Talente managen
Der Bereich Talentmanagement bietet auch für viele Quereinsteiger*innen eine spannende Option.

Talente managen

Talente finden, weiterentwickeln und binden: Das wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer entscheidender. Deshalb ist die Arbeit von Recruiter*innen wichtig – die ebenfalls zu den begehrten Fachkräften zählen. Quereinstiege sind hier daher möglich.

Text: Anja Schreiber

Die Suche nach geeigneten Kandidat*innen für offene Stellen wird immer schwieriger und aufwendiger. Denn auf dem Arbeitsmarkt, inzwischen ein Arbeitnehmermarkt, finden sich immer seltener geeignete Bewerber*innen – zum Beispiel, weil Fachkräfte in Rente gehen und gleichzeitig der Nachwuchs fehlt, mehr Menschen in Teilzeit arbeiten wollen oder sich in Richtung andere Branchen hin orientieren. So bleiben viele Stellen längere Zeit unbesetzt. Umso wichtiger wird die Arbeit von Recruiter*innen. Diese werden längst nicht mehr nur in Industrieunternehmen eingestellt, sondern auch in Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftlichen Institutionen. Denn auch dort stehen geeignete Fachkräfte nicht Schlange. Ganz im Gegenteil!

Die Aufgabe von Recruiter*innen ist es, aktiv nach passgenauen Kandidat*innen für offene Stellen zu suchen und auch an das Unternehmen heranzuführen. Deshalb ist das Bewerber*innen-Management ebenfalls Teil ihres Aufgabengebiets.

Welche unterschiedlichen Aufgaben Recruiterinnen und Recruiter haben, zeigt ein kürzlich veröffentlichtes Stellenangebot der NABU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Zunächst werden die klassischen Aufgaben aus dem Recruiting aufgezählt, wie die Erstellung von Stellenprofilen gemeinsam mit den entsprechenden Fachabteilungen, das Verfassen von Ausschreibungen, die Auswahl von Bewerber*innen und das Führen von Bewerbungsgesprächen. Aber dann kommen weitere Tätigkeiten hinzu wie der „Auf- und Ausbau neuer und bestehender Kanditat*innenbeziehungen durch kontinuierliche Nachbetreuung im Talent Pool und durch Active-Sourcing-Aktivitäten in Berufsnetzwerken.“

Beim Active Sourcing – einem Konzept der Personalbeschaffung – suchen Recruiter*innen künftige Mitarbeiter*innen auf dem externen Arbeitsmarkt. „Sie übernehmen also die Arbeit von Headhuntern und Headhunterinnen“, berichtet Kai H. Helfritz von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). „Der Unterschied ist, dass das Headhunting von Externen übernommen wird, während das Active Sourcing zur Arbeit der firmeneigenen Personalabteilung gehört.“

Hausinternes Headhunting

Kai H. Helfritz betont, dass die Identifizierung vielversprechender Kandidat*innen und deren aktive Ansprache direkt durch die Arbeitgeber verschiedene Vorteile habe: „Die eigene Personalabteilung weiß oft besser als Externe, was ihr Unternehmen braucht. Externe müssen in der Regel erst einmal gebrieft werden.“ Deshalb seien Prozesse, in denen keine Externen eingeschaltet würden, oft schneller. „Active Sourcing lohnt sich in erster Linie für größere Unternehmen, die damit mehrere Positionen besetzen wollen. Dies kann auch zu Kostenoptimierungen führen.“

Die Vorgehensweise ist sowohl bei Internen als auch bei Externen nahezu identisch: Die Recruiter*innen suchen gezielt Orte auf, analog und digital, an denen sich ihre Zielpersonen aufhalten. Das können zum Beispiel Kongresse oder Businessnetzwerke sein. Sie identifizieren Kandidat*innen und kontaktieren diese. Damit Recruiter*innen einen Überblick über die künftigen Mitarbeitenden erhalten, sammeln sie ihre Namen und Daten in einem sogenannten Talent Pool.

Dass gerade das Wissen um Active Sourcing aktuell gebraucht wird, belegt ein anderes kürzlich veröffentlichtes Stellenangebot des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, des Bundesforschungsinstituts für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Das Institut will im Bereich der Personalgewinnung neue Wege einschlagen. So suchte es im Rahmen des Projektes „Entwicklung und Implementierung einer digital gestützten Personalgewinnung“ jemanden für die Leitung des Projekts „Personalrecruiting“.

Eine zentrale Aufgabe dieser Projektleitung soll die „Konzepterstellung einer zukunftsfähigen Personalgewinnung inklusive Active Sourcing Strategie“ sein. Dazu gehören einerseits die Entwicklung und Umsetzung proaktiver und kreativer Strategien zur Gewinnung von geeigneten Mitarbeitenden, andererseits die konzeptuelle Weiterentwicklung der Onlinepräsenz mit Blick auf Recruitment-Aspekte.

Talente identifizieren, Personal entwickeln

Diese Position befasst sich aber nicht nur mit dem eigentlichen Recruiting, sondern auch mit der Personalentwicklung und dem Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter*innen – also dem Prozess ihrer Einarbeitung. In ihren Aufgabenbereich fällt auch der Aufbau und die Entwicklung eines „ganzheitlichen Talentmanagements“.

