Einfluss nehmen und mitgestalten
Für eine nachhaltige räumliche Planung wird Expertise gebraucht. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist auch wegen des Generationenwechsels gut, viele Büros und Verwaltungen suchen neue Planer*innen.

Einfluss nehmen und mitgestalten

Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) vertritt die Interessen aller, die in der räumlichen Planung tätig sind – etwa beim Thema Honoraranpassung. Engagement seitens der Mitglieder ist gern gesehen.

Text Annika Voßen

Fehlender Wohnraum in den Großstädten, die Anpassung an den Klimawandel, eine Mobilität, die nicht nur auf das Auto ausgerichtet ist – wer in der Planung arbeitet, ist ganz nah dran an den Herausforderungen unserer Zeit und eine gefragte Fachkraft. „Die Lage am Arbeitsmarkt ist seit Jahren ausgesprochen gut aufgrund der vielfältigen Aufgaben. Viele Planungsbüros suchen dringend neue Mitarbeiter, auch viele Verwaltungen stellen neues Personal ein. Dies hat neben den wachsenden Aufgaben zum Teil auch mit einem Generationenwechsel zu tun, wie zum Beispiel in der Berliner Verwaltung. Die Chancen für Hochschulabsolventen sind momentan ausgesprochen gut “, erläutert Dr. Gabriele Schmidt.

Sie ist Geschäftsführerin bei der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. Auch wegen dieses Fachkräftemangels komme es bei Planungsvorhaben oft zu zeitlichen Verzögerungen. Es müsse deswegen dringend in die Ausbildung an den Hochschulen investiert werden. „So gibt es zum Beispiel in dem großen Flächenland Bayern immer noch nicht die Möglichkeit, Stadt- und Regionalplanung zu studieren. Das Ergebnis ist, dass die Planungsbüros und die Verwaltungen dort auf Hochschulabsolventen aus anderen Bundesländern angewiesen sind. Angesichts des sich auftuenden Fachkräftemangels ist das ein Problem.“ Auch dafür setzt sich der Berufsverband ein.

Die Vereinigung hat rund 2.000 Mitglieder. Rund die Hälfte arbeitet in privaten Planungsbüros, ein Drittel in der Verwaltung, viele davon in den Kommunalverwaltungen. Hinzu kommen Beschäftigte aus Landes- und Bundesbehörden sowie aus der Forschung und Lehre. „Wir sind ein Berufsverband für alle in der räumlichen Planung Tätigen. Ein Großteil ist zwar im Bereich Stadt- und Regionalplanung tätig, aber wir haben auch Verkehrsplaner, Umweltplanerinnen, Geografen oder Landschaftsarchitektinnen“, sagt die promovierte Politikwissenschaftlerin, die im Nebenfach Stadt- und Regionalplanung studiert hat und über verschiedene Stationen in der Stadt- und Regionalforschung seit 2018 die Geschäftsführung bei der SRL innehat.

Sie ergänzt: „Wie offen wir sind, kann man ja auch an meinem eigenen
Lebenslauf sehen.“ Was die Absolvierenden der Stadt- und Regionalplanung auszeichne, sei, dass sie stets im räumlichen und gesellschaftlichen Kontext denken würden. „Sie können gut organisieren und koordinieren, besitzen gute Kommunikations- und Moderationsfähigkeiten und verfügen, gerade weil Planungsprozesse sich oft über einen längeren Zeitraum erstrecken, Geduld, Kritikfähigkeit und Ausdauer. Diese Fähigkeiten lassen sich vielfältig einsetzen, auch in anderen Branchen.“

Kollegiale Beratung

Der Jobeinstieg sei für Planer*innen aufgrund der guten Arbeitsmarktlage nicht sonderlich schwer. „Aber es schadet nie, bereits während des Studiums eine Idee davon zu entwickeln, in welchem der vielfältigen Arbeitsbereiche – etwa Stadtentwicklung, Dorfentwicklung, Regionalplanung oder in der Forschung – man später tätig sein will und neben dem Studium bereits erste Praxiserfahrungen zu sammeln“, sagt Schmidt. Wer als Verbandsmitglied auf Jobsuche ist, kann auch auf die Erfahrungen der anderen Mitglieder zurückgreifen.

