnen werden gesucht, die Wertstoffhöfe planen und entwickeln. Eigentlich werden alle möglichen Arten von Ingenieur/innen gebraucht, weiß Langer – etwa für die Betreuung von Kraftwerken, Deponien oder anderen Anlagen und Bauwerken.

Die Gründe dafür sind plausibel: „Stellen Sie sich vor, ein Kraftwerk fällt aus. Dann müssen wir versuchen, den Müll auf andere Wege zu bringen. Wir müssen mit den Betreibern des Kraftwerks reden können und verstehen, was beispielsweise bei der Dampfaufbereitung schiefgehen kann. Dann brauchen wir einen Verfahrensingenieur, der sich mit Kraftwerkstechnik auskennt.“

Flexible Fachkräfte werden gesucht

Grüne Generalisten sind häufig auch in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Biologische Kenntnisse sind zudem bei der Analyse und Reinigung von Sickerwasser auf Deponien gefragt. Die Berufsbezeichnung im Öffentlichen Dienst trägt dann oft die Bezeichnung „Angestellte im sonstigen Dienst“.  Darüber hinaus nennt Langer IT-Spezialistinnen, Juristen oder Politikwissenschaftlerinnen als wichtige Fachkräfte in der Abfallwirtschaft.

Die Einstiegsgehälter im öffentlichen Dienst seien zwar niedriger als in der Privatwirtschaft. Dafür gebe es aber eine relativ hohe Arbeitsplatzsicherheit. „Wer das mag, kommt zum öffentlichen Dienst“, so der Experte. Seit 2015 leitet Günther Langer „das Büro der Chefs“. Sein Team unterstützt die Werkleitung des AWM in der Pressearbeit, der internen Kommunikation, bei der Strategieentwicklung, führt Qualitätskontrollen durch und hilft bei administrativen Aufgaben.

Ein Studium ist „sicherlich nicht hinderlich“, wenn man Führungsaufgaben wahrnehmen möchte, betont er. Es geht aber auch um Erfahrung, die man mitbringen sollte, und dass man flexibel ist. Wichtig sei zudem, dass man sich in verschiedene Themengebiete einarbeiten kann und Spaß daran hat. Eine gewisse Affinität zur Branche sollte man natürlich ebenfalls mitbringen.

Ein zweites Leben

Der Münchener zählt auf, was vom Abfallwirtschaftsbetrieb eingesammelt wird: Restmüll, Papier, Bio am Haus und dreißig verschiedene Arten von Wertstoffen an den Wertstoffhöfen. „Und dazu braucht es jedes Mal Ingenieure, die sich mit diesen Dingen beschäftigen“, betont Langer.

Dinge, die noch wiederverwertbar sind, werden repariert und im Gebrauchtwarenkaufhaus „Halle 2“ der Stadt München verkauft und bekommen dadurch „ein zweites Leben“. Der umweltbewusste Geograf findet im Prinzip alles gut, was Müll vermeidet: „Das ist ja unser Job.“

190.000 Kaffeepappbecher zählt die bayerische Landeshauptstadt täglich. Um die Flut an Coffee-to-go-Bechern in den Griff zu bekommen, unterstützt die Stadt München Mehrwegpfandsysteme für Kaffeebecher. Statt Einwegbecher aus Plastik oder Pappe werden wiederverwendbare Mehrwegbecher genutzt, die man gegen Pfandgeld ausleihen kann. Wer zum Beispiel morgens auf dem Weg zur Arbeit Kaffee oder Tee zum Mitnehmen kauft, kann den Getränkebecher bei teilnehmenden Shops, Cafés, Händlern oder Restaurants wieder zurückgeben und bekommt sein Pfandgeld zurück.

Abfälle zu vermeiden oder Gegenständen „ein zweites Leben“ zu geben, kommt in immer mehr Köpfen bei der Bevölkerung an. Man benutzt Umhängetaschen aus alten Stoffresten, verwendet Produkte aus wiederaufbereiteten Plastikabfällen oder verzichtet beim Einkauf von Lebensmitteln komplett auf Plastiktüten oder Umverpackungen.

