Gehaltsvorstellungen im Bewerbungsverfahren
Manchmal müssen die Jobsuchenden bereits in der Bewerbung ihr Wunschgehalt angeben, andere werden danach erst im Vorstellungsgespräch gefragt. In jedem Fall sollten sich Bewerber/innen im Vorfeld darüber Gedanken machen und sich informieren.

Gehaltsvorstellungen im Bewerbungsverfahren

Während Arbeitgeber oft genau wissen, was sie von ihren zukünftigen Angestellten erwarten, wird beim Lohn gerne gepokert. Wie reagiert man auf die Frage nach den Gehaltsvorstellungen?

Text: Andreas Pallenberg

Über Geld spricht man nicht und über Gehälter schon gar nicht – zumindest in Deutschland nicht. In einer Mischung aus Diskretion und Arbeitsethos wird das Thema Entlohnung bei uns gerne vermieden oder höchstens hinter vorgehaltener Hand kommuniziert. Ganz anders ist es im Ausland. In anglophonen Ländern sind Gehälter beispielsweise kein Tabu, aber auch nichts Besonderes: Das Jahresbruttogehalt ist ein Gesprächsthema wie jedes andere.

Der Vorteil: Gehälter sind viel transparenter, und man kann sich mit seinem Wert auf dem Arbeitsmarkt selbst besser verorten. Bewirbt man sich auf dem hiesigen Arbeitsmarkt auf Stellen, die nicht an bestimmte Tarifverträge gebunden, sondern zum Beispiel in der Wirtschaft oder bei Verbänden angesiedelt sind, kommt die Gehaltsfrage unweigerlich auf den Tisch. Zum Beispiel mit dem freundlichen Hinweis: „Senden sie uns Ihre Bewerbungsunterlagen mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellungen … .“

Das bringt viele Bewerber/innen in Verlegenheit. Und das Problem liegt auf der Hand. Es gibt bei solchen Stellen keine verbindlichen Gehaltsrichtlinien. Man sollte also den eigenen Wert auf dem Arbeitsmarkt selbstbewusst einschätzen können. Doch an diesem Selbstwertgefühl fehlt es vielen jungen Fach- und Führungskräften.

Branchenkenntnisse helfen

Jobsucher/innen spüren es immer wieder: Sie sind nicht allein auf dem Markt. Die Konkurrenz sitzt quasi mit am Pokertisch. Wer bei der Gehaltsfrage zu viel fordert, fällt schon im Vorfeld durch den Rost. Ebenso kann es den Bescheidenen gehen, die sich unter Wert „verkaufen“ und deshalb nicht ernst genommen werden.

Die eigenen Gehaltsvorstellungen sollten eine realistische Spanne treffen, die in der Branche üblich ist, aber auch den finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers und den Fähigkeiten der Kandidat/innen entsprechen. Natürlich kann eine erfahrene Kulturmanagerin mehr verlangen als ein Absolvent, der nur auf ein paar Praktika und großes Hoffnungspotenzial bauen kann.

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Auch ein erfolgreicher Fundraiser ist für einen Naturschutzbund mehr wert als eine noch so engagierte Einsteigerin, die erst wenig vernetzt ist. Aber Arbeitgeber haben finanzielle Grenzen. Somit können alle das Rennen machen. Zu anderen Konditionen und mit einem höchst unterschiedlichen Mix aus Erwartungen und Vertrauensvorschuss.

Allerdings sollten Bewerber/innen auch die finanziellen Potenziale der Arbeitgeberseite einigermaßen realistisch einschätzen, um mit den eigenen Vorstellungen nicht völlig daneben zu liegen. Ein kleiner Verlag wird sich kaum einen Lektor für 80.000 Euro Jahresgehalt leisten können, besonders, wenn das Gehalt auf der Chefetage vermutlich darunter liegt. Größere Unternehmen und Verbände haben weniger gedeckelte Gehälter und lassen sich bei verlockenden Qualifikationen auch auf deutlich höhere Personalkosten ein.