„Die SRL ist ein bundesweites Netzwerk, die Mitglieder arbeiten in allen Bereichen der räumlichen Planung. Man kann über die Mitgliedschaft mit vielen ins Gespräch kommen und vielfältige Kontakte knüpfen.“ Einen Austausch auf Augenhöhe sollen auch die regelmäßigen Tagungen ermöglichen, an denen man auch als Nichtmitglied teilnehmen kann. „Räumliche Gerechtigkeit“ heißt das Motto der nächsten Jahrestagung im November 2022.

Der Verband lebe vom Engagement der Mitglieder. „Jeder ist willkommen, man kann sofort mitmachen.“ Wer sich einbringen möchte, kann dies zum Beispiel in einem der zehn Arbeitskreise tun und hier Positionspapiere mit erarbeiten, etwa zu Themen wie Energie- und Klima, Stadterneuerung oder Planungsinstrumente nachhaltiger Mobilität. Auch die „Junge SLR“ findet sich in dieser Liste.

„Das ist ein Arbeitskreis, der sich speziell an den Nachwuchs richtet und vor allem für die Mitglieder ist, die neu reinkommen bei uns und erstmal unter Gleichaltrigen einen Anschluss suchen. Die meisten sind unter 35 Jahre“, erläutert Gabriele Schmidt. „Es ist ein sehr aktiver Arbeitskreis, der sich rege in die Verbandsarbeit einmischt.“ Hinzu kommen die Regionalgruppen, in denen man Veranstaltungen organisieren kann, und die Ausschüsse, also Fachgremien, in die man als Mitglied vom Vorstand berufen wird.

Auch wenn sich die SRL als politisch unabhängig versteht, versucht sie doch, Einfluss auf die Politik zu nehmen, um eine gemeinwohlorientierte, nachhaltige Planungspolitik voranzutreiben. Expertise wird zum einen von der Politik regelmäßig und zumeist kurzfristig eingefordert. Hier sind dann die Ausschüsse gefragt, in denen ausgewählte Expert*innen des Verbands Stellung nehmen zu aktuellen politischen Themenstellungen.

Zum anderen sucht die SRL selbst regelmäßig das Gespräch mit den Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus Politik und Verwaltung. Die Vereinigung ist außerdem Gründungsmitglied des „Bündnis Bodenwende“, einem Zusammenschluss von Akademien, Kammern, Verbänden und Stiftungen aus den Bereichen Architektur und Raumplanung, Umwelt und Naturschutz sowie Soziales und gesellschaftlicher Teilhabe. Gegründet wurde das Bündnis für eine sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land im Jahr 2020. Weitere Zusammenschlüsse in diese Richtung sind geplant „Da tut sich gerade eine Menge“, so Schmidt.

Pandemie als Katalysator

Zu ihrem Selbstverständnis schreibt die Vereinigung auf ihrer Webseite: „Die Mitglieder der SRL sehen in der Gestaltung ihrer Umwelt durch verantwortliche Umsetzung räumlicher Planungen einen Beitrag zur Zukunftssicherung und eine Voraussetzung für ein ‚gutes Leben‘ kommender Generationen“. Die Stadt müsse bei einer nachhaltigen Stadtentwicklung als Ganzes betrachtet werden, erklärt Gabriele Schmidt: „Es muss geprüft werden, ob Entscheidungen zukunftsfähig und reversibel sind. Dabei müssen alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden – diese umfassen Wirtschaft, Soziales sowie Kultur und Umwelt.

