Teil 1: Vorstellungsgespräche ‒ die Stunde davor
Der erste Eindruck zählt – auch im Wartebereich. Ein Buch oder eine Zeitschrift sind gute Möglichkeiten, um sich abzulenken.

Teil 1: Vorstellungsgespräche ‒ die Stunde davor

Die Zeit unmittelbar vor dem Vorstellungsgespräch bedeutet höchste physische und psychische Anspannung. Wie lässt sich diese Ausnahmesituation meistern?

Text: Andreas Pallenberg

Das Auswahlgespräch ist zweifellos der Höhepunkt im Bewerbungsverfahren und die (!) Klippe schlechthin. Man hat es durch die erste Auslese geschafft, ist interessant für den Arbeitgeber und in der engeren Auswahl. Jetzt steht man noch in Konkurrenz mit vielleicht einem Dutzend Mitbewerber/innen.

Man ist extrem nah dran und kann doch noch alles vermasseln.

Das bedeutet selbst für ausgefuchste Routiniers höchste Anspannung. Alles entscheidet sich in den nächsten 45 bis 60 Minuten. Da kann sich Panik breitmachen.

Natürlich kommt man pünktlich zum Vorstellungsgespräch, sicherheitshalber sogar sehr pünktlich. Aber man will ja auch nicht zu früh kommen. Also läuft man, nachdem man den Zielort eindeutig identifiziert hat, noch ein paar Ehrenrunden. Und diese Bewegung ist auf jeden Fall empfehlenswert. Die Unruhe kann in Motorik umgesetzt werden,und man kann sich ablenken. Nicht einfach, aber immer noch besser als irgendwo alleine herumzusitzen.

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Nicht so elegant wäre es, sich schon eine halbe Stunde oder noch früher vor dem anberaumten Termin einzufinden. Das gibt gegebenenfalls Stress beim Empfang oder im Sekretariat. Da sitzen vielleicht auch schon andere, weil sich das ganze Prozedere verzögert hat – soll ja vorkommen.

Also am besten zirka zehn Minuten vor dem Termin anmelden, damit die Organisatoren beruhigt sind, dass man angekommen ist und alles nach Programm ablaufen kann. Aber das funktioniert selten wie am Schnürchen.

Und dann heißt es: warten.

Jetzt gibt es kaum noch die Möglichkeit auszubrechen, obwohl man ja fragen kann, ob man noch die Zeit hat, kurz vor die Tür zu gehen. „Bleiben‘Se mal lieber hier, man weiß ja nie, wie es weiter geht“, könnte die Antwort lauten. Also doch warten. Irgendwo in der Cafeteria, auf dem Flur, in der Eingangshalle, im Vorzimmer mit dem Sekretär oder in irgendeinem Raum, dem man nicht mehr entfliehen kann.

Da die Sinne auf höchste Empfindlichkeit eingestellt sind, wird alles extrem regis­triert. Man ist der Umgebung völlig ausgeliefert. Jetzt heißt es aufpassen, dass man sich nicht allzu sehr in die Absurdität der Situation („Was mache ich hier eigentlich?“) hineinsteigert.

Jede Ablenkung scheint willkommen.

Wenn aber die Sekretärin zum fünften Mal durchs Zimmer huscht, wird es auch lästig, weil man immer wieder freundlich lächeln muss. Und jeder, der den Raum betritt, könnte wichtig sein.

Kann auch sein, dass schon mehrere warten, weil sie zu früh gekommen sind oder weil sich der Ablauf ernsthaft verzögert. Dann sitzt man möglicherweise seinen Konkurrent/innen gegenüber, mustert sie genau, ohne sie anzusehen, urteilt über ihr Outfit, setzt sich in Bezug dazu, lässt sich einschüchtern oder ist amüsiert.

Die sehen dann alle so erzkompetent aus und scheinen den Sieg schon in der Tasche zu haben: „So ruhig, wie die sind, so seriös, wie die wirken, und dann ich…“ Und das alles, ohne eine Miene zu verziehen. Das ist richtig anstrengend. Solche Konfrontationen dürfen bei guter Planung seitens der Arbeitgeber eigentlich nicht passieren, sind aber nicht immer zu vermeiden.  