Müllvermeidung im Alltag 

Beim Frankfurter Start-up-Unternehmen „Wildwax Tuch“ setzt man auf das Prinzip der Wiederverwendung. Zusammen mit Freunden und Bekannten hat die Biologin Lotte Schöpf die Firma Wildwax Tuch gegründet. „Plastic is over“ lautet das Motto der Firma. Anstatt Lebensmittel in Frischhaltebeutel aus Kunststoff oder Aluminiumfolie einzuwickeln, werden sie auf nachhaltige Weise in gewachsten Baumwolltüchern verpackt.

„Die Idee mit den Wachstüchern hatte meine Kollegin, Sabrina Kratz, die aus einer Imkerfamilie stammt. Ihre Oma hatte früher immer Tücher in Wachs getränkt und Lebensmittel darin eingewickelt, damit sie länger frisch bleiben. Diesen Gedanken haben wir aufgegriffen und weiterentwickelt.“ Der Dritte im Team ist Lottes Geschäfts- und Lebenspartner Omar Rock.

Der Druck- und Medientechniker hat die Maschinen gebaut und kümmert sich um die Produktion der Bienenwachstücher. Seit 2017 gibt es das Unternehmen. „Wir haben inzwischen zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die tatkräftig mitanpacken und unsere Sache unterstützen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie sehe. Es macht mich total stolz, dass es Menschen gibt, die unsere Sache unterstützen.“

Laborarbeit in der Küche

Lotte Schöpf hat in Frankfurt Biologie auf Diplom mit Schwerpunkt Mikrobiologie studiert. Ihre praktische Erfahrung aus dem Studium konnte sie sinnvoll in die Firmengründung mit einbringen. Sie erinnert sich an die ersten „Laborversuche“ in Sabrinas Küche bei ihr zu Hause: „Wir haben richtige Versuchsreihen mit unterschiedlichen Wachs-Konzentrationen gemacht. So, wie man es im Studium gelernt hat. Auch mein Grundwissen über Bakterien hat mir sehr dabei geholfen.“

Früher konnte sich die umweltbewusste Biologin kaum vorstellen, den ganzen Tag im Büro zu arbeiten. Heute liebt sie die Büroarbeit, sagt sie. Bei Wildwax Tuch kümmert sie sich deshalb um die Arbeitsabläufe der Firma.

Sie sieht Parallelen zu ihrer früheren Labor-Tätigkeit als Biologin: „Organisation hat zwar nichts mit Laborarbeit zu tun. Es ist auch total fachfern. Aber Arbeitsabläufe schachteln, optimieren und Sachen organisieren muss man auch im Labor. Und solche Sachen haben mir eigentlich immer Spaß gemacht.“ Wenn die 35-jährige morgens ihren Tag beginnt, liest sie erst einmal die E-Mails der Firma, bringt die Kinder in die Schule oder umgekehrt. Danach schreibt sie Lieferscheine und Rechnungen für Kund/innen und beantwortet Anfragen.

Um ihre nachhaltigen Lebensmittelverpackungen aus gewachsten Tüchern bekannter zu machen, fahren die drei Gesellschafter/innen Omar Rock, Sabrina Kratz und Lotte Schöpf auch auf Ökomärkte oder auf Fachmessen für faire, nachhaltige und ökologische Produkte. Das sei viel Arbeit gewesen, und anfangs hätte niemand aus dem Team damit gerechnet.

Etwas Sinnvolles tun

Wer zum ersten Mal beim Frankfurter Start-up ein Lebensmitteltuch aus Wachs bestellt, bekommt in der Regel einen dünnen, aber ungewohnt schweren Briefumschlag ins Haus geschickt. Die Wachstücher sehen aus wie buntes Geschenkpapier – feinsäuberlich zusammengefaltet. Das erste Mal ein Butterbrot in etwas einzuwickeln, das nach Bienenwachs und Fichtenharz riecht, ist vielleicht zunächst ungewohnt. Am Geschmack ändert das aber nichts, wie ein Selbstversuch zeigt. Anschließend wird es einfach ausgespült und kann erneut verwendet werden.

Bereut hat Lotte Schöpf den Schritt in die Selbstständigkeit nicht – im Gegenteil. Sie findet, dass ihr Leben durch die Selbstständigkeit bereichert worden ist. Mehr Lebensqualität und mehr Freiheiten habe die Diplom-Biologin dadurch gewonnen. Wenn man eine Geschäftsidee hat, sollte man sich im Team selbstständig machen statt alleine, empfiehlt Schöpf.

