„Wir sind ein Mitmach-Verband“
Was machen Social-Media- oder Community-Manager*innen? Sie werden zunehmend in Unternehmen oder verschiedenen Institutionen gebraucht, dennoch wird die Branche oft unterschätzt.

„Wir sind ein Mitmach-Verband“

Die Arbeitsmarktlage für Social-Media- und Community-Manager*innen ist gut. Allerdings werden die Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen oft unterschätzt. Der Bundesverband Community Management (BVCM) will das ändern.

Interview: Annika Voßen 

Vivian Pein ist Gründungsmitglied und seit 2021 nun die Vorsitzende des BVCM. Foto: Laura Moneke

WILA Arbeitsmarkt: Wie entwickelt sich die Arbeitsmarktlage?
Vivian Pein: Gut! Gerade erfahrene Community-Manager*innen werden derzeit händeringend gesucht. Der Bedarf an guten Kommunikator*innen ist in der Pandemie stark gestiegen. Auch im Social-Media-Bereich haben wir noch relativ viel Luft nach oben. Natürlich gibt es in Deutschland große leuch­tende Beispiele, aber es gibt noch viele Unternehmen, die weder Strategie noch Plan haben.

Wo arbeiten die Mitglieder des BVCM?
Das ist ganz unterschiedlich, weil wir von Selbstständigen und Freelancern, der kleinen inhabergeführten Agentur über Mitarbeitende von Mittelständlern und NGOs bis hin zu Großkonzernen tatsächlich eine komplett bunt gemischte Gruppe von Mitgliedern haben. Was es aus meiner Sicht auch so spannend macht! Denn bei Social-Media- und Community-Management hat man ja sehr viele Mechanismen und Prinzipien, die unabhängig vom Absender funktionieren.

Man muss sich in dem Beruf sehr viel mit der Psychologie und menschlichem Verhalten beschäftigen, um eine bestmögliche Strategie zu finden. Es ist wichtig, dass man die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen in den Mittelpunkt stellt und wirklich Inhalte kreiert, die dazu passen, und dann ganz genau guckt: Wie kann ich auf Basis dieser Bedürfnisse Ziele für meine Social-Media- oder Community-Strategie finden, die einen Beitrag zu den Unternehmenszielen leisten? Diese Schnittstelle zu finden, ist die große Kunst und die große Herausforderung der Branche.

Das ist sicher ein Aspekt, der vielen nicht klar ist. Darum wollen Sie die Berufsbilder professionalisieren?
Richtig. Auf der einen Seite, damit Social-Media- und Community-Manager*innen die bestmögliche Arbeit machen können. Und auf der anderen Seite, weil die Branche sich auch nur die Anerkennung und Wertschätzung erarbeiten kann, wenn sie zeigt, dass es wirklich eine Disziplin ist, die einen großen Unterschied oder einen großen Mehrwert für das jeweilige Unternehmen oder die Organisation abbilden kann.

Es ist die große Herausforderung, nicht nach den sogenannten Vanity Metrics zu arbeiten – ich habe soundso viele Fans und Follower gewonnen – , denn in der Regel interessiert das die Geschäftsleitung nicht. Es geht darum, wirklich Metriken, also Key Performance Indicators (KPIs), zu finden, die einen Beitrag zu den Unternehmenszielen nachweisen. Stattdessen vertrauen viele noch auf ihr Bauchgefühl. Hier setzen wir an, nicht nur durch die Zertifizierung, die eine Maßnahme ist, um in dem sehr bunten Weiterbildungsmarkt ein Qualitätssiegel zu bieten.


 
„Da ist ja das Problem: Social-Media - oder Community-Manager*innen sind keine geschützten Titel, und im Endeffekt kann sich jeder das Label aufkleben.“
 

 

Man kann bei Ihnen die Zertifizierung bekommen, egal wo man eine Weiterbildung absolviert hat?
Ja, man muss 40 Stunden Fort- oder Weiterbildung gemacht haben und kann bei uns dann noch einmal ein unabhängiges Siegel bekommen. Auch ohne den Nachweis einer Weiterbildung kann man eine Zertifizierung bekommen, wenn man eine gewisse Berufserfahrung hat – das ist ja gerade für die alten Hasen und Häsinnen wichtig. Bei uns prüfen langjährige Social-Media- und Community-Manager*innen die jeweiligen Anwärter*innen, um abzuschätzen, ob die jeweilige Person in der Lage ist, in einem Unternehmen ein Social-Media- oder Community-Engagement zu vertreten. Da ist ja das Problem: Social-Media - oder Community-Manager*innen sind keine geschützten Titel, und im Endeffekt kann sich jeder das Label aufkleben.

