Neuer Blick auf die Landschaft
Der wachsende Bereich Geotourismus bietet neue Arbeitsplätze und Chancen für Geowissenschaftler*innen.

Neuer Blick auf die Landschaft

Geotourismus gewinnt an Bedeutung, unter anderem durch ausgewiesene Geoparks und geologische Attraktionen, die in Wanderwege mit einbezogen werden. Dieser Trend schafft bei Landesämtern und Planungsbüros auch neue Arbeitsmöglichkeiten.

Text: Christine Lendt

Auch die Coronapandemie mit ihren Lockdowns hat dazu beigetragen: Immer mehr Menschen möchten „vor der Haustür“ etwas erleben, und wenn es in der freien Natur stattfindet, ist auch die Ansteckungsgefahr geringer. Aus diesen und noch weiteren Gründen – wie etwa möglichst klimaschonendes Reisen – hat sich das Freizeitverhalten in den vergangenen Jahren zunehmend in die Richtung Naturerlebnis und Erkunden der näheren Umgebung gewandelt.

Angesagt ist deswegen auch Geotourismus, ein naturbezogener Tourismus, der sich schwerpunktmäßig auf die Geologie und die Landschaft einer Region bezieht. Eine zentrale Rolle spielen dabei beispielsweise die Aufschlüsse von Gesteinen, Böden, Mineralen und Fossilien sowie ganze Landschaftsteile. Zum Geotourismus gehört aber auch das Thema Rohstoffgewinnung wie etwa der historische Erzbergbau, der ganze Regionen nachhaltig geprägt hat.

Insgesamt ist dies also ein weites Feld. „Letztlich geht es auch allgemein darum, den Menschen verschiedene Landschaften mit ihren natürlichen Besonderheiten über touristische Angebote näherzubringen“, fasst es Obergeologierat Roger Lang zusammen. Er ist beim Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz in Mainz für das Fachgebiet Geotourismus zuständig – eine in dieser Form sehr außergewöhnliche Stelle, wie er feststellt.

„Wir sind hier in Rheinland-Pfalz in einer besonderen Position, denn meines Wissens gibt es bundesweit sonst keine Stelle bei einem Landesamt, die mehr oder minder ausschließlich auf Geotourismus ausgerichtet ist.“ Bei den Kolleg*innen in Bayern zum Beispiel sei eher der Geotopschutz die Hauptaufgabe, das ist jedoch letztlich auch die Basis für Erkundungen im Gelände, also wiederum den Geotourismus. In Baden-Württemberg werden im Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau die Bereiche Geotourismus und Geotopkataster kombiniert.

Roger Lang hat seine Herkunft aus einer Bergbaufamilie geprägt; in seine jetzige Position kam er sozusagen als Quereinsteiger. Er studierte Mineralogie und Lagerstättenkunde mit Geologie als Nebenfach, arbeitete zu der Zeit bereits ehrenamtlich in Museen und war mit dabei, als der Geotourismus sich in den späten 1980er Jahren zu entwickeln begann und die ersten Lehrpfade zu entsprechenden Attraktionen entstanden. So kam er schließlich auch in Kontakt zum Landesamt und zu seinem ersten Projekt im Bereich Geotourismus.

Es handelte sich um die Ausgrabung eines fossilen Brandungskliffs in Rheinhessen, bei der er als Grabungsleiter zuständig war. Der Begriff „Geotourismus“ fiel damals allerdings noch nicht. Für ihn war es eine Möglichkeit, beim Landesamt einzusteigen, zunächst noch mit Jahresverträgen, bis es im Jahr 2001 dazu kam, dass sich eine interministerielle Arbeitsgruppe mit der Vulkaneifel und deren touristischer Erschließung beschäftigte.

Für den Mineralogen bot sich nun die Gelegenheit, für ein halbes Jahr bei der Eifel Tourismus GmbH in Prüm zu hospitieren und den touristischen Blick auf die Dinge kennenzulernen. „Das war auch unbedingt notwendig, weil Geowissenschaftler die Präsentation ganz anders wahrnehmen als die Touristiker.“ Während bei der Forschung das Fachliche im Vordergrund steht, geht es im Tourismus um die Fragen, wie sich Dinge in Wert setzen lassen, ob bei solchen Touren im Gelände etwas Gefährliches passieren kann, und welche Zielgruppen mit diesen Angeboten erreicht werden sollen.

Strategien und Netzwerke

Für den Bereich Geotourismus ist in dem Landesamt ausschließlich Roger Lang zuständig. Es geht bei seinen Aufgaben vor allem um Strategisches und die Vernetzung; eine zentrale Rolle spielt dabei derzeit die Arbeit mit dem Nationalen Geopark Westerwald-Lahn-Taunus. Der Mineraloge wirkt in dessen wissenschaftlichen Beirat mit, steht dadurch auch in Kontakt mit dem Planungsstab, den Geoinfozentren und den Kommunen.

