Corona 2020: Ein Kraftakt mit Lichtblicken
Geschlossen: Die Corona-Pandemie hat weitreichende Einschnitte in das Privat- und Berufsleben mit sich gebracht.

Corona 2020: Ein Kraftakt mit Lichtblicken

Wir haben unsere Leserinnen und Leser gefragt, wie sie dieses Krisenjahr mit dem Corona-Virus erlebt haben und freuen uns über Einblicke in verschiedene Lebenswelten.

Erfahrungsberichte

Was für ein Jahr

Diplom-Pädagogin Kristin Weppler ist als Still- und Schlafberaterin tätig – während des Lockdowns per Videotelefonie. Foto: privat

Der Titel „Was für ein Jahr!“ könnte für unser Jahr nicht passender sein: Im Januar erfuhren wir, dass wir endlich unser zweites Kind erwarten. Mit dem ersten war ich noch in Elternzeit und zuhause. Schon letztes Jahr liefen die Vorbereitungen für meine nebenberufliche Selbstständigkeit als Still- und Schlafberaterin, und in diesem Jahr startete ich also als Dozentin für Mutter-Kind-Kurse sowie als Coach mit Beratungsgesprächen bei den Eltern zuhause. Im März, als der allgemeine Lockdown kam, wurden jedoch sämtliche Kurse auf Eis gelegt. Beratungen wurden nicht mehr angefragt. Mein Mann, der im öffentlichen Dienst angestellt ist, arbeitete fortan im Homeoffice. Mein Sohn, der vormittags von der Tagesmutter betreut wurde, war nun den ganzen Tag zuhause.

Somit war ich wieder 24h-Mama, und wir machten das Beste aus der Situation, indem ich mit meinem Sohn viel draußen war – acht Wochen lang. Mein Mann konnte mich aus dem Homeoffice im Keller unseres Hauses in turbulenten Situationen unterstützen. Nach wenigen Wochen des Lockdown begann ich Beratungen online per Videotelefonie anzubieten. Das wurde dann immer mehr angenommen. Im Sommer, als die Lockerungen kamen, beendete ich meine begonnenen Kurse und fuhr auch hin und wieder zu Beratungsgesprächen in Privathaushalte.

Am 7. Oktober kam dann unser zweites Kind zur Welt. Nun bin ich wieder 24h-Mama. Aber nun mache ich nochmal viele Erfahrungen am eigenen Leib, die sich in meiner Beratungspraxis niederschlagen werden. Und nach dem einen Monat Elternzeit kann mein Mann mich weiterhin aus dem Homeoffice unterstützen – das ist der einzige Vorteil von Corona für uns!

Kristin Weppler
 

Zwischen digitaler Lehre und Gartenarbeit

Corona-Pandemie. Das Wort des Jahres 2020, wie zu erwarten war. Welches Ausmaß die Pandemie nehmen würde, war mir Anfang des Jahres noch nicht bewusst. Ich bin als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn tätig und erinnere mich, dass meine Kollegin und ich am Freitag, den 13.03.2020 unsere Laptops mit allen uns wichtig erscheinenden Daten ausstatteten und uns auf die Schließung der KiTas beziehungsweise die Tagespflege vorbereiteten.

Als ich meine große Tochter aus der KiTa abholte, verabschiedete sich die Erzieherin mit: „Wir sehen uns am Montag“, und ich dachte nur: „Ich fürchte nicht“. Dass ich dann von jetzt auf gleich mit zwei Kindern (5 und 2) im Homeoffice tätig sein musste/sollte, hat unsere Familie wie viele andere auch vor eine wirklich große Herausforderung gestellt. Mein Mann ist in einem systemrelevanten Bereich tätig und hat ab März zusätzlich zur 40-Stunden-Woche Wochenenddienste ableisten müssen. Das Einspringen durch Großeltern oder Freunde fiel aus, sodass die Kinderbetreuung nahezu komplett bei mir lag. Selten war ich so froh über einen Teilzeitjob. 

