Das Schweigen der Arbeitgeber
Absagen auf Bewerbungen sind frustrierend, doch noch ärgerlicher ist die Funkstille der Arbeitgeber. Statt an ihr zu verzweifeln, lässt sich konstruktives Feedback auch von Freunden, Fachleuten oder Gleichgesinnten einholen.
Text: Andreas Pallenberg
Diese Stelle passt wie keine zuvor! Genau diese Tätigkeiten hat man sich vorgestellt, und die eigenen Qualifikationen passen wie die Faust aufs Auge. Dieses Mal muss es einfach klappen. Euphorisch wird in die Tasten gehauen und schließlich hoffnungsfroh das Resultat verschickt. Anschließend: Wochen des Wartens … Umso größer ist die Enttäuschung, wenn schließlich eine Absage im Posteingang landet. Und statt einer konkreten Begründung finden sich darin lediglich höfliche, aber nichtssagende Floskeln. Das macht wütend.
Je öfter das passiert und je länger die Jobsuche dadurch dauert, umso zermürbender sind solche Schreiben für viele Bewerberinnen und Bewerber. Doch egal, ob sie Herzblutbewerbungen schreiben oder ob sie sich zu routinierten Bewerbungsprofis entwickelt haben: sie sind nicht allein. Auf attraktive Stellen bewerben sich nun mal zig andere Kandidatinnen und Kandidaten, die ebenfalls einiges zu bieten haben. Absagen sind also deutlich wahrscheinlicher als Zusagen.
Der Trost über solche Arithmetik hält sich jedoch in Grenzen, man spielt schließlich nicht in einer Lotterie. Unwillkürlich kommen einem bei jeder Absage die gleichen Fragen in den Sinn: Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich nicht qualifiziert genug? Was haben andere zu bieten? Bin ich zu alt oder zu jung? Bin ich nicht gut genug? Kurz: Wieso klappt es bei mir nicht?
Die Black Box der Entscheidung
Tatsächlich tappen die abgelehnten Kandidatinnen und Kandidaten regelmäßig im Dunkeln und werden kein bisschen schlauer. Das bedauern auch die Arbeitgeber und ihre Personalleute, die ebenfalls daran interessiert sind, gute und passgenaue Bewerbungen zu bekommen. Etwas Rückmeldung ihrerseits wäre da schon hilfreich und würde den gesamten Recruiting-Prozess vereinfachen. Aber sie dürfen kein Feedback geben beziehungsweise trauen sich nicht.
Der Arbeitsrechtler Thilo Mahnhold bringt es im Gespräch mit Lisa Duhm im Spiegel Job und Karriere vom 4.12.2019 auf den Punkt: „Eigentlich will man helfen, dem Bewerber einen guten Rat für das nächste Vorstellungsgespräch geben. Rechtlich gesehen ist es aber am besten, wenn man gar nichts sagt. Tatsächlich rate ich jedem meiner Klienten dazu, bei der Absage keine Gründe zu nennen. Man schafft als Arbeitgeber ein Risikopotenzial, wenn man den Leuten sagt, woran es mangelt.“
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Die inhaltslosen Absagefloskeln sind somit das Produkt rechtlicher Vorgaben, die dafür sorgen, dass niemand wegen der Religion oder Weltanschauung, der Herkunft, wegen des Geschlechts, der sexuellen Identität, wegen des Alters oder wegen einer Behinderung diskriminiert wird. Das dafür maßgebliche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das grundsätzlich einen großen gesellschaftlichen und emanzipatorischen Fortschritt darstellt, führt auf dem Arbeitsmarkt zu dieser oft übertriebenen Zurückhaltung seitens der Arbeitgeber. Sie fürchten Schadenersatzklagen und Prozesse.
Und die gibt es regelmäßig. So zum Beispiel der abstruse Fall eines umtriebigen Rentners, der sich auf eine Pädagogikstelle beworben hatte. Dabei stellte er selbst ziemlich überzogene Forderungen, um eine Ablehnung zu provozieren. Diese focht er dann wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung an und klagte auf Schadenersatz. Er konnte sich damit vor Gericht zwar nicht durchsetzen, machte sich selbst und anderen aber viel unnötige Arbeit.
Nachhaken möglich, aber sinnlos
Natürlich kann man nach einem Vorstellungsgespräch, mit dem man ja schon nah am Ziel war, bei den Personalverantwortlichen nachhaken und höflich um Erläuterung für die Absage bitten. Ein Recht auf Begründung oder Feedback gibt es aber nicht. Wenn man Glück hat, ist die Person gesprächsbereit und erinnert sich sogar an die Begegnung.
Klug und entspannend wirkt es, wenn man von vornherein deutlich macht, dass man keine Rechtfertigung für die Entscheidung, sondern ein Feedback zur Optimierung des eigenen weiteren Vorgehens wünscht. Doch selbst wenn es zu diesem Gespräch kommt, sollte man den Erkenntnisgewinn nicht allzu hoch einschätzen. Echte Knackpunkte erfährt man ohnehin nicht.
Personaler/innen würden nie Gründe angeben wie zum Beispiel: Sie sind zu alt. Wir wollen keine Frau im gebärfähigen Alter. Der Vorstand hat einen bestimmten Kandidaten durchgesetzt. Sie sind zu selbstbewusst, zu qualifiziert – da habe ich Angst um meine eigene Stellung.