Gemeinsam wird überlegt, welche Projekte sich realisieren lassen. Es ist ein Job, in dem es besonders auf Kommunikation ankommt. Auch mit Planungsbüros arbeitet er zusammen, strategischen Partnern des Geoparks. „Wir beraten die Kommunen, wenn sie auf uns zukommen, weil sie mit einem neuen Tourismus-Konzept ein bestimmtes Thema in die Öffentlichkeit bringen wollen, und schlagen ihnen dann vor, was machbar ist.“

Dazu macht das Team zunächst eine Bestandsaufnahme: Welche Points of Interest gibt es in dieser Region, nicht nur aus geologischer Sicht, sondern auch insgesamt auf die Landschaft bezogen? Dabei können zum Beispiel Themen wie die Bergbauhistorie und entsprechende Museen eine Rolle spielen. Ein neues Produkt, das kürzlich im Geopark Westerwald-Lahn-Taunus entwickelt wurde, sind die sogenannten GeoRouten. Es sind ausgeschilderte Wanderwege, an denen aus geologischer Sicht interessante Objekte liegen, über die selbst gestaltete Schautafeln informieren. Hierfür hat das Team verbindliche Basiskriterien festgelegt, die etwa ein einheitliches Layout und das Branding betreffen.

Im Büro und im Gelände

Die jeweiligen Konzepte entwickeln die Planungsbüros, mit denen Roger Lang und die anderen Akteure zusammenarbeiten, oder die Träger gemeinsam mit ihren Partnern wie etwa Tourismusfachkräften. „Wir sind in den Qualitätssicherungsprozess mit eingebunden und mit dabei, wenn es um die Umsetzung geht, insbesondere darum, geologische oder bergbauspezifische Informationen bereitzustellen.“

Er betreut mehrere Projekte gleichzeitig, was vor allem viel Büroarbeit bedeutet. Doch nicht zu kurz kommen darf dabei der Blick auf das Gelände, weshalb regelmäßig Besprechungstermine vor Ort am realen Objekt stattfinden. „Vieles lässt sich nicht per Videokonferenz klären, auch wenn dies wegen Corona nun häufiger vorkam.“

Insgesamt beinhaltet eine Tätigkeit im Geotourismus Aufgaben wie etwa die Erfassung und Dokumentation der geotouristischen Grundlagen, die Entwicklung und Vermarktung geotouristischer Produkte, die Organisation von Geo-Veranstaltungen. Wer solch einen Job macht, ist auch Ansprechpartner*in für Bürger*innen und Fachleute. Aber auch in Planungsbüros gibt es Möglichkeiten, im Geotourismus aktiv zu werden – das ist meist ein Bereich von vielen und die Tätigkeiten sind entsprechend vielfältig.

Eigene Ideen einbringen

An eine Stelle im Bereich Geotourismus zu kommen, ist nach Einschätzung von Roger Lang nicht so einfach. Insbesondere beim Landesdienst sind die Chancen eher gering, zumal die öffentliche Verwaltung auch immer mehr verschlankt werden soll und die gesetzlichen Aufgaben zunehmen. „Wer so etwas machen möchte, sollte sich also darauf einstellen, sich auch auf andere Aufgaben zu fokussieren, und dass Geotourismus eher ein Randaspekt oder Teilbereich ist, etwa bei den angewandten Geowissenschaften.“

Andererseits ist das Thema ein Trend, wodurch sich wiederum Gelegenheiten eröffnen, sich mit eigenen Ideen und Vorschlägen in einer allgemeiner gehaltenen Geowissenschaften-Stelle einzubringen: „Warum nicht Geotourismus auch in unserer Region etablieren?“ Das geht sogar in Regionen ohne Geoparks wie zum Beispiel Hamburg, wo das Geologische Landesamt eine Karte mit Geotouren online veröffentlicht hat.

Bundesweit sind die Perspektiven also unterschiedlich, letztlich aber gibt es wohl überall Möglichkeiten, die jeweilige Landschaft mit ihren Besonderheiten touristisch zu erschließen. Etwa an der Ostseeküste, wo eiszeitliche Gletscher jede Menge Gestein und Bernstein mitbrachten, was sich nun an einigen Stränden sammelt und ein spannendes Revier für Familienausflüge bildet. Einrichtungen wie etwa ein Eiszeitmuseum nahe der Hohwachter Bucht informieren über Hintergründe.

GIS-Kenntnisse von Vorteil

Akademiker*innen, die sich für einen Job mit Schwerpunkt Geotourismus interessieren, sollten unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen: „Diese Arbeit bedeutet viel Kommunikation, vor allem Telefonate“, stellt Roger Lang fest. „Hilfreich sind auch Kenntnisse von GIS-Systemen.“ Waren diese geografischen Informationssysteme (GIS), die zur Erfassung, Verwaltung und Analyse von Daten genutzt werden, nicht Teil des Studiums, lassen sich dazu Weiterbildungen belegen.

Von großem Vorteil ist es auch, sich ein bisschen mit den Themen Grafik und Gestaltung auszukennen, und ein Gespür dafür zu haben, wie man ein Branding gestaltet und Zielgruppen erreicht. So hat der Mineraloge mit seinem Team gerade auch Infotafeln an Georouten erneuert, um insbesondere die Zielgruppe der Familien mit Kindern anzusprechen. Dafür wurde beispielsweise ein Maskottchen als Sympathieträger entwickelt und auch darüber hinaus auf eine familiengerechte Ansprache geachtet.

„Es ist wichtig, komplizierte geowissenschaftliche Sachverhalte in eine einfache Sprache zu bringen, denn es ist belegt, dass nur wenige Sekunden zur Verfügung stehen, um jemanden an einer Schautafel zu fesseln.“ Das bedeutet auch einen Fokus auf die Qualitätssicherung zu setzen. „Letztlich geht es darum, Geologie zielgruppengerecht zu ‚verkaufen‘“, fasst es Roger Lang zusammen.

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