Was sich hinter dem Begriff „Talentmanagement“ verbirgt, erklärt Kai H. Helfritz: „Das Talentmanagement ist das interne Recruiting. Ursprünglich ging es darum, sogenannte High Potentials – also hochqualifizierte Beschäftigte – zu identifizieren und für neue Aufgaben zu gewinnen.“ Inzwischen geht es beim Talentmanagement aber nicht mehr nur um die High Potentials, sondern um alle Beschäftigten. „Dahinter steht die Überzeugung, dass jeder und jede ein Talent hat, und dass es darum geht, dieses zu entdecken.“ Außerdem verweist er auf den „leergefegten Arbeitsmarkt“. Vor diesem Hintergrund könnten es sich Unternehmen nicht mehr leisten, nur extern nach Talenten zu suchen.

Digitales Talentmanagement

Die Methoden und Tools des Talentmanagements sind dabei vielfältig. „Es gibt zum Beispiel digitale Tools zur Identifizierung bestimmter Skills, die diagnostische Verfahren anwenden“, so Helfritz. Neben Software für strategisches Talentmanagement nutzt man in Personalabteilungen auch Empfehlungsprogramme. So etwas gibt es auch im externen Recruiting nach dem Motto: Mitarbeiter*innen werben Mitarbeiter*innen. „Im Rahmen solcher Programme können Beschäftigte von unentdeckten Talenten anderer Beschäftigter berichten. Vielleicht weiß jemand, dass ein bestimmter Mitarbeiter sehr gut spanisch spricht. In den Personalunterlagen taucht dieses Talent aber nicht auf.“ Dabei könnte die Firma die Sprachkompetenz des Beschäftigten gut gebrauchen.

„Grundsätzlich gilt im Talentmanagement: Dialog schafft Transparenz. Deshalb sind auch Mitarbeitergespräche wichtig, um Talente zu entdecken“, erklärt Helfritz. Eine Person am Empfang kann sich zum Beispiel privat Programmierkenntnisse angeeignet haben, die für das Unternehmen wertvoll sein könnten, weil es sich aktuell vergebens um Programmier*innen bemüht. So kann also ein interner Beschäftigter eine Personallücke schließen – allerdings nur, wenn die zuständigen Recruiter*innen durch Gespräche oder eine digitale Eignungsdiagnostik von der entsprechenden Fähigkeit erfahren haben!

Kompetenzen sichtbar machen

„Damit das Talentmanagement auch funktioniert, muss man die Kompetenzen der Beschäftigten festhalten und sichtbar machen, indem man sie in Datenbanken eingibt. Ohne ein datenbasiertes und strukturiertes Talentmanagement ist das bei großen Unternehmen nicht möglich“, erklärt Helfritz. Es sei ganz wichtig, dass sich das Wissen um die Skills und Kompetenzen der Mitarbeiter*innen nicht ausschließlich in den Köpfen bestimmter Führungskräfte befinde. Ziel des Talentmanagements sei es, Karrierewege jenseits der klassischen Pfade zu ermöglichen. Während diese auf Zertifikaten, Bildungs-, Berufs- und Studienabschlüssen beruhen, richtet sich die Karriereplanung des Talentmanagements dagegen nach den Kompetenzen der Einzelnen.

Ist das Talent einer Person erst einmal identifiziert, geht es darum, sie und ihre Kompe-tenzen weiterzuentwickeln. „Dabei sollte es sich nicht um Weiterbildungen handeln, die wie mit der Gießkanne über viele Beschäftigte ausgegossen werden, sondern um individuelle Förderungen. Auch in diesen Fällen spielen digitale Tools eine wichtige Rolle“, erklärt Helfritz und ergänzt: „Da das ganzheitliche Talentmanagement aus dem Dreiklang ‚Talente identifizieren, entwickeln und binden‘ besteht, spielt auch das Wohlbefinden der Beschäftigten eine wichtige Rolle.“

Um Talente langfristig binden, sei es natürlich entscheidend, dass sie ihrer Begabung entsprechend eingesetzt würden. Doch darin sollten sich die Bemühungen von Talentmanager*innen nicht erschöpfen. Auch attraktive Gehälter und eine positive Unternehmenskultur stärken die Bindung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten und senken die Fluktuation.

All diese Aufgaben übernehmen Recruiterinnen und Talentmanager, die selbst zu den gesuchten Fachkräften gehören, wie Kai H. Helfritz bestätigt: „In der Regel handelt es sich um Personen mit einem Studienabschluss in BWL, Psychologie oder Jura. Aber auch Leute mit einem anderen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studium arbeiten in diesem Bereich.“ Weiterbildungsmöglichkeiten für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gebe es viele. „Inzwischen bieten Unternehmen wie zum Beispiel die Deutsche Bahn sogar interne Weiterbildungen für Recruiting an, weil der Bedarf an Fachkräften groß ist.“

  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben einem redaktionellen Teil bietet das Abo-Produkt hunderte ausgewählte aktuelle Stellen – handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
  • Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.

Weitere WILA-Angebote