Etwas Taktik muss sein

Jobsuchende können bei entsprechender Aufforderung in der Bewerbung zum Beispiel Gehälter mit einem Spielraum von 40.000 bis 45.000 Euro oder 80.000 bis 90.000 Euro brutto pro Jahr nennen. Solche Spannen erhöhen die Trefferquote und signalisieren Verhandlungsbereitschaft.

Generell werden Gehaltsangaben immer als Jahresbruttogehälter angegeben. Alles andere stiftet nur Verwirrung und ist wenig vergleichbar. Wird man dann zu einem Jobgespräch eingeladen, ist die Gehaltsfrage eher nachrangig. Man hat offensichtlich einen halbwegs passenden Wert getroffen.

Jobsuchende sollten realistisch einschätzen können, was sie verlangen können und was die Gegenseite zahlen kann. Verhandelt wird über das Jahresgehalt. Dafür ist eine Vorrecherche nötig. Foto: © Ivan Traimak/Adobe Stock

 

Kommt man erst im Vorstellungsgespräch auf das Thema Gehalt, so sollten Bewerber/innen die vorher gefasste Meinung dazu ohne jede Verlegenheitsgeste laut und vernehmbar unterbreiten. Direkte Rückmeldungen gibt es dann meistens nicht, sondern man schaut in nichtssagende Pokergesichter, erntet vielleicht ein Raunen oder vernimmt ein tiefes Durchatmen auf der anderen Seite.

Das können lange und stille Sekunden werden, die man als Jobsuchende/r aushalten muss. Wird weiter über das Gehalt debattiert, kann man zur Bestärkung der eigenen Vorstellungen das letzte Jahresgehalt als Referenz anführen, das man „aus verständlichen Gründen ungern unterschreiten möchte“.

Hat man das Gefühl, dass mehr drin ist, kann man zum Beispiel auch folgende Gedanken unterbreiten: „Da ich sehr an der Mitarbeit bei Ihnen interessiert bin, wäre ich bereit, zunächst im Bereich Ihrer Gehaltsvorstellungen einzusteigen. Nach einem Jahr würde ich aber gerne das Gehalt neu verhandeln. Ich möchte Sie einfach davon überzeugen, was meine Arbeit für Sie wert ist.“

Gehaltsangaben beim Jobeinstieg

Wenn Fachkräfte unbedingt in einer bestimmte Branche Fuß fassen und endlich erste einschlägige Berufserfahrungen sammeln wollen, dann sollten sie die Gehaltsvorstellungen deutlich im unteren Bereich des Üblichen ansiedeln. Jobsuchende müssen es dem Arbeitgeber schmackhaft machen, sich auf die „junge, neue und innovative“ Kraft einzulassen.

Wer nämlich glaubt, allein mit Dumpinglöhnen zu überzeugen, wird ebenso abblitzen wie jemand, der die Bandbreite über das Branchenübliche allzu sehr nach oben ausreizt. Für Leute, die fest im Sattel sitzen und sich verändern beziehungsweise verbessern wollen, sind höhere Gehaltsforderungen natürlich angebracht. Als Richtschnur gilt dann als Normalfall das aktuelle Gehalt plus einen Aufschlag von 10 bis 20 Prozent.

Und wo findet man Orientierung?

Von der Agentur für Arbeit gibt es einen „Entgeltatlas“: www.arbeitsagentur.de/entgeltatlas. Dieser informiert über Gehälter für viele Branchen, geschlechtsspezifisch und nach Bundesländern sortiert. Relativ einfach zu bedienen, ergibt sich schon über die dortigen Angaben der Gehälter eine hinreichende Orientierung für den eignen Gehaltswunsch.

Insgesamt schlau gedacht. Sucht man allerdings zu spezifisch mit zu engen Suchbegriffen, lautet die Antwort: Nicht genügend Material für eine Aussage. Dann muss man schon kreativ mit Suchbegriffen umgehen und die eigene Qualifikation beziehungsweise den Berufswunsch nicht zu eng sehen.

