Gegen Rechts im Umweltschutz
Rechtsextreme Parteien versuchen mit Tier- und Umweltschutz bei ihren Wähler/innen und Jugendlichen zu punkten. Mit ihren Fortbildungen für Fachkräfte aus Naturschutz und Jugendarbeit macht FARN darauf aufmerksam. Die Fachstelle wird gefördert vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“

Gegen Rechts im Umweltschutz

Viele wissen nicht, dass rechtsextreme Guppen den Umweltschutz für ihre Zwecke nutzen, sagt Lukas Nicolaisen von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN).

Interview: Stefanie Wulff

WILA Arbeitsmarkt: Welche Aufgaben hat die Fachstelle FARN und weshalb wurde sie gegründet?

Lukas Nicolaisen: Die Fachstelle FARN ist ein Projekt der NaturFreunde und der Naturfreundejugend Deutschlands. Unsere Aufgabe ist es, historische und aktuelle Verknüpfungen des Umweltschutzes mit extrem rechten beziehungsweise „völkischen“ Strömungen zu untersuchen. Es geht aber auch um die Identifikation von demokratiefeindlichen, menschenrechtsverachtenden Konzepten und Denkmodellen im „Mainstream“ Natur- und Umweltschutz.

"Wir haben ein grünes und ein rotes Herz"

Auf dieser Basisbietet die Fachstelle Beratung, Bildung und Qualifikation an. Unsere Zielgruppen sind Multiplikator/innen aus dem Bereich Natur-und Umweltschutz und aus der Jugendverbandsarbeit. Außerdem wenden wir uns auch direkt an Jugendliche und junge Erwachsene. Die Naturfreunde sind vor über 100 Jahren aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen. Es schlugen also schon immer ein grünes und ein rotes Herz in unserer Brust.

Wir haben immer das Soziale mit dem Ökologischen verbunden und stellen das eine nicht über das andere. In der NS-Zeit wurden die Naturfreunde verboten und zum Teil verfolgt. Nach der Neugründung haben wir unsere antifaschistische Arbeit verstärkt. Das Bundesprogramm „Demokratie leben“ hat unsdie Möglichkeit geboten, diesen Bereich mit unseren Grundsätzen zu verbinden.

"Der Natur- und Umweltschutz wurde viel öfter von konservativen und auch faschistischen Ideen beeinflusst."

Wie akut ist das Problem des Rechtsradikalismus in Naturschutz und Umweltbildung?

Viele Menschen denken zunächst, es sei ein Randthema. Sie verbinden Natur- und Umweltschutz eher mit Weltoffenheit, mit den 1970er und 1980er Jahren, mit der Anti- AKW-Bewegung und Studentenprotesten. In den meisten Köpfen gehören Natur- und Umweltschutz und Rechtsextremismus nicht zusammen. Deshalb sensibilisieren wir die Menschen dafür, dass es sehr wohl Anknüpfungspunkte gibt.

Wenn man die Anfänge der Ökologischen Wissenschaft und der Ökologie-Bewegung anschaut, dann sieht man: Der deutsche Natur- und Umweltschutz wurde viel öfter von konservativen und auch faschistischen Ideen beeinflusst als von liberalen, progressiven oder sozialdemokratischen Werten. Rechtsextreme Gruppierungen und Parteien und Einzelpersonen wissen um diese Geschichte. Und sie knüpfen unmittelbar daran an.

 

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Man findet in den Parteiprogrammen von extrem rechten Parteien seit jeher auch eine Fokussierung auf Natur- und Umweltschutzthemen. Dazu wird viel mit Naturbildern geworben. Mit jungen Menschen, die in Feldern und Wäldern stehen. Die Assoziation: Wir sind draußen und aktiv. Vielleicht auch „gesund“ und „natürlich deutsch“.

Es wird immer eine Verknüpfungzwischen Natur und Kultur hergestellt. Das gleiche gilt für die sogenannte Neurechte Bewegung. Sie geht mit ihren Themen bewusst hinein in den ländlichen Raum, gerade in strukturschwache Regionen und beschäftigt sich mit Ökologie, Postwachstum und regionalen Wirtschaftskreisläufen. Die Neurechte konzentriert sich vor allem auf den sogenannten vorpolitischen Raum, das heißt auf zivilgesellschaftliche Akteure. Hier sollen Diskurse nach rechts verschoben werden. Da spielen auch Natur- und Umweltschutzverbände eine große Rolle.


Wie schätzen Sie das Wissen von Fachkräften in der Umweltbildung oder Jugendarbeit über diese Problematik ein? Spielt das Thema zum Beispiel in der Hochschulbildung überhaupt eine Rolle?

Das ist sehr unterschiedlich. Die Verbände BUND und NABU haben ihre eigene Geschichte und die Verwobenheit mit derNS-Zeit gründlich aufgearbeitet. Deswegen wissen sie auch um die geschichtlichen Verknüpfungen. Trotzdem wissen natürlich nicht alle im Ortsverein oder jede/r einzelne Ehrenamtliche darüber Bescheid. In den letzten beiden Jahren wurden wir von der Fachstelle FARN oft zu Vorträgen in Hochschulen und Fachhochschulen eingeladen, zum Beispiel im Bereich Landschaftsplanung.