Welche Berufsbilder gibt es denn überhaupt?
Für den Verband haben wir drei Berufsbilder definiert: Social-Media-Manager*in, Community-Manager*in und drittens Corporate-Community-Manager*in. Letzteres hat den Schwerpunkt auf dem Management von unternehmensinternen Communities. Der Fokus liegt hier stärker auf Wissensmanagement und dem Kollaborationsaspekt als bei externen Netzwerken.


 
„Die Branche bekommt noch zu wenig Anerkennung und Verständnis. Nur wenn wir es schaffen, das zu verändern, können wir auch die Arbeitsbedingungen […] verbessern.“
 

 

Welche Interessen vertreten Sie als Verband?
Die Branche bekommt noch zu wenig Anerkennung und Verständnis. Nur wenn wir es schaffen, das zu verändern, können wir auch die Arbeitsbedingungen für die entsprechenden Mitarbeitenden in der Branche verbessern. Vielen ist nicht klar, wieviel dazu gehört, den Job vernünftig zu machen, und welchen Herausforderungen gerade Community-Managern da draußen im Dialog begegnen. Wir müssen dafür eine Wahrnehmung schaffen, damit die Arbeitgeber hier mehr Sensibilität haben und dafür sorgen, dass es genug Ressourcen, genug Zeit gibt. Gerade für Community-Manager ist es auch wichtig, dass es Supervision oder eine Anlaufstelle für mentale Unterstützung gibt. Das ist heute leider noch nicht flächendeckend vorhanden.

Das unterschätzen bestimmt auch viele Bewerber*innen, oder?
Natürlich ist nicht das ganze Internet schlecht. Schönwetter-Community-Management gibt es natürlich nach wie vor, auch wenn sich der eine oder die andere in den letzten zwei Jahren umgeschaut hat, weil die eigentlich ruhige Community auf einmal einen Koller bekommen hat und man unschöne Dinge moderieren musste: Bei Behörden zum Beispiel, die online die Coronamaßnahmen verkünden mussten und dann 5.000 Hasskommentare pro Tag in den Kommentarspalten hatten.

Ich habe in den letzten zwei Jahren die höchste Fluktuation in solchen Positionen erlebt, die ich je gesehen habe, was ja auch verständlich ist. Man sollte sich als Bewerber*in also auseinandersetzen mit den schönen Seiten, aber auch ehrlich zu sich sein und überlegen: Passt der Arbeitgeber zu mir, kann ich das? Das ist der Grund, warum große Arbeitgeber jemanden intensiv testen, bevor sie eine solche Position besetzen. Für den Dialog muss man ein dickes Fell haben und ein gutes Kommunikationsgefühl.

Was sind also wichtige Fähigkeiten in dieser Branche, mit denen man auch außerhalb punkten könnte?
Die wichtigste Eigenschaft für mich ist Empathie! Egal ob ich intern begründen muss, warum Social-Media-Management wichtig ist, oder ob ich in den Dialog mit Anspruchsgruppen gehe – ich muss verstehen, was Menschen bewegt, um zielgerichtet kommunizieren zu können. Das zweite ist kommunikatives Geschick, nicht nur bei der Krisenkommunikation, sondern das Wissen darüber, wie ich Dialoge in der Community anrege. Drittens Projektmanagementkompetenz und die Fähigkeit, einen strategischen Überblick zu behalten, denn Social-Media-Management ist so dynamisch, dass ich Strategien immer wieder anpassen muss. Und viertens: Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen – also zu wissen, wie ich mit Menschen umgehen kann, damit alle an einem Strang ziehen.