Die Uni stellte in unserem Fachbereich sehr schnell komplett auf digitale Lehre um und unsere Arbeitsgruppe beschloss mitzuziehen. Alle Module wurden angeboten, nicht eine Vorlesung fiel aus. Zoom wurde in Windeseile installiert und erprobt. Vorlesungsinhalte wurden umstrukturiert, um auch diejenigen Studierenden thematisch zu integrieren, die aufgrund ausfallender Veranstaltungen aus anderen Fachbereichen zu uns kamen. In einem Modul verdoppelte sich die Anzahl der Teilnehmenden, weswegen wir auch die dazugehörige Übung komplett neu aufzogen. Im Schnitt machte ich wöchentlich zehn oder auch mehr Überstunden, viele davon früh morgens oder spät abends, wenn die Kinder schliefen. 

Die Studierenden dankten es uns mit ausgesprochen hohem Engagement, toller Kooperation, kreativen Ideen, wirklich guten Abschlussevaluationen und Verständnis, wenn die Kinder im Zoom-Meeting den Teddy in die Kamera hielten. Wir als Arbeitsgruppe waren stolz, diese Herausforderung gemeinsam gemeistert zu haben. Mitte Juni signalisierte mir mein Körper jedoch, dass eine Grenze erreicht sei. Die vielen schönen Momente auf der Arbeit konnten die Mehrbelastung nicht kompensieren, und so wurde ich zwei Wochen krankgeschrieben. Dass die Kinderbetreuung wieder öffnete, war eine große Erleichterung, und ich bin dankbar, dass trotz der hohen Infektionszahlen im Herbst keine flächendeckenden Schließungen angeordnet wurden.  

Obwohl ich es ausgesprochen schwierig fand, meinen Kindern und dem Job gleichermaßen gerecht zu werden, habe ich die Zeit zwischendurch sehr genossen: lesen, basteln, den Garten völlig neu entdecken, da sich das Rausgehen auf dieses Areal beschränkte, buddeln, pflanzen, beobachten, Stockwände bauen, Steine anmalen, Postkarten versenden, Bücher und Spiele über den Balkon mit Freunden tauschen.

Die Nachbarn neu kennenlernen und sich gegenseitig unterstützen. Den (Arbeits)alltag flexibler gestalten. Alteingesessenes überdenken und neu strukturieren. Weg von: das haben wir immer schon so gemacht, hin zu Lösungen, die aktuell in diesem Moment sinnvoll waren. Sich besinnen auf wirklich Wichtiges, dankbar sein, für viele kleine Augenblicke. Spüren, dass ich nicht viel brauche, um zufrieden zu sein. Das hat mir gutgetan.

R.H.  
 

Plötzlich wieder „Ersti“-Studentin

Noelle Nowack studiert im dritten Semester Rechtswissenschaften in Hamburg – seit Februar ausschließlich von zuhause. Foto: privat

Zum Wintersemester 2019 habe ich direkt nach der Schule mit meinem Studium in Hamburg begonnen. Wie man das heutzutage so macht mit Orientierungswoche, vielen Vorlesungen, noch mehr neuen Leuten und ganz viel Spaß. Wegen der vielen neuen Eindrücke beschloss ich deshalb, meine Urlaube während des Abiturs und des ersten Semesters vorerst ins nächste Jahr zu verschieben. Eigentlich sollte es dann zur Mitte der vorlesungsfreien Zeit im März losgehen: In den Skiurlaub mit der Großfamilie und vielen Freunden. Uns kam dabei ein kleines Virus zuvor.

Nach den Pandemie- und insbesondere den „Ischgl“-Nachrichten schickten wir uns gegenseitig Käse-Fondue Sets und aßen über Skype verbunden alle gemeinsam das traditionelle Käsefondue online. Zu Anfang schien die Pandemie machbar, überhaupt gar kein Problem, wir hatten uns ja kurz vorher gesehen. Mit der Zeit habe ich jedoch festgestellt, dass die Unsicherheit einer Infektion von einem selbst und seinen Mitmenschen ein unterbewusstes Unbehagen, Stress auslöst. Und jeden Tag die Nachrichten nach neuen Corona-Regelungen zu durchforsten, machte diese Situation keineswegs besser.  