„Weil man dadurch auch die Verantwortung im Team besser verteilen und sich gegenseitig motivieren kann. Wichtige Entscheidungen treffen wir beispielsweise immer gemeinsam. Bei manchen Sachen frage ich auch Sabrina oder Omar nach ihrer Meinung, und man findet dann auch oft gemeinsame Lösungsansätze oder Ideen.“

Zurück in die Forschung oder „ins Labor“ möchte Lotte Schöpf nicht mehr: „Immer befristete Verträge, Kleinprojekte. Das war mir zu fachspezifisch alles. Dinge, die ich einfach nicht besonders spannend fand. Obwohl ich mir einen spannenden Bereich, die Biologie, ausgesucht habe.“ Wichtig war ihr immer, etwas Sinnvolles zu tun – und zwar „ohne dogmatisch“ zu sein: „Es geht uns darum, umzudenken. Bewusstsein zu schaffen. Ich muss nicht jeden Tag meine Lebensmittel in Plastik einpacken.“

Das Problem Plastik

Pro Kopf fielen 2016 in Deutschland insgesamt 18,16 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an. Pro Kopf sind das etwa 220,5 Kilogramm. Rund die Hälfte des Verpackungsmülls stammt von privaten Endverbraucher/innen. Zu diesen Ergebnissen kommt das Umweltbundesamt (UBA) in seinem jährlichen Bericht über Verbrauch und Verwertung von Verpackungen.

Immerhin: Die Recyclingquote ist hier vergleichsweise hoch. Sie liegt laut UBA bei rund 70 Prozent. Bei Holz und Kunststoffen gebe es allerdings noch viel Potenzial nach oben. Kunststoffverpackungen seien aufgrund der Materialvielfalt schwierig zu sortieren, und so wird gerade einmal knapp die Hälfte recycelt. Mit dem neuen Verpackungsgesetz, dass zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt, soll das Kunststoffrecycling allmählich gesteigert werden. So werden zunächst 58,5 Prozent anvisiert, und ab 2022 sollen es 63 Prozent sein.

 

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Ein häufig verwendeter und recycelter Kunststoff ist PET. PET ist die Abkürzung für Polyethylenterephthalat – das ist ein thermoplastischer Kunststoff, der unter anderem für Lebensmittelverpackungen, Textilien (Polyester) oder für medizinische Prothesen eingesetzt wird. Viele Getränkeflaschen bestehen beispielsweise aus PET und werden in Deutschland über das Flaschenpfand dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt.

Professor Dr.-Ing. Thomas Rieckmann vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule in Köln entwickelt Anlagen und Verfahren, um Kunststoffe wie PET zu recyceln. Der Forscher zeigt auf eine durchsichtige Kunststoffflasche mit bunten Plastikschnipseln aus PET-Abfällen, die in einem Regal in seinem Büro steht. „Wir entwickeln Prozesse, um geschlossene Materialkreisläufe zu entwickeln. Insofern führt der Prozess des PET-Recyclings zu einer Verringerung der Mülllast.“

Dennoch landet PET weltweit immer noch in Ozeanen, was umwelttechnisch ein großes Problem darstellt. Im Gegensatz zu Polyethylen (PE), das leichter als Wasser ist, sinkt Polyethylenterephthalat (PET) – genauso wie Polycarbonat oder Polysterol – nämlich auf den Grund des Ozeans. „Und da bleibt es. Und zwar sehr lange“, verdeutlicht Rieckmann.

Quereinstieg mit Masterstudium

Der 58-jährige Verfahrensingenieur bezeichnet die von ihm ausgebildeten Studierenden und sich selbst gerne als „Technikgestalter“. Auch Chemieingenieure oder Umwelttechnikerinnen zählt er dazu, um nur einige Beispiele zu nennen. Rieckmann hat schon viele Studierende an der Technischen Hochschule Köln durch das Studium begleitet und Masterarbeiten betreut – oft auch in Zusammenarbeit mit der Industrie.