 
„Wir sind ein Mitmach-Verband! Je mehr man sich einbringt, desto mehr zieht man für sich raus.“
 

 

Warum sollte man Mitglied im BVCM werden?
Der wichtigste Grund: Ich habe hier mehr als 300 Experten und Expertinnen, die wirklich in diesem Bereich arbeiten und mit denen ich mich auf Augenhöhe austauschen kann. Thema Vernetzung: Da finden sich sowohl aus unserem Mitgliedernetzwerk als von extern auch Jobangebote. Dann natürlich auch das Thema Interessensvertretung: Wir organisieren uns in Arbeitsgruppen zu wichtigen Themen, sei es zu Berufsbildern oder einem Branchenkodex. Wir wollen auch ein Mentoringprogramm aufsetzen, um Neulinge in der Branche gezielt zu stützen und zu fördern.

Auch der Bereich Praktikumsplätze und Co. wird noch stärker ausgebaut werden. Was wir auch regelmäßig machen, ist die Studie zum Status von Social-Media- und Community-Management in Deutschland, wo man auch unterstützend tätig werden kann. Wir machen außerdem regelmäßig lokale Stammtische wie auch online Themenstammtische. Wir sind ein Mitmach-Verband! Je mehr man sich einbringt, desto mehr zieht man für sich raus.

Auf welchem Gebiet sollte man sich auf dem Laufenden halten?
Ich sollte wissen: Wo sind meine Anspruchsgruppen unterwegs, welche Veränderungen gibt es in den Netzwerken, wie muss ich das strategisch berücksichtigen? Marktforschung und Zielgruppengespräche sind in diesem Kontext in der Branche immer noch unterschätzt. Da lohnt es sich hinzuschauen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Online-Magazine und Podcasts wie zum Beispiel Allfacebook.de, Future Biz oder die Online Marketing Rockstars.

Dieser Text ist Teil der Serie "Gemeinsam stark im Verband", die zurzeit im WILA Arbeitsmarkt erscheint. 

Wie kann man den Quereinstieg schaffen?
Sich intensiv mit dem Thema beschäftigen, sich Wissen aneignen. Am besten kann man dann entscheiden, ob der Beruf was für einen ist, wenn man versucht, eine Praktikumsstelle zu bekommen und wirklich mal mehrere Wochen lang eine intensive Einbindung bekommt, gerade im Community-Management, also im Dialog mit den Anspruchsgruppen. Es reicht auch nicht, persönlich ein tolles Instagram-Profil aufzubauen. Die Grundprinzipien sind vielleicht ähnlich, aber es ist immer noch mal was anderes, wenn ich das für ein Unternehmen mache. Es schadet auch nicht, eine Weiterbildung zu machen, bevor man sich da reinstürzt, weil es einem gerade im Bereich Strategie noch einmal die Sicherheit gibt, dass man sich intern behaupten kann.

Was hat es mit dem Nachwuchsstipendium auf sich?
Das vergeben wir zusammen mit der Leipzig School of Media ein- oder zweimal im Jahr und zwar einen Platz je Studiengang Social-Media- und Community-Management. Es ist also eine Kombination aus Studium und Prüfung bei uns. Das Stipendium ist immer sehr beliebt, wie wir gerade wieder bei den Bewerbungen gesehen haben.

Welche Themen beschäftigen den Verband gerade?
Die Menge an Kommunikation ist in der Pandemie deutlich gestiegen, weil die Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen, sodass sie online mehr Austausch suchen. Die deutlich schlechter gewordene Kommunikationskultur bewegt viele und damit einhergehend das Thema Resilienz: Wie kann ich mit psychischen Anforderungen bestmöglich umgehen, die der Beruf leider mit sich bringt? Wenn ich acht Stunden lang so einen Mist moderiere, dann macht das was mit mir. Das Interesse an dem Thema merke ich sehr stark in der Branche. Immer interessant sind auch die neuen Trends, neue Netzwerke zum Beispiel, oder dass das Bewegtbild wichtiger wird – die Ressourcen in den Abteilungen aber gleich bleiben.

Bundesverband Community Management (BVCM)

Der Bundesverband Community Management wurde 2008 gegründet. Er hat rund 300 Mitglieder. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind:
  • Austausch und Vernetzung bei Stammtischen und in Arbeitsgruppen
  • Veranstaltungen und Fortbildungen
  • Vergünstigungen bei Branchenevents
  • Jobangebote
Kosten:
  • 65 Euro für Vollmitglieder
  • kostenlos für Studierende entsprechender Studiengänge
Webseite:
  • www.bvcm.org
  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
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