
Neuanfang im alten Job
Den perfekten Job gibt es nicht – aber man kann sich diesen selbst erschaffen, indem die eigene Arbeit Stück für Stück nach den eigenen Wünschen gestaltet wird. Am Ende steht ein Tätigkeitsfeld, das zu den eigenen Kompetenzen, Stärken und Bedürfnissen passt.
Text: Maike von Haas
35 Prozent der Arbeitnehmer*innen denken sogar mehrfach die Woche, daran den Job zu wechseln. Das zeigt eine Erhebung der Jobbörse Stepstone aus dem Jahr 2022. Allerdings bedeutet Jobwechsel in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig den Ersatz einer alten durch eine neue Stelle. Eine repräsentative Studie, die seit 2012 regelmäßig vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von Xing E-Recruiting durchgeführt wird, kam letztes Jahr zu einem interessanten Ergebnis: Die Gründe der Wechselwilligen seien nicht identisch mit dem Motiven derer, die tatsächlich einen anderen Arbeitgeber gesucht und gefunden hatten. Letztere nannten in 28 Prozent der Fälle das Führungsverhalten, fast genauso viele eine bessere Work-Life-Balance und fast ein Viertel ein attraktiveres Tätigkeitsfeld als Auslöser. Finanzielle Anreize und attraktivere Positionen zählen mit unter 20 Prozent zu den Schlusslichtern.
Auf neue Strategien setzen
Doch das Sprichwort „Neu ist immer besser“ stimmt gerade im Arbeitsleben nicht zwangsläufig. Denn gerade der Eintritt in eine neue Arbeitsumgebung bedeutet erstmal auch Stress. Die ersten ein bis drei Jahre im neuen Job sind in der Regel eine Zeit großer Herausforderungen mit dem möglichen Ergebnis, dass man sich schließlich in einer ähnlichen Situation wiederfindet wie am Arbeitsplatz zuvor. Es kann stets Probleme und Konflikte geben und auch Aufgaben, die nicht immer Spaß machen.
Tauchen diese Aspekte aber nur temporär auf, ist der Job nicht ausschließlich Dauerfrust und schrammt man nicht ständig an der Grenze zum Burnout vorbei, dann können Fachkräfte proaktiv etwas ändern – und das sogar schon im alten Job. Möglich macht es die Methode „Job Crafting“, die davon ausgeht, dass eine Entwicklung im eigenen Unternehmen durchlebt und eventuelle Unzufriedenheit durch aktives Gestalten gemindert werden kann.
Die Bezeichnung Job Crafting geht auf die amerikanischen Wissenschaftler*innen Amy Wrzesniewski und Jane Dutton zurück, die 2001 in einer wissenschaftlichen Untersuchung herausfanden, dass manche Menschen aus eigenem Antrieb heraus ihre Aufgaben im Beruf anpassen – und zwar so, dass die Arbeit mehr zu den persönlichen Zielen, Interessen und auch Stärken passt. Diese Menschen gestalten (auf Englisch: „to craft“) ihren Job.
Beispielsweise können Geograf*innen, die sich früher mit dem Gedanken trugen, ins Lehramt zu gehen, Kolleg*innen in der Anwendung von Geoinformationssystemen schulen. Ganz nebenbei ersetzen sie so noch kostenintensive externe Berater*innen. Eine Expertin für Fundraising, die nicht nur Förderanträge schreiben möchte, sondern den Kontakt zu Menschen sucht, kann nebenbei auch Interviews zu den Projekten geben. Oder ein Umweltplaner bloggt aus Leidenschaft fürs Schreiben für sein Planungsbüro.
Grundsätzlich kann die Analyse und Weiterentwicklung im Rahmen des Job Crafting in drei Kernbereichen erfolgen. Einer davon ist das „Task Crafting“ und bezieht sich auf Veränderungen des Aufgabenbereiches. Es geht um Anpassungen der Aufgaben in ihrer Art, Anzahl, Umfang oder Reihenfolge. Es können Fragen gestellt werden wie: Welche Aufgaben möchte ich gerne an Kolleg*innen weiterreichen, die diese sogar gerne machen? Gibt es Aufgaben, welche ich zusätzlich übernehmen möchte? Was sind meine Stärken, die ich bisher in meinem Beruf noch nicht einfließen lassen konnte? Wo kann ich mehr Verantwortung übernehmen? Welche Möglichkeiten gibt es zur Vereinfachung von komplexen Aufgaben, auch zur Beschleunigung der Abarbeitung?
Das „Relational Crafting“ bezieht sich auf die Veränderung der Arbeitsbeziehungen. Ziel sind teaminterne Verbesserungen in der Zusammenarbeit und in der Kommunikation. Die Frage, mit welchen Kolleg*innen ich gerne zusammenarbeiten möchte, ist eine legitime Frage, die aktiv und diplomatisch angegangen werden darf und sollte. Weitere Fragen zu diesem Themenkomplex sind: Welche Personen inspirieren mich? Was kann ich mir von ihnen abschauen? Gibt es Kolleg*innen, mit denen ich häufiger zusammenarbeiten möchte, und falls ja, wie lässt sich dies realisieren? Welche Möglichkeiten habe ich, die Beziehungen zu meinen Kolleg*innen zu stärken? Was kann ich dem Team noch anbieten?
Um Veränderung der Wahrnehmung der Arbeit geht es beim „Cognitive Crafting“. Ziel ist es, der eigenen Tätigkeit (mehr) Sinnhaftigkeit zu verleihen, indem man sich auf Aspekte fokussiert, die diese Denkweise unterstützen. Konkret gehören dazu die Fragen: Was frustriert mich an meinem Arbeitsplatz und was davon kann ich selbst aus dem Weg schaffen? Was stört mich und was kann davon neu gestalten? Wo liegen meine Schwächen und Stärken? Warum übe ich diesen Beruf aus? Was verleiht meiner Tätigkeit Sinn?
Nicht von heute auf morgen
Job Crafting ist allerdings ein andauernder Prozess, bei dem Veränderung und Optimierung kontinuierlich auf der Tagesordnung stehen. Wer sich traut, wird aber feststellen, dass kleine Anpassungen große Auswirkungen mit sich bringen können. Denn wer im Berufsalltag das Zepter häufiger selbst in die Hand nimmt, fühlt sich dem Führungsverhalten des oder der Vorgesetzten nicht mehr so ausgeliefert. Grundsätzlich ein wichtiger Schritt für mehr Zufriedenheit im Job, die sich positiv auf die Work-Life-Balance auswirkt.
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