Andere klassische Quellen sind die Gewerkschaften, die für ihre Branchen Hinweise auf Gehaltsstrukturen geben, oder Initiativen wie mediafon: www.mediafon.de. Das Portal gibt auch für Freischaffende im weitesten Bereich des Journalismus konkrete Angaben zu Gehältern und marktüblichen Honoraren an.

Von Anlehnungen und Haustarifen

In manchen Inseraten wird die Gehaltsfrage mit Worten umschrieben wie „in Anlehnung an den TVöD“. Das klingt eindeutig, ist es aber nicht. Diese Anlehnung an einen Tarifvertrag setzt nämlich eine Einstufung voraus, und da liegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen schon mal zwei bis drei Stufen auseinander. Wird im Öffentlichen Dienst eine ausgebildete Lehrkraft mit zweitem Staatsexamen mit Besoldungsstufe 11 bis 13 entlohnt, kann es bei kleineren Trägern auch Stufe 10 und weniger sein.

Vereine und Verbände sprechen auch gerne vom sogenannten „Haustarif“. Dieser liegt häufig unter dem Tariflohn. Natürlich ist Geld nicht alles, aber vom Engagement allein wird der Kühlschrank nicht voll. In beiden Fällen ist die Gehaltsfrage also rechtzeitig zu klären, um nicht nach einem langen Bewerbungsprozedere noch Überraschungen zu erleben.

Etwas dicker auftragen

Weiht man seine Freunde und Bekannte in die Gehaltsfrage ein, so kann es vorkommen, dass einem geraten wird, unbedingt hoch einzusteigen mit den Gehaltsforderungen: „Das bist du wert, du kannst dich doch nicht verramschen … Du hast den Master und Auslandserfahrungen, und in den USA würdest du das Doppelte verdienen …“ Solche und andere aufbauenden Hinweise verfehlen ihre Wirkung nicht. Und sie sind vor allem angebracht, wenn junge Akademiker/innen sich zum ersten Mal Gedanken über ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt machen.

Besonders die Bescheidenen, die sich nicht trauen, ihre Gehaltsvorstellungen höher als am untersten Rande des Üblichen anzusiedeln, sollten sich ihres perspektivischen Wertes bewusst sein und diesen auch selbstbewusst und offensiv vermitteln. Dazu gehört auch eine Prise Hochstapelei, um das Feld nicht den ohnehin immer dick Auftragenden zu überlassen, die bekanntlich auch nur mit Wasser kochen. An dieser Haltung mangelt es immer noch vielen Absolvent/innen der sogenannten „arbeitsmarktfernen Studiengänge“ wie Geografie oder Kulturanthropologie, und gerade bei Frauen ist diese falsche Bescheidenheit weit verbreitet.

Natürlich ist es wenig überzeugend, wenn Bewerber/innen unverfroren ein Gehalt an der oberen Schmerzgrenze fordern, ohne den entsprechenden Gegenwert in Form von Qualifikationen und entsprechenden Arbeitserfahrungen vorweisen zu können. Ebenso wenig überzeugt es, wenn sich Berufseinsteiger/innen in aller Verlegenheit kaum trauen, ein angemessenes Gehalt zu nennen und sich für ihre Unerfahrenheit quasi entschuldigen: „Irgendwie könnte es auch weniger sein, ich steige ja erst ein … sozusagen …“.

Insofern ist die Gehaltsfrage auch immer eine Einschätzung der eigenen Leistung als Gegenwert. Und diese Leistung ergibt sich nicht immer allein aufgrund der Arbeitszeugnisse oder der Lebensläufe. Wenn sie sich Gedanken über die Höhe ihres zukünftigen Gehalts machen, sollten sich Bewerber/innen also auch immer fragen: Was kann ich für den Arbeitgeber leisten und wie überzeuge ich ihn davon.

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