Als Studiengangsleiter weiß er, welche fachlichen Voraussetzungen zukünftige Masterstudierende am Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik mitbringen sollten: „Der Studiengang ist offen für Quereinsteiger. Bei uns studieren Leute, die haben nachhaltige Umweltprozesstechnik studiert oder International Engineering, Technische Chemie, Bioverfahrenstechnik, Lebensmitteltechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Erneuerbare Energien, und so weiter.“

Die Unterschiede in den Curricula seien gering. „Die Studierenden können aufsatteln und sich zum Beispiel mit Dingen beschäftigen wie Kunststoff recyceln, Müll aufbereiten oder dergleichen mehr. Aber das nennt sich am Ende immer noch Verfahrenstechnik.“

Spezialisierte Masterstudiengänge

Es gibt einige Masterstudiengänge, mit denen sich Studienabsolvent/innen, die bereits einen berufsqualifizierenden Bachelor- oder Diplomstudiengang erfolgreich abgeschlossen haben, weiterqualifizieren können. Wer sich zum Beispiel auf Entsorgung von Sondermüll oder Altlasten spezialisieren möchte, findet an der Hochschule Osnabrück den Masterstudiengang „Boden, Gewässer, Altlasten“.

Das Studium könnte für diejenigen interessant sein, die mit technischer Verfahrenstechnik oder mit Maschinenbau bisher wenig Erfahrung gesammelt haben. Dazu gehören beispielsweise Geografen, Landschaftsökologinnen, Landschaftsplaner, Umwelt- oder Geowissenschaftlerinnen.

An der Technischen Hochschule Hamburg gibt es umweltbezogene Masterstudiengänge wie „Energie- und Umwelttechnik“, „Wasser- und Umweltingenieurwesen“ oder “Environmental Engineering“. Wer sich für Nachhaltiges Bauen, Wasserwirtschaft, Verfahrenstechnik oder Recycling interessiert, kann zum Beispiel Umweltingenieurwissenschaften M. Sc. an der RWTH Aachen studieren.

Professor Rieckmann empfiehlt allen, die sich tiefergehender in einem Masterstudium spezialisieren möchten, Folgendes: „Schauen Sie nicht auf das Ranking der Hochschule, nicht auf den Namen oder den Titel des Masterstudiengangs. Gehen Sie auf die Webseite und schauen Sie, wer dort lehrt. Welche Arbeitsgebiete vertreten die Professoren? Ist es ein Bereich, der interessant für Sie ist?”

Arbeiten in einer internationalen Branche

Wenn man sich spezialisiert, konkurriert man laut Rieckmann „mit der ganzen Welt“. Internationalität sei typisch für die Entsorgungsbranche. Arbeiten können Verfahrenstechniker, Chemieingenieurinnen oder Bioverfahrenstechniker zum Beispiel bei Anlagenplanungsunternehmen, Ingenieurbüros, Entsorgungsunternehmen oder kommunalen Entsorgern.

Manche Einzelhandelsketten recyceln ihre PET-Flaschen sogar selber und kommen daher auch als Arbeitgeber infrage, weiß der Experte. Die Einstiegsgehälter hängen häufig davon ab, nach welchem Tarifvertrag man bezahlt wird – sofern man nach Tarif bezahlt wird.

So verdient nach Angaben eines Gehaltstests des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zum Beispiel ein/e 29-jährige/r Verfahrensingenieur/in (Bachelor) mit zwei Jahren Berufserfahrung als „Fachingenieur/in, Projektingenieur/in (Teilnehmer/in eines Projektteams)“ in einem kleineren Unternehmen der Müllauf- und verarbeitung ohne Tarifbindung sowie ohne Mitarbeiterverantwortung im Schnitt etwa um die 55.000 Euro pro Jahr. Berechnungsgrundlage für dieses Ergebnis sind Jahresgehälter von 16.270 Beschäftigten. Der Gehaltstest des VDI steht online zur Verfügung: www.ingenieur.de/gehaltstest.

