„Wir gehen lösungsorientiert vor!“
Der VDL-Bundesverband vertritt grüne Fachkräfte aus den Bereichen Agrar, Ernährung und Umweltschutz. Er bietet Möglichkeiten der Vernetzung sowie einen Überblick über neue Berufsfelder und aktuelle Themen.

„Wir gehen lösungsorientiert vor!“

Egal ob zu einem aktuellen Thema oder zu neuen Berufsoptionen – Agrarwissenschaftler*innen und Akademiker*innen anderer grüner Berufe können sich beim VDL-Bundesverband Agrar, Ernährung, Umwelt e. V. informieren.

Interview: Annika Voßen 

Markus Ebel-Waldmann ist seit dem Studium Verbandsmitglied des VDL. Seit 2006 ist er ehrenamtlich Präsident. Foto: privat

WILA Arbeitsmarkt: Der VDL hat vor kurzem sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Bemerkenswert, dass schon 1919 so ein Verband gegründet wurde für „akademisch gebildete Landwirte“!
Markus Ebel-Waldmann: Ja, man hat sich berufsständisch zusammengeschlossen mit Blick auf die Nahrungsmittelsicherheit, auf die Bedeutung von züchterischen Maßnahmen im Pflanzenbau und im Tierbereich aber auch aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz, da das Studium der Landwirtschaft bereits damals einen sehr hohen Stellenwert hatte. Das Aufgabenspektrum war schon sehr breit – es ging um die Landespflege, Raumordnungsfragen, Fragen der Bevorratung.

Inzwischen vertreten Sie generell grüne Fachkräfte aus den Bereichen Agrar, Ernährung und Umweltschutz. Wo sind da die Schnittmengen?
Das hängt damit zusammen, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette in der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Auge haben. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Agrarwissenschaften als Systemwissenschaften herausgestellt. Das heißt, wir bilden Schnittmengen zu den Naturwissenschaften, zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Umweltwissenschaften, zur Umwelttechnik und zur Landtechnik.

Wenn man schaut, wo die Studierenden unterkommen, war es eine logische Konsequenz, dass wir für die gesamte grüne Branche, also für die Akademiker und Akademikerinnen in diesem Bereich, zuständig sind, weil es ganz viele Nischen gibt, auch im Beratungsbereich, die wir ansonsten explizit mit unserer klassischen Satzung nicht abgedeckt hatten. Eine Aufgabe unseres Verbands ist auch die Erschließung von neuen Berufsfeldern. Wir können sehr gut ausgebildete Menschen dort positionieren, wo sie gebraucht werden.

Was sind zum Beispiel neue Berufsfelder?
Nehmen wir den Bereich grüne Energie, Wasserstofftechnologie. Das lässt sich vom Energiebereich für den eigenen Betrieb sofort skalieren auf die allgemeine Energieversorgung. Bei der Umwelttechnologie haben wir den großen Background der Landtechnik, also das Know-how, das auf neue Fragestellungen angewendet werden kann. Die Agrarwissenschaften zeichnen aus, dass sie einen hohen Praxisbezug haben. Wir haben zwar auch Leute aus der Grundlagenforschung, aber allesamt haben praktische Erfahrung gesammelt während des Studiums. Der Stallgeruch und die Praxisnähe sind also vorhanden. Bedürfnisse der Bevölkerung können durchaus erkannt und verstanden werden.

Wie entwickelt sich die Arbeitsmarktlage in den verschiedenen Berufsfeldern, die Sie vertreten?
Wir haben eine hervorragende Arbeitsmarktlage und keine Indikation, dass sich daran etwas ändern wird. Ein Studium im grünen Bereich macht nicht nur Spaß und bietet eine sehr breite, aber auch tiefe Ausbildung, sondern man hat auch sehr gute Aussichten, nachher einen Job zu bekommen, der dem Studium gerecht wird.