Und dann kam die Nachricht: Alle Universitäten bis auf Weiteres geschlossen! Ich war nun quasi wieder „Ersti-Student“ und zwar online. Das erste Semester zählte plötzlich nicht mehr, denn alle Fähigkeiten, die ich bisher erlernt hatte, benötigten zum großen Teil einen Hörsaal, Stift und Papier. Die Nachricht, dass von nun an die Bibliotheken geschlossen seien, ich allerdings am Verfassen meiner Hausarbeit war, löste darauffolgend noch gewaltigen Stress aus. Da lernt man ein ganzes Semester, sich in der Bibliothek zurechtzufinden, um daraufhin in drei Wochen die Online-Bibliothek-Welten zu verstehen und aus diesen gleich die Facharbeit zu verfassen. Ich befinde mich also als Studentin seit Februar 2020 im sogenannten „Home Study Office“. Ja, seit Februar habe ich meine Universität nicht mehr betreten. Die Prüfungen wurden online zum „Download“ zur Verfügung gestellt, und Praktika im Labor gibt es in meinem Fachbereich nicht.

Auf der anderen Seite ermöglicht die derzeitige Situation einem viele neue Möglichkeiten: Ich nehme nun an fachspezifischen Webinaren teil, die von Studentenorganisationen angeboten werden. Vorher wäre ich vermutlich immer zu schüchtern und zurückhaltend gewesen, dorthin zu gehen. Ferner benötigen extracurriculare Veranstaltungen viel zusätzliche Zeit. Jetzt schalte ich mich abends mit einem Tee in der Hand gemütlich von Zuhause per Zoom dazu.

Aber auch Kontakte gehen nicht verloren: Mit Anfang zwanzig habe ich nun eine Brieffreundschaft angefangen. Klingt erstmal schräg, aber es ist sehr nett, jetzt etwas direkt in die Hand aus dem Briefkasten zu bekommen und nicht als weitere WhatsApp. Über soziale Medien schreibe ich nun einfach Kommilliton*innen an, die ich in meinen Zoom-Arbeitsgemeinschaften wiedererkenne. Grundsätzlich muss ich gestehen, wird man offener in der Kontaktaufnahme. Viele Menschen sind auch freundlicher, als ich es bisher an der Universität erlebt habe. Wenn man etwas falsch verstanden oder die Materialien auf den sieben unterschiedlichen Online-Plattformen nicht gefunden hat, ist es selbstverständlich, dass jemand sie einem nochmals zusendet.

Sogar innerhalb der Familie haben wir es mit ein bisschen Übung gemanaged bekommen. Meine Großeltern können jetzt FaceTime und Zoom und sind sehr stolz. Für mich macht es einen großen Unterschied, meine Verwandten beim Telefonieren zu sehen. Ich kann ihnen zum Beispiel zeigen, wie wir unser Wohnzimmer neu gestrichen haben. Ich denke, man muss diese Pandemie für sich richtig auslegen. Einige Dinge müssen jetzt warten, auch wenn sie fällig sind. Andere Dinge kann man vielleicht vorziehen. Außerdem hat man nun die Chance, sich neu zu erfinden: Ich schaue beispielsweise regelmäßig Theaterstücke oder Operetten online, die sonst für mich preislich zu teuer wären.

Noelle Nowack
 

Neu im Job, ab ins Homeoffice

Keine zwei Wochen war es her, dass ich meine neue Stelle in der Kommunikationsabteilung eines Start-ups angetreten hatte, als es plötzlich hieß: Lockdown. Ab morgen arbeiten wir nur noch im Homeoffice. Denn unsere wenigen, kleinen Büros geben es einfach nicht her, dass wir sicher vor Ort arbeiten können. Die Entscheidung war also absolut verständlich. Das Problem daran: Ich war kaum eingearbeitet und saß nun allein zuhause mit einem mir unbekannten Content-Management-System und noch zig offenen Fragen zu den Arbeitsabläufen.

Natürlich hatten meine Chefin und meine Kolleg*innen ein offenes Ohr für mich via Telefon und Zoom, aber ich wollte sie auch nicht ständig nerven. Und persönlich erklärt zu bekommen, wie sich ein Bild einfügen lässt oder welche To-dos Priorität haben, ist einfach nochmal etwas anderes. In einigen schlaflosen Nächten habe ich mich dann eingearbeitet und mittlerweile wechseln wir uns mit den Anwesenheiten im Büro ab, sodass ich mit Abstand wenigstens zwei Mal pro Woche einige Kolleg*innen persönlich sehe.

K.M.
 
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