Der Traum vom Ruf
Eine Professur auf Lebenszeit ist das Ziel vieler Nachwuchswissenschaftler*innen. Der Prozess ist komplex, der Weg lang und die Konkurrenz groß. Doch es lassen sich verschiedene Optionen nutzen.
Text: Anne Prell
Lange galt die Habilitation als einziges Treppchen zum ersehnten Lehrstuhl. Doch promovierten Nachwuchswissenschaftler*innen stehen mehrere Türen offen. Nachwuchsgruppenleitungen, Tenure-Track- und Junior-professuren qualifizieren ebenfalls für eine Professur auf Lebenszeit und öffnen neue Türen für wissenschaftliche Karrieren. Auch forschungsstarke Quereinsteiger*innen aus der freien Wirtschaft sind bei Universitäten wie Fachhochschulen wegen ihrer Praxiserfahrung und ihres internationalen Netzwerks gleichermaßen begehrt. Es gilt das Prinzip der Bestenauslese: Mit Disziplin, intrinsischer Motivation, Publikationen, einem guten Netzwerk und erfolgreicher Anwerbung von Drittmitteln können promovierte Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Chancen auf eine Professur erhöhen. Doch längst nicht jede*r ist erfolgreich: 2018 kamen laut Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) 44.947 Bewerbungen auf 2.008 Stellen, im Schnitt 22 Bewerbungen pro Berufung.
Wege zur Professur
Doch wie wird man überhaupt berufungsfähig? Zu den Qualifikationswegen gehört neben den Juniorprofessuren, Nachwuchsgruppenleiterstellen und dem Quereinstieg aus der freien Wirtschaft nach wie vor der klassische Weg über die Habilitation. Laut dem BuWiN 2021 wurden im Jahr 2018 1.529 Habilitationen abgeschlossen. Die formalen Rahmenbedingungen für eine Habilitation regeln das Landeshochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes und die Satzungen der jeweiligen Hochschule und Fakultät.
Vor allem in den Rechts- und Geisteswissenschaften wird eine Habilitation oft nach wie vor erwartet, auch wenn die Kandidat*innen bereits eine Juniorprofessorenstelle besetzen. Seit 2002 gibt es diese Möglichkeit der Juniorprofessur, für die eine Habilitation nicht zwingend erforderlich ist und die für die Berufung auf eine Professur auf Lebenszeit qualifiziert. Laut einer Studie des Instituts für Hochschulforschung (HoF) in Halle-Wittenberg in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) aus dem Jahr 2015 wurden seit der Einführung im Jahr 2002 etwa 85 Prozent der Juniorprofessor*innen auf eine Professur berufen.
Junior- und Tenure-Track-Professuren sind vergleichsweise häufig in den Fächergruppen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vertreten. Für Nachwuchswissen-schaftler*innen in der Postdoc-Phase bietet die Tenure-Track-Professur eine echte Karriereoption. Die Voraussetzungen decken sich mit den Anforderungen an eine Juniorprofessur. Dazu gehören ein abgeschlossenes Studium, pädagogische Eignung und die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit.
Der Nachweis dafür wird meistens durch die Qualität der Promotion erbracht. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) unterscheidet dabei zwischen einem echten und einem unechten Tenure Track: Während der unechte Tenure Track eine mögliche Professur auf Lebenszeit lediglich in Aussicht stellt, sagt der echte Tenure Track die Professur auf Lebenszeit bei positiver Evaluation nach einer bestimmten Bewährungszeit rechtsverbindlich zu.
Das Berufungsverfahren
Ob Tenure Track oder Professur auf Lebenszeit: Die Bewerber*innen durchlaufen ein komplexes Berufungsverfahren mit verschiedenen Akteuren und Stationen. Für gewöhnlich wird eine Professur öffentlich und international ausgeschrieben und setzt einen Prozess in Gang, der bis zu zwei Jahre dauern kann. In Ausnahmefällen kann das Verfahren verkürzt werden, zum Beispiel, wenn eine herausragende wissenschaftliche Persönlichkeit für die Hochschule gewonnen werden soll. In der Regel ist ein Berufungsverfahren jedoch streng reglementiert und einsehbar.
Das Gütesiegel des DHV zeichnet Hochschulen mit hervorragenden Berufungsverfahren aus und legt dabei den Fokus auf Fairness, Wertschätzung, Transparenz und Verlässlichkeit in Berufungs- und Bleibeverhandlungen. Die Berufungskommission begleitet den Prozess und lädt im Berufungsverfahren die besten Kandidat*innen zur Anhörung ein. Dazu gehört ein Vortrag mit anschließender Diskussion, eine Probelehrstunde und die Darlegung des jeweiligen Lehr- und Forschungskonzepts. Nach den Anhörungen lässt die Berufungskommission in der Regel externe, unabhängige Gutachten erstellen.
Im Wettstreit um die Besten
Wissenschaftliche Qualifikationen spielen bei der Berufung eine große, aber nicht die einzige Rolle. Je nach Hochschule legt die Berufungskommission auch Wert auf soziale Kompetenz, Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit oder die Fähigkeit, die Gender-Thematik in Forschung und Lehre zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Kriterien erstellt die Berufungskommission den Berufungsvorschlag, auch Berufungsliste oder „Dreierliste“ genannt. Mithilfe dieser Bestenliste erteilt die Hochschulleitung den Ruf und tritt mit der oder dem Berufenen in Berufungsverhandlungen ein.
Die Bestenauslese funktioniert in beiden Richtungen: Im Wettstreit um die besten Köpfe konkurrieren Universitäten und Fachhochschulen miteinander – und schaffen somit größere Verhandlungsspielräume für die Kandidat*innen. Oft sind Universitäten finanziell besser und internationaler aufgestellt. Eine Professur an einer Fachhochschule ist jedoch keineswegs grundsätzlich eine schlechtere Alternative: Es gilt, die richtige Stelle für das persönliche Profil zu finden.
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