Recyclingmethoden entwickeln

„Aufgesattelt“ im Bereich Kunststoffrecycling hat auch die Ingenieurin Katharina Göbel. Sie ist Verfahrenstechnikerin und seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Rieckmann. Ein wesentlicher Teil ihrer Forschungsarbeit findet im verfahrenstechnischen Labor statt: „Die experimentelle Arbeit im Kunststoff-Recycling ist unumgänglich. Weil man aufgrund der Heterogenität der Ausgangsstoffe weniger Vorhersagen treffen kann, wie sich die Stoffe beim Recycling verhalten.“

Studiert hat die 32-Jährige bis 2008 Prozessverfahrenstechnik am Umweltcampus Birkenfeld in Trier. Anschließend hat sie an der TH Köln ihren Master gemacht. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsumfeld Kunststoff-Recycling bei Professor Rieckmann erstellt sie beispielsweise Versuchspläne, entwickelt Lösungsstrategien, ist in der Labor-Analytik tätig, recherchiert Patente, plant, beschafft und baut Versuchsanlagen auf und nimmt sie in Betrieb. Ihre Forschungsergebnisse kommuniziert sie mit Projektpartnern oder mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

„Natürlich ist jedes Projekt anders. Klassischerweise geht es dabei um Prozessentwicklung, Machbarkeitsstudien, Prozessoptimierung oder Produktentwicklung. „Interessant ist auch, dass viele Forschungsthemen in enger Kooperation mit der Industrie und zusammen mit den Studierenden entstehen. Wir arbeiten eng mit den Studierenden zusammen. Forschendes Lernen nennen wir das. Das Schöne an der Hochschule ist auch, dass man immer wieder neue Projekte hat, an denen man arbeiten kann.“

Recycling für die Baubranche

Recycelt wird nicht nur im Kunststoffbereich. Auch in der Baubranche werden stetig mehr Wertstoffe recycelt und umweltschonend wiederverwertet. Eberhard Fritz von der baden-württembergischen Baustoff- und Betonrecyclingfirma Heinrich Feeß ist stolz darauf, bei einem Unternehmen zu arbeiten, das sich aktiv für den Schutz von Umweltressourcen einsetzt.

Im Jahr 2016 hat die „Heinrich Feeß GmbH & Co. KG“ aus Kirchheim unter Teck den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umweltschutz (DBU) für ihren nachhaltigen Einsatz verliehen bekommen, Bauabfälle zu recyceln und somit natürliche Umweltressourcen wie Steine, Ton oder Erden zu schonen. Die Firma hat sich auf die Herstellung von Recycling-Gesteinskörnungen spezialisiert, die aus „geschredderten“ beziehungsweise gebrochenen Beton- und Bauschutt-Abfällen bestehen. Recycling-Gesteinskörnungen verwendet man unter anderem für Recycling-Beton, kurz RC-Beton.

200 Millionen Tonnen Bauschutt

2014 erfasste das Umweltbundesamt statistisch rund 202 Millionen Tonnen mineralische Baurestabfälle – dazu gehören Bauschutt, Straßenaufbrüche mit Böden und Steinen, Gipsabfälle oder andere mineralische Baustellenabfälle. Sie stellen mengenmäßig die wichtigste Abfallgruppe in Deutschland dar.

Fritz, der in Heidelberg und Stuttgart Geologie studiert hat, nimmt einen Taschenrechner in die Hand und rechnet die immense Abfallmenge in die Einheit voll beladene LKWs um. Damit man sich besser vorstellen kann, wieviel Abfälle jedes Jahr auf Deutschlands Straßen herumfahren. Fritz rechnet laut vor: „200 Millionen Tonnen Bauschutt entsprechen ungefähr acht Millionen LKW-Ladungen. Bei einer LKW-Länge von 15 Metern sind das 120 Millionen, geteilt durch Tausend sind 120 Tausend Kilometer, wenn man die LKW hintereinanderstellt.“ Das entspricht in etwa einem LKW-Stau, der mindestens drei Mal um die Erde reichen würde.

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Seit sieben Jahren arbeitet der 55-jährige Geologe beim schwäbischen Unternehmen in der Nähe von Stuttgart. Seit insgesamt 20 Jahren ist er schon in der Recyclingbranche tätig. „Wir machen viel Bauschutt und Aushub. Ich muss sehen, wie die Bauabfälle verteilt werden und ob etwas Verwertbares dabei ist oder nicht.“ Seine offizielle Berufsbezeichnung lautet daher „Leiter vom Stoffstrommanagement“.