„Sie haben da was …“

Na klar geht man sich „noch mal frisch machen“ und prüft, ob alles sitzt und passt. Ernsthaft etwas ändern kann man dann zwar nicht mehr, aber Peinlichkeiten wie die Nudel an der Oberlippe lassen sich noch verhindern. Außerdem hat man damit etwas zu tun und kann sich von den ständig wühlenden Gedanken entfernen.

Glücklich die, die auch in einer solchen Situation Meditation und Entspannungsübungen einsetzen können, sich also körperlich und mental lockern, sich aus der direkten Umgebung lösen und Gedanken wie auch vegetative Reaktionen einfach geschehen lassen. Sie sollen dann eben kommen und gehen. Wer gegen die Gedanken und das nervöse Augenzucken kämpft, wird das Gegenteil erreichen.

Gegen die Grübelei

Tipp Nummer Eins: Sorgen Sie vor für diese unerquicklichen Minuten.

Denken Sie an „etwas Gutes“: Erinnern Sie sich an die zehn besten Momente in Ihrem Berufsleben, an Situationen, in denen Sie erfolgreich waren, wider Erwarten etwas geschafft haben, gelobt wurden, Projekte erfolgreich abgeschlossen oder Besonderes geleistet haben. Und die formulieren Sie als Lobeshymne auf sich selbst – ohne Wenn und Aber. Da sollte schon was zusammenkommen.

Sie hatten keine zehn Erfolge? Dann fragen Sie mal Freundinnen, Freunde oder Familie. Die helfen Ihnen auf die Sprünge. Wer sich dann diese zehn beruflichen Lieblingssituationen systematisch ins Gedächtnis ruft und darauf konzentriert, diese zum Beispiel in chronologischer Reihenfolge alle abzurufen, der hat keine Zeit für inhaltliche Last-Minute Gedanken, die kreuz und quer alle Ängste und Unsicherheiten anrühren. Und diese Erfolgsgeschichte könnte ein befreiendes Schmunzeln erzeugen, das jetzt so wichtig ist. Schwören Sie sich ein auf den Triumph!

Tipp Nummer Zwei: Rufen Sie sich die Namen aller Menschen auf, mit denen Sie bisher in diesem Verfahren zu tun hatten. Wichtige und unwichtige. Auch das lenkt ab und ist bei jeder kommenden Begegnung von Vorteil, vielleicht sogar beeindruckend.

Die Leiche im Keller

Sie haben eine ordentliche Lücke im Lebenslauf, die Sie nur mit roten Ohren erklären können? Sie haben bei den angegebenen Kenntnissen geflunkert und können die gar nicht vorweisen? Sie haben ein grottenschlechtes Arbeitszeugnis, gegen das Sie nie etwas unternommen haben? Das sind Knackpunkte, die einen beschäftigen können. Zusammen mit der allgemeinen Verunsicherung kurz vor dem Auftritt werden dann schon mal die Knie weich.

Aber fast jede/r hat solche Punkte.Wer jetzt immer wieder diese Hauptschwachstellen der Bewerbung aufruft, um sich einzubläuen, wie man diese am geschicktesten darstellt, verstärkt die Unsicherheit nur. Da wird etwas durch die Lupe betrachtet und damit völlig überhöht.

Nichts da! Jetzt ist Beruhigung angesagt.

Schließlich wurde man ja eingeladen. Und dafür muss es gute Gründe geben. Diese zu verstärken, steht jetzt im Drehbuch und nicht die vermeintliche Leiche im Keller. Nachher fragt kein Mensch danach.Und wenn doch, dann hat man eine knappe und plausible Geschichte. Aber die muss man nicht ständig mantramäßig wiederholen. Das bindet viel Kraft, lässt das Manko übergroß erscheinen und demontiert das Selbstbewusstsein.

Noch schnell eine rauchen…?