Sie entsprechen nicht dem Bild, das wir mit dieser Position verbinden … Solche und ähnliche Wahrheiten werden nicht ausgesprochen, auch nicht am Telefon. Sie wären vielleicht erhellend und hilfreich, doch aus Sicht der Firma wären sie vor allem rechtlich angreifbar, anrüchig, unbequem, peinlich oder zu persönlich. Genannt werden dagegen unangreifbare Allgemeinplätze und übliche Höflichkeiten.
Feedback selbst organisieren
Aber wie lernen, wenn sich die Arbeitgeber bedeckt halten? Dieses Problem beklagen auch viele Nutzer/innen unserer Bewerbungshotline, die als Einzelkämpfer/innen nicht weiter wissen. In ihrer isolierten Situation können sie sich nur unzureichend selbst analysieren und suchen Rat von außen. Das ist gut so und oft der Anfang für einen Lernprozess, den man kaum allein bewältigen kann.
Selbst wenn der Leidensdruck deutlich geringer ist, lohnt es sich, andere mit ins Boot zu nehmen. Das können Freundinnen, Bekannte oder Profis sein, mit denen man über Bewerbungen spricht, die man um spontane Feedbacks bittet oder bei denen man einfach mal den eigenen Frust ansprechen kann. So hält sich zum Beispiel der Aufwand für den Check eines Anschreibens in Grenzen. Einmal konzentriert durchlesen dauert nur wenige Minuten. Länger beschäftigen sich auch die Personalexpert/innen nicht damit.
Wer schon einmal seine Bewerbungsunterlagen guten Freund/innen und Bekannten mit der Bitte um kritisches (!) Feedback vorgelegt hat, bekommt eine überraschende Vielfalt an Kommentaren zurück. Oft sind es dann gar nicht die Punkte, die man selbst für bedenklich hält, sondern ganz neue Aspekte. Ein klares Zeichen dafür, wie eng man im Tunnel der eigenen Bewerbungsarbeit steckt. Geradezu erfrischend können dann die spontanen Kommentare anderer sein, die sich auf Details beziehen: „Bis auf den Schlusssatz alles bestens, aber der ist einfach nichtssagend.“
Oder sie nehmen Formalia unter die Lupe: „Dein Layout des Lebenslaufs ist sehr gewöhnungsbedürftig, das würde ich übersichtlicher machen.“ Manche gehen auf den Gesamteindruck ein: „Ganz ordentlich, aber du könntest etwas weniger umständlich formulieren.“ Und andere sprechen Elementares an: „Du könntest dich etwas selbstbewusster darstellen.“ Da findet jeder und jede etwas anderes – und alle haben meistens ein bisschen recht. Je mehr Leute man fragt, umso mehr Meinungen bekommt man.
Das hört sich nach viel Arbeit an, aber jedes Feedback ist hilfreich, wenn man es aufgeschlossen zur Kenntnis nimmt und gelassen verarbeitet. Entscheidend ist die Reflexion über die Anregungen und deren bewusste Verarbeitung. Das Ergebnis sind Bewerbungsunterlagen, die – von vielen Inputs angeregt – immer besser werden. Die Person, die hinter der Bewerbung steht, wird als Persönlichkeit zunehmend erkennbar und kann im Bedarfsfall jede Formulierung und jede Darstellung als reflektierte Entscheidung begründen. Dieser Prozess hilft auch im anschließenden Bewerbungsgespräch.
Expertentipps einholen
Wer sich von Freundinnen und Bekannten nicht so offen in die Karten schauen lassen möchte oder Bewerbungen lieber diskret abwickeln will, kann sich auch Bewerbungsexpertinnen und Coaches anvertrauen. Während man für einige Angebote etwas tiefer in die Tasche greifen muss, gibt es auch Anlaufstellen, die kostenlose Bewerbungsmappenchecks anbieten.
Dazu zählen zahlreiche Career Services an Hochschulen, aber auch auf Jobmessen stehen Expertinnen und Experten häufig dafür zur Verfügung. Hinweise auf entsprechende Veranstaltungen veröffentlicht der Infodienst regelmäßig unter „kurz & knapp“.
Mit Gleichgesinnten auf Jobsuche
Statt sich also vergebens um konstruktives Feedback von Arbeitgeberseite zu bemühen oder sich alleine auf die Ratgeberliteratur zu verlassen, ist es wichtig, sich Möglichkeiten zum gemeinsamen Austausch zu suchen. Bewerben ist schließlich ein kommunikativer Prozess, der von Kritik und Anregungen lebt. Dazu braucht es Offenheit, Vertrauen und den Dialog mit Gleichgesinnten oder Expert/innen.
Noch effektiver ist eine Feedbackkultur, die auf Gegenseitigkeit beruht; über die man mit anderen, von ihren Fehlern und ihren guten Ideen lernt. Die dafür passenden Strukturen muss man sich selbst schaffen – entweder in Form von informellen Treffen oder im Rahmen regelmäßiger Bewerbungsstammtische.
Entsprechende Kontakte lassen sich über soziale Netzwerke knüpfen, oder man nutzt bereits etablierte Bewerbungscafés (siehe Infokasten). In lockerer Atmosphäre kommen hier Akademiker/innen zusammen, die nicht länger Einzelkämpfer/in sein wollen und sich lieber gemeinsam der Herausforderung Jobsuche stellen.