Wie hat die Coronapandemie das Berufsfeld beziehungsweise den Arbeitsalltag verändert?
Das war eine echte Evolution und Revolution unserer Arbeitsbedingungen. Wir sind sehr neugierig, inwieweit die Veränderungen dauerhaft bleiben. Das betrifft etwa das mobile Arbeiten oder die Webkonferenzen anstelle von persönlichen Treffen. Da schaue ich jetzt allerdings mit Wehmut drauf, dass man zu wenig Gelegenheit für den persönlichen Dialog hat. Aber zu Berufsfeldforen, die vorher regional waren, laden wir jetzt auch über Webkonferenzen ein.

Das ist ganz gut, da erreichen wir Mitglieder, die wir sonst nicht erreichen. Aber: Wenn bei einer Berufsfeldvorstellung in Präsenz interessierte und hochmotivierte Leute sitzen, dann matched es manchmal schon vor Ort. Dann heißt es: Wollen Sie mal bei uns reinschnuppern, wir machen sie mit dem Personalchef bekannt.

Die meisten Verbandsmitglieder sind festangestellt, oder? Was sind typische Arbeitgeber?
Ja, genau. Wir haben eine sehr, sehr starke Sparte öffentlicher Dienst – Bund-, Landes-, Kommunal- oder Kreisbedienstete oder Leute aus Brüssel, die sich mit europarechtlichen Fragen auseinandersetzen. Es gib sehr viel Referendare und Referendarinnen bei uns. Hinzu kommt der privatwirtschaftliche Bereich: Das geht von großen Unternehmen und großen Genossenschaften über mittelständisch geprägte Unternehmen querbeet über die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu kleinen Büros, wo es um die Beratung geht. Dann haben wir im Verband den großen Komplex Hochschule und Forschung, in dem beispielsweise staatliche Forschungsanstalten und große Chemieunternehmen organisiert sind.

Es fällt auf, dass auch Studierende bei Ihnen schon stark vertreten sind, Sie selbst sind ja auch seit Studientagen beim Verband aktiv.
Ja, denn die Studierenden sind unsere Zukunft. Das ist die Sparte, auf die wir voll setzen. Die Arbeit vor Ort wird von unseren Landesverbänden gemacht. Jede Landesgruppe hat eine eigene Studierendengruppe, die sind in einer Bundessparte Studierende organisiert. Das ist sensationell, was die Studierendensprecher da an den Hochschulen machen, wieviel Herzblut sie einsetzen. Sie vermögen es, unser breites Leistungsangebot für unsere Mitglieder an den Hochschulen und Fachhochschulen präsent zu halten.

Was zeichnet Fachkräfte aus Ihrem Bereich besonders aus?
Zum einen eine sehr belastbare fachliche Qualifikation, also ein breites Fundament mit einer Spezialisierung auf einen bestimmten Themenbereich. Was uns außerdem auszeichnet, sind die Soft Skills: Wir gehen lösungs- und nicht problemorientiert vor – und das schon in jungen Jahren. Wir sind, überspitzt gesagt, in der Lage, Komplexität aufzulösen, Dinge einfach und verständlich darzustellen. Gerade für die Besetzung von Schlüsselfunktionen im höheren Dienst wäre daher jemand aus den Agrarwissenschaften gegenüber jemandem aus den Rechtswissenschaften aus meiner Sicht die bessere Lösung.

Über welche Herausforderungen und Themen wird gerade im Verband diskutiert?
Welche Antworten können wir als Berufsverband auf Energiefragen geben? Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft leisten? Was können die Vertreter der grünen Branche in Gänze tun? Was ist von Agriphotovoltaik zu halten? Oder wie schaffen wir es, forschungsmäßig vorne zu bleiben? Zum Beispiel bei Themen wie Ernährungssicherheit, Wasserwirtschaft, Düngemittelverordnung.

Es geht uns als Verband auch darum, dass wir den akademischen Mittelbau an den Hochschulen stärken und nicht nur auf zeitlich befristete Tenure Track-Professoren gesetzt wird. Es ist ein Unding, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erst ab Mitte 40 einen festen Arbeitsvertrag haben. Bei Unternehmen ist die Unsitte, Ein- bis Zwei-Jahresverträge anzubieten, Gott sei Dank vorbei. Das darf auch an den Hochschulen kein Automatismus sein. Wir werben auch dafür, dass es sich lohnt zu promovieren, also wissenschaftlich eine Schippe drauf zu legen.