Wenn Ihnen die Lust nach einer Zigarette steht, dann so diskret wie möglich. Wir leben inzwischen in einer Nichtraucher-Gesellschaft. Dem Rauchen und auch den Raucher/innen haftet ein Makel an, der sich allzuleicht auf die Einschätzung der Kandidat/innen auswirken kann. Und wer mit Nikotinfingern und Rauchschwaden den Raum des Geschehens betritt, könnte Sympathien aufs Spiel setzen, die oft genug den Ausschlag geben.

Ich schwitze

Natürlich schwitzt man gerade jetzt, wo es nicht passt. Wenn nicht wegen der Hitze, dann aus Unwohlsein. Ein Wartezimmer beim Vorstellungsgespräch ist eben kein Wohlfühlort, eher eine Deo-Test-Anstalt. Leider nimmt man in erster Linie die eigene transpiratorische Auflösung wahr, während alle anderen irgendwie „frisch“ wirken. Am schlimmsten sind die Hände. Und gleich gibt es den Handschlag zur Begrüßung – na prima, welch ein erster Eindruck!

Tipp: Lassen Sie schwitzen, die Hände können nichts dafür. Je besser man sich davon ablenken kann, umso weniger Transpiration.

Das gehört zur Aufregung, und Aufregung ist grundsätzlich angebracht und sogar hilfreich. Immerhin signalisieren die Hormone höchste Alarmbereitschaft. Und bis zu einem gewissen Grad führt das auch zu Höchstleistungen. Mit einem Taschentuch lässt sich die Situation meistern. Also: Aufregung, komm her – wir schaffen das schon!

Mir ist schlecht

Auch das gibt es: Der Darm rumort, der Magen will nach Hause, und das nervöse Unterlid meldet sich irritierend unregelmäßig. Das Vegetativum demonstriert dann alle seine autarken Möglichkeiten und lässt sich nur schwer unterdrücken.Kämpfen Sie nicht dagegen.

Geben Sie nach. Lassen Sie es rumoren, gehen Sie zur Toilette, lassen Sie zucken, lassen Sie geschehen. Bauchatmung und abgrundtiefes Gähnen helfen. Wer auf Kamillentee schwört, kann eine Thermoskanne mitnehmen. Dann begrüßt man die Aufregung mit einem Schluck, der besänftigt.   

Noch’n Käffchen?

Wenn es jemanden gibt, der sich um die Wartenden kümmert, könnte ein solches plötzliches Angebot mit entwaffnender Fröhlichkeit vorgetragen werden. Nein, eigentlich wollen Sie „unbedingt überhaupt gar nichts“ in dieser Situation. Sie wollen Ihre Ruhe und in aller Starre die Zeit vergehen lassen.

Man sollte solche Rituale aber nicht unterschätzen und sich vielleicht trotzdem darauf einlassen, selbst wenn der Kreislauf alles andere als einen Kaffee braucht. „Milch und Zucker?“, und schon kommt man ein wenig in einen Small-Talk-Modus und hinterlässt einen Eindruck, der jenseits des Interviews entsteht, der aber nicht selten vom Auswahlgremium abgefragt wird. Außerdem lockert solches Geplänkel auch auf, und man hat schon wieder fünf Minuten geschafft.  

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Nach Hause schreiben

Manche wischen hastig auf Ihrem Smartphone herum. Sie treten in Kontakt mit den Daheimgebliebenen und versuchen, sich auf diese Weise abzulenken. Wer sowieso alles mit dem Handy macht, wird sich auch in dieser Situation dem Gerät anvertrauen.

Wer  den Betrieb allerdings ungeniert und pausenlos betreibt, dabei laut und vernehmbar daddelt, könnte als etwas besessen rüberkommen. Doch lieber ein gutes Buch? Oder eine Zeitung, hinter der man seinen klugen Kopf verbirgt? Dann hat man was zum Festhalten, man muss ja nicht unbedingt drin lesen. Andere tippen in ihren Laptop, bis der Akku streikt. Es gibt Leute, die in dieser Situation ernsthaft arbeiten können… Vielleicht sieht es aber nur so aus.

Meine Empfehlung: Man eigne sich für solche Momente meditative Übungen an, die einen körperlich und mental rausziehen aus dem Wartezimmergeschäft.

