Kopf und Bauch
Gute Bezahlung, flexible Arbeitszeiten, eigentlich alles passend: Aber irgendetwas stimmt nicht... Auch bei Bewerbungen und der Jobsuche ist das Bauchgefühl ein wichtiger Hinweis.

Kopf und Bauch

Wenn es ans Bewerben geht, sollte man nicht nur rein rational vorgehen, sondern auch auf das eigene Bauchgefühl hören. Egal ob bei der Auswahl der Stellenanzeigen oder im Vorstellungsgespräch. Denn es geht nicht nur ums Fachliche.

Text: Annika Voßen

Sich bei einem neuen Arbeitgeber zu bewerben, ist eine Herausforderung, denn man muss sich aus seiner Komfortzone herauswagen, nicht nur als Berufsanfänger*in. Auch für Berufserfahrene ist die Jobsuche nervenzehrend, obwohl sie schon wissen, worauf sie sich einlassen und ein wenig gelassener sein können. Sicherlich gehen die meisten Bewerber*innen gezielt vor – vor allem, wenn sich die Jobsuche hinzieht: Sie recherchieren Stellen, analysieren Arbeitgeberseiten, optimieren die eigenen Bewerbungsunterlagen und feilen am eigenen Auftritt. Was sie sich aber immer wieder bewusst machen sollten: Der Bewerbungsprozess ist nicht zu vergleichen mit einer Prüfung mit schriftlichem und mündlichem Teil.

Es geht ums Matching, wie die Personaler*innen sagen, also darum herauszufinden, ob man zueinander passt. Hier spielt die eigene Vernunft eine wichtige Rolle, aber ebenso das Bauchgefühl, denn es muss auf beiden Seiten passen – auf fachlicher und persönlicher Ebene. Schließlich wird man nicht nur seine fachliche Expertise auf einer bestimmten Position einbringen, sondern mit bestimmten Menschen zusammenarbeiten, seien es Kolleg*innen, Vorgesetzte, Mitarbeitende, Kund*innen oder Patient*innen. Man wird Teil eines bestimmten Unternehmens, einer Institution mit eigenen Werten, einem eigenen Selbstverständnis, einer eigenen Geschichte werden. Oder auch nicht. Denn manchmal passt es einfach nicht.

Was einen erwartet

Die erste Etappe bei diesem Matching sind die Stellenanzeigen oder auch die Karriereseite des Unternehmens, sollte man sich initiativ bewerben. Wer den Stellenteil im WILA Arbeitsmarkt durchschaut, wird auf ganz unterschiedliche Ausschreibungen treffen. Hier sollte man immer mal den Blick auf die Nachbaranzeigen werfen, allein schon, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was gerade so passiert auf dem Jobmarkt.

Interessant ist hier natürlich die Beschreibung der Stelle, aber auch, womit die Arbeitgeberseite wirbt. Mal finden sich diese Informationen unter „Wir bieten Ihnen“, mal unter „Unser Angebot“, mal unter „Benefits“, mal unter „Worauf kannst du dich freuen?“ oder „Was Sie erwarten können“. Auch wenn alle Formulierungen auf dasselbe hinauswollen, verraten sie doch schon viel darüber, wie die Arbeitgeberseite tickt. Und hier geht es ja nur um die Überschrift. Es lohnt sich, die Wortwahl der Anzeigen zu vergleichen und auf sich wirken zu lassen – bevor man sie auf das Für und Wider hin analysiert.

Es meldet sich bestimmt schon das Bauchgefühl und signalisiert Sympathie, Wohlwollen, Ablehnung, Genervtheit, Interesse, Euphorie – je nachdem, ob man beispielsweise eher auf „Flache Hierarchien mit Du-Kultur“ oder „Gute Karrieremöglichkeiten in einem modernen internationalen Unternehmen mit offener und kooperativer Führungskultur“ anspringt.

Die nächste Etappe ist die schriftliche Bewerbung und der Umgang der Arbeitgeberseite damit. Man steckt viel Zeit und Mühe in das individuelle Anschreiben, verfeinert den Lebenslauf, wählt die einzelnen Anhänge sorgfältig aus und bekommt auf die eigene Mail noch nicht einmal die Rückmeldung, ob diese überhaupt angekommen ist? Das wäre schon mal kein guter Stil oder ein Beispiel für eine schlechte Organisation.

Vielleicht bekommt man auch eine sehr höflich und interessiert formulierte Einladung zum Bewerbungsgespräch, sodass man sich gleich auf das Treffen freut. Vielleicht wird man aber auch mit ein paar dürren Zeilen vorgeladen – für den Kopf ist das womöglich nachrangig, weil man ja endlich die nächste Runde geschafft hat, aber was sagt der Bauch?

Alle Sensoren einschalten

Das Bewerbungsgespräch bietet nun die Gelegenheit, so viele Informationen wie möglich über den möglichen Arbeitgeber zu sammeln – und mit den eigenen Anforderungen abzugleichen. Bei einem Online-Bewerbungsgespräch muss man auf das Wenige, das man sieht, zurückgreifen. Vor Ort lässt sich da deutlich mehr herausfinden. Was löst die Arbeitsumgebung in mir aus?

Das geht eigentlich schon mit der Straße und dem äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes los bis hin zu Einrichtungsgegenständen, dem Zustand der Zimmerpflanzen, den persönlichen Bildern in den Büros und der Sauberkeit der Toiletten – alles Hinweise, ob das Wohl und die Persönlichkeit der Mitarbeitenden oder Kolleg*innen eine Rolle spielt. Wer ein paar Minuten Zeit hat bis zum Gespräch, kann auch schon im Flur darauf achten, wie miteinander umgegangen wird.

Das Bewerbungsgespräch selbst ist dann auch höchst aufschlussreich. In den Aussagen der Personaler*innen und Verantwortlichen kann alles noch so schön klingen, aber entspricht es auch der Realität? Oder handelt es sich um Schönfärberei, wenn etwa von familiärer Atmosphäre oder Team Spirit gesprochen wird? Wie ist hier der Umgang? Nehmen wir an, der mögliche neue Vorgesetzte lässt einen mehr als eine halbe Stunde warten.

Dann im Gespräch stellt er kurz das eigene Unternehmen und die Assistenzstelle vor, bietet einem beiläufig einen Keks an, um sogleich nach den Stärken und Schwächen zu fragen – der Keks ist gerade erst angebissen –, und nach wenigen Minuten gelangweilt aus dem Fenster zu schauen. Tja, da können die Aufgaben noch so spannend klingen, das Einstiegsgehalt und die Arbeitszeiten noch so attraktiv sein – was soll man von einem solchen Chef im Arbeitsalltag erwarten, wenn er einen schon im Bewerbungsgespräch so wenig wertschätzend behandelt? Vermutlich bekommt man hier eh keine Zusage. Falls aber doch: Dann lieber auf das eigene Bauchgefühl hören, auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen und weitersuchen.

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