... auf Jobsuche
Wer sich aus einer Anstellung heraus bewirbt, ist eigentlich in einer komfortablen Ausgangslage: Kein finanzieller Druck und Zeit, eine Stelle zu finden. Doch es braucht umso mehr eine hohe Motivation, Zeitmanagement und Diskretion.
Text: Sabine Olschner
Die Mitarbeiterin in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist hin- und hergerissen: Sie mag ihre Chefin und ihre Kollegen, aber die Aussicht auf einen Aufstieg in der Abteilung ist schlecht. Immer öfter schaut sie in den Stellenmarkt, auf der Suche nach einer besseren Alternative zu ihrem aktuellen Job ...
So wie der PR-Fachfrau geht es vielen: Unzufrieden mit ihrer Arbeit oder dem beruflichen Umfeld wollen sie sich woanders bewerben. Die Ausgangslage ist dafür gut: Ohne finanziellen Druck können sie in Ruhe den Arbeitsmarkt sondieren und geeignete Stellen für eine Bewerbung auswählen. Auch ein Angebot abzulehnen, ist erst einmal kein Problem, wenn es noch einen festen Arbeitsvertrag in der Hinterhand gibt.
Bewerber*innen mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis haben zudem gegenüber arbeitslosen Mitbewerber*innen oftmals bessere Karten, weil sie eingespielt sind und sich nicht nach längerer Erwerbslosigkeit erst wieder in den Berufsalltag einfinden müssen.
Eine Bewerbung aus der Arbeitslosigkeit heraus kann zu weiteren Nachteilen führen: Unter Druck verkauft man sich in der Regel schlechter und nimmt vielleicht Angebote an, die eigentlich gar nicht so gut zu den eigenen Vorstellungen passen. Auch das Verhandeln um gute Konditionen, wie Gehalt, Urlaubstage oder Arbeitszeiten, ist einfacher mit einer festen Stelle im Rücken statt einer Arbeitsagentur, die den Jobsuchenden ständig auf die Finger schaut.
Auf der anderen Seite kann eine sichere Festanstellung dazu verleiten, die Jobsuche gern mal schleifen zu lassen. So dringend ist die Sache schließlich nicht … Klar ist: Stellenmärkte zu durchsuchen und Bewerbungen zu schreiben, kostet Zeit. Wer es ernst meint, sollte sich feste Fristen setzen, zu denen zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Bewerbungen verschickt sein sollte. Ganz wichtig dabei: Die Jobsuche ist eine Privatangelegenheit. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen nicht während der Arbeitszeit in Stellenbörsen surfen oder Anschreiben verfassen dürfen.
Auch Vorstellungsgespräche sollten vor oder nach der Arbeitszeit oder noch besser an freien Tagen stattfinden – dann hat man die nötige Ruhe dazu. Melden sich Arbeitnehmer*innen wegen eines Vorstellungsgespräches bei einem anderen Unternehmen krank oder bleiben sie ohne zu fragen vom Arbeitsplatz fern, droht eine Kündigung, wenn der Arbeitgeber davon erfährt. Klappt es dann doch nicht mit der neuen Anstellung, steht die Bewerberin oder der Bewerber im schlimmsten Fall ganz ohne Job da. Dass für die Kontaktaufnahme zu den Unternehmen eine private E-Mail-Adresse sowie eine private Telefonnummer genutzt werden, sollte selbstverständlich sein.
Diskret vorgehen
Diskretion ist ohnehin das A und O bei der Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Kollegenschaft sollte genauso wenig davon erfahren wie die Vorgesetzten. Auch gegenüber Kundinnen und Kunden sollte man Stillschweigen bewahren. Die Gefahr, dass etwas durchsickert, ist einfach zu groß, und das Vertrauensverhältnis zum bestehenden Arbeitgeber wäre dann gestört.
Berufliche Netzwerke für eine Stellensuche zu nutzen, kann sinnvoll sein, denn nicht selten werden offene Positionen gar nicht über Stellenausschreibungen vergeben. Aber auch hier sollten Wechselwillige aufpassen, wem sie was erzählen. Sind Netzwerkpartner und -partnerinnen zu eng mit dem aktuellen Arbeitgeber verbunden, sollte man lieber darauf verzichten, über den Wunsch eines neuen Arbeitsplatzes zu reden.
Selbst nonverbal besteht die Gefahr, sich und die eigenen Pläne zu verraten: Heimliche Telefonate während der Pause, ungewohnt schicke Kleidung, weil nach Feierabend ein Vorstellungsgespräch ansteht, verräterische Notizen auf dem Schreibtisch oder die Erwähnung der Jobsuche in den Social Media – all das kann dazu führen, dass die Vorgesetzten oder die Kollegschaft misstrauisch werden.
Im Übrigen darf niemandem gekündigt werden, nur weil er sich um einen anderen Job bemüht. Die Erledigung privater Angelegenheiten während der Arbeitszeit kann aber zumindest zu einer Abmahnung führen.