Welche Möglichkeiten bieten sich den beständigen Mitgliedern?
Wir versuchen, das Fachliche und das Gesellige zu kombinieren. Für uns ist wichtig, dass der Austausch groß geschrieben wird. Wir freuen uns, dass wir im Mai mal wieder eine Bundesversammlung in Präsenz in Landshut haben. Wir leben vom Austausch, vom Miteinander. Das ist die letzten zwei Jahre sehr auf der Strecke gebelieben. Das sind Fähigkeiten, die kriegen Sie an keiner Hochschule. Wichtig ist der Austausch zwischen Jung und Alt, aber gleichermaßen zwischen Öffentlichem Dienst und Unternehmen, zu den Studierenden, zu den Absolvierenden hin.

Die Berufsfeldvorstellung ist uns daher ein großes Anliegen. Hier geht es darum, neue Berufsfelder von den Unternehmen, beziehungsweise den Mitarbeitenden, mal authentisch vorstellen zu lassen. Man erfährt: Was kommt auf einen zu? Welches Profil wird verlangt? Mit welchen Gehältern kann man rechnen, was gibt es für sonstige Leistungen? Und wenn nachher ein Bewerbungsverfahren läuft, dann kennt man sich schon von der Veranstaltung. Flankiert wird dies durch regelmäßige Arbeitsmarktbefragungen, die unterschiedliche Universitäten für uns durchführen.

Wie kann man sich beim VDL einbringen?
Man kann natürlich als passives Mitglied nur die Vorteile genießen. Oder aber sich aktiv einbringen. Wir leben von neuen Ideen und wollen pluralistisch und breit gefächert aufgestellt sein. Ob es darum geht, mal eine eigene Berufsfeldvorstellung zu organisieren oder sich einzubringen in die Arbeitskreise – dem eigenen Engagement sind keine Grenzen gesetzt, das geht von ein bisschen Zeit investieren bis hin zu richtig Vollgas geben.

Welche Arbeitskreise gibt es beispielsweise?
Es gibt immer wieder Ad hoc-Arbeitskreise wie Öffentlicher Dienst, Nachhaltigkeit in der Verwaltung, aber auch dauerhafte zum Agilen Arbeiten, zu Diversity oder zur Digitalisierung. Hier geht es etwa darum, wie die Digitalisierung die Branche verändert oder welche neuen Jobprofile daraus entstehen.

Sie legen als Berufsverband auch stark den Fokus auf Beruf und Karriere. Welche Weiterbildungen bieten Sie zusammen mit Kooperationspartnern an?
Hier geht es tatsächlich um die Soft Skills, um die Persönlichkeitsentwicklung, ein Stück weit um arbeitsrechtliche Fragestellungen. Alles was mit Geld zu tun hat, spielt ebenfalls eine Rolle in unserem Beratungsangebot. Was die fachliche Qualifikation angeht, da erkennen wir als VDL sehr hoch an, in welcher Tiefe und Qualität die Ausbildung an den Hochschulen läuft. Was noch übrig bleibt davon, was der Arbeitsmarkt verlangt, das machen wir. Da springen wir gerne in die Bresche.

VDL-Bundesverband Agrar, Ernährung,
Umwelt e. V.

Der VDL blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Gegründet wurde er 1919 als Reichsbund akademisch gebildeter Landwirte e.V. (R.a.g.L). Der Verband hat rund 10.000 Mitglieder. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind:
  • VDL-Newsletter: erscheint jeden Monat, hinzu kommen Sondernewsletter
  • Austausch und Vernetzung bei Stammtischen, Berufsfeldforen und in Arbeitsgruppen
  • Veranstaltungen wie die VDL-Jahrestagung und Fortbildungen
  • Vergünstigungen bei Veranstaltungen und Weiterbildungen
  • Mentoring-Programm
  • Gehalts- und Karriereberatung
     
Jahresbeitrag:
  • Circa 120 bis 130 Euro für Vollmitglieder, je nach Landesverband
  • Circa 30 bis 40 Euro für Studierende
     
Webseite:
  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
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