"Warum werden die wichtigen Informationen nicht mitgeliefert?"

Hier erlebten wir immer wieder, dass Studierende von uns zum ersten Mal etwas über das Thema erfahren. Sie kannten vielleicht schon den Namen Ernst Haeckel, den Begründer der Ökologischen Wissenschaft. Aber sie wussten nicht, dass dieser Name auch ganz stark mit Sozialdarwinismus und Eugenik verbunden ist.

Die Studenten fragen sich dann immer wieder, warum diese Informationen nicht mitgeliefert werden. So geht es auch den meisten unserer Teilnehmer/innen unserer verschiedenen Fortbildungen. Dass Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit mit Konzepten und mit Themen wie Natur- und Umweltschutz verknüpft sein können, verblüfft viele.

Wie hoch ist der Bedarf an Aufklärung?

Sehr groß. Ursprünglich hatten wir für das Jahr 2018 zehn Veranstaltungen geplant. Am Ende sind 50 daraus geworden. Oft sind Veranstaltungen aus vorangegangener Beratung hervorgegangen. Leute riefen an und sagten: Wir haben ein Problem mit rechtsextremen Ideologien in unserem Verband. Oder: Es gibt Auseinandersetzungen mit Reichsbürgern, mit völkischen Siedlern oder mit rechtsextremen Parteien und anderen Organisationen. Auch an Hochschulen tauchen vermehrt entsprechende Flyer und Meinungen auf.

Welche Fortbildungsangebote haben sie im Programm?

Wir bieten zum Beispiel In-House-Veranstaltungen für Organisationen. Der Fokus liegt einerseits auf historischen Aspekten aber auch auf Neu-Rechten-Strukturen. Menschen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit schulen wir zum Beispiel in Fragen wie: Woran erkenne ich extrem rechte Publikationen? Welches Wording verwenden sie? Welche Wörter sollte ich selbst deshalb nicht benutzen?

Außerdem führen wir Trainer/innen-Fortbildungen durch, um den Kreis der Menschen, die für FARN tätig sein können, zu vergrößern. Die Nachfrage danach ist sehr groß. Ab 2020 wird die Fortbildung sicher wiederholt, vielleicht sogar schon früher. Dann gibt es noch eine Jahresfachtagung im November in Berlin. Hier geht es um Aspekte gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Natur und Umweltschutz und um Konzepte, diese zu beseitigen.

Im Oktober bieten wir außerdem ein politisches Jugendcamp für junge Menschen an, die sich bereits im Natur- und Umweltschutz engagieren. Das Jugendcamp steht unter dem Motto „Love Nature. Not Fascism“. Hier wird es einerseits um die Gefahren gehen, die von extrem Rechten Kräften im Natur- und Umweltschutz ausgehen. Aber auch um die Etablierung und Nutzbarmachung von solidarischen und demokratiefördernden Konzepten im Natur- und Umweltschutz.

Welche beruflichen Einsatzfelder gibt es für Fachkräfte, die sich explizit mit dem Thema beschäftigen möchten?

Ich denke, dass das Thema immer wichtiger für alle Natur- und Umweltschutzverbände wird. Mit Fachwissen und Expertise im Bereich der Radikalisierungsprävention kann man bei Verbänden also sicher zunehmend punkten. Es gibt auch Möglichkeiten, als Referent zu arbeiten, zum Beispiel an der Schnittstelle zwischen Natur- und Umweltschutz und Sozialpolitik. Oder in den Bereichen Bürger- und Ehrenamtsmanagement.

"Man bringt sich unter Umständen selbst in Gefahr."

Was würden sie Menschen mit auf den Weg geben, die sich beruflich oder privat im Bereich Prävention von Rechtsextremismus engagieren möchten?

Ewas scheinbar ganz Banales: Vorsichtig zu sein mit eigenen Daten. Immer, wenn man mit rechtsextremen Gruppen zu tun hat, muss man sich darüber bewusst sein, dass man sich unter Umständen selbst in Gefahr bringt. Man sollte nicht auf jeder Veranstaltung mit allen über private Dinge sprechen. Ich würde ein wenig zur Vorsicht mahnen, auch im Umgang mit Sozialen Medien.

Lektüretipps vom Experten
 
Lukas Nicolaisen empfiehlt Fachkräften, die sich näher mit dem Thema Prävention von Rechtsextremismus beschäftigen möchten, folgende Titel:
  • Peter Bierl: Grüne Braune: Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von Rechts. Der Autor hinterfragt die ökologischen Positionen von der NPD bis zur Neuen Rechten.
  • Nils Franke und Uwe Pfenning (Hrsg.): Kontinuitäten im Naturschutz. Hier geht es um das Aufarbeiten von Auswirkungen des Nationalsozialismus im Bereich Naturschutz.
  • Mehrere Publikationen bietet auch die Amadeu Antonio-Stiftung an. Zu den Themen gehören unter anderem völkischer Rechtsextremismus und der Bereich völkische Siedler: www.amadeu-antonio-stiftung.de
  • Die Fachstelle FARN hat auch eigene Handreichungen zum Thema herausgegeben. Hier wird zum Beispiel gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Natur- und Umweltschutz thematisiert: www.nf-farn.de
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