Jeder hat schon mal Entspannungsübungen mit der Konzentration auf Körperregionen durchgespielt und vielleicht für esoterischen Schabernack gehalten. Hier in dieser Situation sind sie ein großartiges Hilfsmittel. Dazu muss man keine Yogamatte ausrollen oder in den Lotussitz gehen. Einfach machen, ganz diskret. Anleitungen gibt es überall im Netz.

Finger weg von gut gemeinten Pillen zweifelhafter Herkunft

Wer mit beruhigenden Mitteln gute Erfahrungen gesammelt hat, kann diese natürlich entsprechend nutzen. Hier bieten sich homöopathische wie auch rezeptfreie allopathische Präparate an. Diese sollten aber vorher schon mal erfolgreich getestet worden sein.

Rezeptpflichtige Beruhigungsmittel sollten nur auf ärztlichen Rat genommen und vorher ausprobiert werden. Für die Nacht zum Durchschlafen eine Schlaftablette? Wer wegen der Anspannung nicht einschlafen kann, der sollte die Einnahme rechtzeitig planen. Hat man schon eine halbe Nacht im Wachzustand hinter sich, könnte die Einnahme der Schlaftablette ihre Wirkung verspätet und damit unpassend entfalten.

Da treffen Menschen aufeinander, die sich in einer Ausnahmesituation befinden

Ein Vorstellungsgespräch wird immer anders als man denkt. Egal, wie sehr man sich präpariert, wie gut man die Kernantworten parat gelegt, wie man sich körperlich und geistig präpariert hat – es passieren Dinge, die überraschen und für die man keine Reaktionsmuster hat. Gott sei Dank!

Auch die routiniertesten Personaler/innen machen Fehler, sind unkonzentriert oder einfach schlecht gelaunt. Schon das kann für Überraschungen sorgen und die Kandidat/innen irritieren. Da stellt zum Beispiel jemand dieselbe Frage wie seine Kollegin vorher schon. Dann hat der einfach gepennt. Nach fünf Kandidat/innen kein Wunder.

Das macht man aber nach Möglichkeit nicht zu seinem Problem und lässt sich nicht verunsichern. Da rettet man möglichst gelassen die Situation und beantwortet die Frage vielleicht mit anderen Worten noch einmal. Allein der Gedanke, dass die Herrschaften auf der anderen Seite  es auch nicht leicht haben, kann im Vorfeld des Gespräches etwas entspannen.

Mut zur Lücke

Es bleiben Lücken, es bleiben Überraschungen, und es wird anders kommen als erwartet. Und dann muss man reagieren, improvisieren, lavieren oder auch mal herzhaft passen. Das wissen auch die Personalleute, die es manchmal bis zur Verunsicherung treiben.

Sie wollen eben wissen, wie der Mensch ist, der sich hinter der Kandidatur verbirgt. Haben Sie Verständnis für dieses Interesse. Das rheinische Grundgesetz "Et kütt, wie et kütt" mit seiner leicht fatalistischen Grundhaltung ist dann die richtige Einstellung, wenn einen kurz vor dem Auftritt noch mal die Knie schlottern.

Die ersten Vorstellungsgespräche sind meistens die härtesten

Man fühlt sich wie in einer Prüfungssituation und unter extremem Erfolgsdruck. Hinzu kommt, dass es trotz der allgemein guten  Arbeitsmarktsituation bei unseren Zielgruppen immer noch einen hohen Bewerberüberhang gibt. Das macht die Situation im Vorstellungsgespräch nicht unbedingt leichter. Aber man wird immer besser und versteht es mit der Zeit und der Routine, die Situation individuell zu meistern.

Tatsache ist auch, dass man mit der Einladung fast alle Hürden genommen hat, also grundsätzlich etwas zu bieten hat, worauf andere neugierig sind. Die Inhalte der Bewerbung stimmen also. Jetzt wollen die Herrschaften des Auswahlgremiums eigentlich nur noch wissen, wer am besten ins Haus passt. Ihr Auftritt ist also gefragt. Zeigen Sie sich so, als gehörten Sie schon dazu! Alles Weitere ist offen. Glück und Zufall tun ein Übriges.

Teil 2: Jobinterview ‒ die Stunde danach erscheint am 31. Dezember 2018.

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