Das Geologiestudium sei damals eher eine „brotlose Kunst“ gewesen, in der es um klassische Erdgeschichte ging. Altlastensanierung kam gar nicht vor, erinnert sich Fritz. Deshalb wechselte der Geologe während des Studiums in Heidelberg an die Hochschule nach Stuttgart, um sich mehr auf umweltbezogene Aspekte zu spezialisieren. Gleichzeitig hat Fritz Ingenieurgeologie studiert. „Da kommen dann so Fragen auf wie: Bleibt die Böschung stehen oder bricht sie ein, wenn man baut.“ Der dritte Studienschwerpunkt in Fritz‘ Studium war das Fach Hydrogeologie.

Recycelbarem auf der Spur

Was sollte jemand mitbringen, um im Baustoff-Recycling tätig zu sein? Auf jeden Fall sollte man sich mit Gesteinen auskennen und Korngrößen bestimmen können, so der Leiter des Stoffstrommanagements. Auch sei ein räumliches Vorstellungsvermögen hilfreich. Man müsse nicht unbedingt Geologie studiert haben, um im Baustoff-Recycling zu arbeiten.

Aber einen „gesunden Menschenverstand“ und „keine Angst vor Dreck“ sollte man schon mitbringen, wenn man beispielsweise bei ihm in der Abteilung arbeiten möchte. Mitbringen sollte man unbedingt auch ein gutes Verhältnis zur Umwelt. Und auf keinen Fall nur auf schnell verdientes Geld aus sein: „Jemand, der nur Geld verdienen will, ist bei mir falsch.“ Am meisten Freude macht dem erfahrenen Baustoff-Wiederverwerter der Umgang mit der Kundschaft und das er viel an der frischen Luft ist.

Rund 30 Prozent der Arbeitszeit begutachtet Fritz Baustellen und untersucht sie nach Wiederverwertbarem. Denn Recycling beginne schon auf der Baustelle, sagt er: „Wir versuchen, auf der Baustelle vorzusortieren, bevor wir abreißen: Tapete, Styropor, PVC, Fenster, Holz und so weiter. Wenn das Holz noch gut ist, kann man hinterher Sperrholz daraus machen.“ Die Brecher- und Siebanlagen auf den Wertstoffhöfen sowie Kolleg/innen von Fritz „erledigen dann den Rest“ und sortieren Kabelreste oder Holzsplitter aus den restlichen Bauabfällen heraus.

Gegen Verschwendung beim Bau

Das Team von Eberhard Fritz ist interdisziplinär aufgestellt. Bei ihm arbeiten ein Umwelttechniker, ein Bauingenieur und ein Konditor, der sich beruflich verändern wollte, so Fritz. Wenn jemand bei ihm arbeiten oder ein Praktikum machen möchte, könne man sich einfach bewerben. Zusammen mit der Universität Stuttgart vergibt die Firma Heinrich Feeß auch Masterarbeiten an Studierende.

Als Fritz beim Unternehmen in der Nähe von Stuttgart anfing, war Recycling von mineralischen Bauabfällen noch keine Selbstverständlichkeit, erinnert er sich. Inzwischen stelle das Unternehmen Gesteinskörnungen aus recycelten Bauabfällen in großen Mengen her. „Das wird an Betonwerke verkauft, die bis zu 30 Prozent dieser Gesteinskörnungen in den Beton aus Sand, Kies und Zement einarbeiten.“

Fritz kritisiert, dass manche Baustoff-Hersteller nur ihre eigenen Baumaterialien zurücknehmen und recyceln – wenn überhaupt. Man merkt ihm den Unmut über die Rohstoffverschwendung im Baubereich deutlich an. Sein Fazit ist eindeutig: „Baustoff-Recycling verlängert die Ressourcen.

Die Städte sind die Steinbrüche der Zukunft. Dort entsteht immer mehr Bauschutt. Und es fehlt an Deponien für Bauschutt, weil kein Platz da ist. Stattdessen wird Sand und Kies hunderte Kilometer weit angekarrt.“ Der umweltbewusste Schwabe befürchtet, dass es bald keinen Sand mehr geben wird, wenn sich nichts ändert. Das Unternehmen entwickelt bereits Verfahren, um die wertvolle Ressource Sand durch Betonbrechsand zu ersetzen – eigentlich ein „Abfallprodukt“, wie er sagt.

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