Damit niemand aus Versehen etwas von dem geplanten Stellenwechsel erfährt, sollten Bewerber*innen schon im Anschreiben an den potenziellen neuen Arbeitgeber durch einen Sperrvermerk klar machen, dass die Bewerbung vertraulich zu behandeln ist – entweder in der Betreffzeile oder als Schlusssatz, etwa in Fettschrift, damit es auffällt. Hier kann auch darauf hingewiesen werden, dass ein Anruf zum Beispiel erst vor 9 oder nach 19 Uhr, also außerhalb der Arbeitszeit, erwünscht ist.
Wer ganz sichergehen will, dass der Arbeitgeber nichts erfährt, kann den aktuellen Firmennamen im Anschreiben beziehungsweise im Lebenslauf weglassen und nur zum Beispiel von einem „mittelständischen Unternehmen in der Umweltbranche“ sprechen. Damit wird ausgeschlossen, dass die Personalabteilung beim bisherigen Arbeitgeber anruft und sich nach dem Bewerber oder der Bewerberin erkundigt.
Über das persönliche Profil auf einem Businessnetzwerk wie Xing oder LinkedIn besteht natürlich die Gefahr, dass die Personalabteilung trotzdem den Namen des aktuellen Arbeitgebers erfährt. Wer als Sperrvermerk jedoch etwas schreibt wie: „Da ich mich im Moment in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinde, bitte ich Sie höflich darum, meine Bewerbung bei Ihnen vertraulich zu behandeln“, verpflichtet den möglichen künftigen Arbeitgeber zur Verschwiegenheit. Hält er sich nicht daran, kann das Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.
Sollte trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch herauskommen, dass jemand Bewerbungen verschickt, sollten die Betroffenen gegenüber den Vorgesetzten selbstbewusst bleiben. Es ist durchaus legitim, durch Bewerbungen bei anderen Unternehmen den eigenen Marktwert zu überprüfen. Sollte der Chef oder die Chefin um ein Gespräch zu der Sache bitten, sollten Wechselwillige betonen, dass sie sich nicht gegen das Unternehmen, sondern für eine neue Herausforderung entscheiden. Unter Umständen ergibt sich aus solch einem Gespräch sogar die Gelegenheit auf einen Wechsel der Aufgaben oder der Abteilung beim aktuellen Arbeitgeber.
Loyal bleiben
Bei der Formulierung des Bewerbungsschreibens kommt es außerdem darauf an, den richtigen Ton zu wählen: Im Mittelpunkt sollte nicht stehen, warum man den alten Job verlassen, sondern warum man die neue Stelle antreten will. „Ich möchte mich in einem Unternehmen der Kulturbranche weiterentwickeln“ oder „Meine beruflichen Erfahrungen möchte ich künftig gerne in einer anderen Hilfsorganisation anwenden“ sind Sätze, die dem potenziellen Arbeitgeber zeigen, dass man nach vorn und nicht zurückblickt.
Den alten Arbeitgeber im Anschreiben oder im Vorstellungsgespräch schlechtzureden, ist übrigens absolut verpönt. Die persönlichen Gründe, warum ein Wechsel gewünscht ist – sei es Zwist mit der Chefetage oder ein schlechtes Arbeitsklima –, gehen niemanden etwas an. Auch Interna aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis auszuplaudern, ist tabu – selbst wenn ein entspanntes Vorstellungsgespräch dazu verleitet. Das neue Unternehmen könnte aus solch einem Verhalten schließen, dass der oder die Mitarbeitende dann auch gegenüber seinem nächsten Arbeitgeber nicht loyal ist.
Personalabteilungen sehen es gern, wenn der Bewerbung Arbeitszeugnisse beiliegen. Sie wissen jedoch auch, dass Menschen, die sich aus einer Festanstellung heraus bewerben, solch ein Zeugnis noch nicht vorlegen können. Hilfreich ist es, für solche Fälle ein Zwischenzeugnis parat zu haben. Liegt keines vor, empfiehlt es sich, lieber nicht ohne Grund bei der Chefetage danach zu fragen, weil sie Verdacht schöpfen könnte. Sicherer ist es, im Rahmen des ohnehin regelmäßig stattfindenden Mitarbeitergesprächs um ein Zwischenzeugnis zu bitten.
Hat es schließlich mit einer Bewerbung geklappt und der neue Arbeitsvertrag ist unterschrieben, heißt es, weiterhin professionell zu bleiben. In den letzten Wochen beim alten Arbeitgeber sollten Beschäftigte weiterhin ihr Bestes geben, auch wenn sie sich vielleicht bereits innerlich von ihrer alten Stelle verabschiedet haben.
Projekte abschließen oder geordnet übergeben, Nachfolger*innen gut einarbeiten, in Absprache mit den Vorgesetzten Kunden und Kundinnen über den Wechsel des Ansprechpartners oder der Ansprechpartnerin informieren – all das sorgt dafür, dass man im Guten auseinandergeht. Denn wer weiß: Das Sprichwort sagt schließlich, man sieht sich immer zweimal im Leben.
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