Im Bereich der Stadtentwicklung umfasst dies zum Beispiel einen sparsamen Umgang mit dem Boden, ausreichende Grün- und Blauflächen, aber auch eine Orientierung am Gemeinwohl. Eine nachhaltige Stadtentwicklung basiert auf einem integrierten Planungsansatz und breiter Beteiligung. Planung muss flexibel sein und zukünftige Entwicklungen antizipieren.“ In der Verkehrsplanung heißt das inzwischen, dass nicht nur Autos, sondern alle Mobilitätsformen gleichermaßen berücksichtigt werden. „Wenn es uns gelingt, Straßenräume wieder so zu gestalten, dass Kinder selbstständig mobil sein können, ohne dass Eltern Angst haben müssen, haben wir viel erreicht.“

Die Pandemie hat hier durchaus zu einem Umdenken geführt. Plötzlich waren in Berlin zum Beispiel sogenannte Pop-up-Radwege auf einer bisherigen Autospur möglich. Der Blick auf und die Anforderungen an die Innenstädte haben sich ebenfalls verändert. „Die Coronapandemie war wie ein Katalysator für die Digitalisierung. Homeoffice und Online-Shopping haben enorm an Bedeutung gewonnen. Dies hat natürlich Auswirkungen auf unser Mobilitätsverhalten und auf den Einzelhandel und die Bürostandorte in den Innenstädten“, erklärt Schmidt.

Gleichzeitig habe sich gezeigt, wie wichtig Flächen wie Parkanlagen zur Erholung außerhalb der eigenen vier Wände sind. „Worauf es nun ankommt, ist, die Transformation der Innenstädte planerisch zu gestalten und hierfür entsprechende Nutzungskonzepte zu entwickeln. Es gilt, eine stärkere Nutzungsmischung sowie innovative Konzepte für Handel, Gastronomie, Kultur, Handwerk und Büroarbeit zu entwickeln. Das beinhaltet auch das Zulassen von temporären Nutzungen und die Förderung von ‚neuen‘ Orten der Büroarbeit wie zum Beispiel Co-Working-Spaces.“

Für die Interessen des eigenen Berufsstands macht sich die Vereinigung ebenfalls stark. Sie ist zum Beispiel in den Vertreterversammlungen und in den Vorständen der Architektenkammern präsent oder entwickelt Qualitätskriterien im Rahmen des Akkreditierungsverbunds für Studiengänge der Architektur und Planung.

„Weiterhin setzten wir uns gegenüber der Bundesregierung für eine Dynamisierung der Honorare in der Flächenplanung ein. Während die Honorarentwicklung zum Beispiel im Hochbau an der allgemeinen Preisentwicklung teilnimmt, sind die Honorare in der Flächenplanung statisch; sie wurden zuletzt im Jahr 2013 erhöht. Dies führt dazu, dass die Planungsbüros einen faktischen Honorarverlust erleiden. Dies muss dringend geändert werden“, fordert die Geschäftsführerin. Es gelte der Politik klarzumachen: „Wenn Ihr wirklich wollt, dass die Planungsprozesse schneller werden, brauchen wir ausreichend Planer und Planerinnen, die diese durchführen können. Dafür brauchen wir auch attraktive Gehälter.“

Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V.

Die SLR wurde 1969 gegründet. Der Verband hat rund 2.000 Mitglieder. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind:
  • Newsletter mit Fachinformationen und Veranstaltungstipps
  • Fachzeitschrift alle zwei Monate
  • Austausch und Vernetzung bei Stammtischen und in Arbeitsgruppen
  • Halbjährliche Tagung, Regionaltreffen, Exkursionen
  • Vergünstigungen bei Veranstaltungen
Kosten:
  • 184 oder 204 Euro je nach Jahreseinkommen
  • 60 Euro für Studierende und Mitglieder mit geringem Einkommen
  • 84 Euro für aus dem Berufsleben Ausgeschiedene
Webseite:
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