
„Ich“ sagen, wenn man „ich“ meint
Im Arbeitsalltag reden wir oft den ganzen Tag. Aber sagen wir auch wirklich das, was wir meinen? Kommunikationsexpertin Gabi Brede gibt Tipps, wie Fachkräfte sich klar und deutlich äußern.
Interview: Anja Schreiber

WILA Arbeitsmarkt: Was ist mit „klar kommunizieren“ gemeint?
Gabi Brede: Klare Kommunikation hat aus meiner Sicht zwei Säulen. Die eine besteht aus der inneren Klarheit. Bevor ein Mensch kommuniziert, sollte er oder sie sich folgende zwei Fragen beantworten: „Was ist mir wichtig? Was will ich zum Ausdruck bringen?“ Denn ist man im Inneren zwiegespalten, drückt sich das auch nach außen aus. Die zweite Säule ist folglich die Formulierung der Gedanken. Klare Gedanken bewirken, sich klar auszudrücken. Und das erhöht die Chancen, dass das Gegenüber mich in meinem Sinne versteht.
Wie werden diese Grundregeln praktisch angewandt?
Wer sich darüber klar ist, was er oder sie eigentlich sagen will, sollte das dann auch klar zum Ausdruck bringen und nicht verklausuliert reden. Wer ein Projekt leiten will, sollte das konkret sagen und nicht allgemein-schwammig formulieren: „Wir brauchen eine neue Projektleitung.“ Denn dann könnte es geschehen, dass die Führungskraft der Aussage zwar zustimmt, aber ein anderes Teammitglied als Leiter*in beruft. Man sollte also „ich“ sagen, wenn man „ich“ meint. Außerdem sollte man die eigenen Aussagen nicht weichspülen mit Füllwörtern wie „eher nicht“ oder „eigentlich“. Solche Phrasen schaden der Klarheit. Sie laden damit das Gegenüber ein, Aussagen misszuverstehen.
Von welchen anderen Formulierungen sollten Mitarbeiter*innen außerdem Abstand nehmen?
Sie sollten Substantivierungen vermeiden und stattdessen Verben nutzen wie zum Beispiel „etwas vorschlagen“ statt „Einen Vorschlag machen“ oder „sich einigen“ statt „eine Einigung erzielen“. Auch Passivkonstruktionen sind ungünstig, weil bei ihnen unklar ist, wer eigentlich handeln soll.
Was ist das Gegenteil von klarer Kommunikation?
Klare Kommunikation bedeutet nicht, zu missionieren oder sich zu rechtfertigen. Das ist für die klare Kommunikation sogar schädlich – genauso wie Pauschalisieren. Denn bei der klaren Kommunikation geht es nicht um einen Schlagabtausch, sondern darum, einander zuzuhören und sich verständlich zu machen. Wer von Emotionen überwältigt ist, sollte entweder das Gespräch vertagen oder aber seine Emotionen beschreiben; also etwa sagen „Ich bin jetzt sauer.“
Wie kann man diese Kommunikation trainieren?
Bevor Gesprächsstrategien wie Struktur oder erste Worte trainiert werden, ist ein genauer Blick auf die innere Haltung entscheidend. Klar zu kommunizieren kann trainiert werden, indem man immer wieder übt, aus diffusen Wünschen klare Gedanken, Erwartungen oder Forderungen zu formulieren. Wer zum Beispiel ein tolles Projekt übernehmen will, sollte das nicht nur organisatorisch vorbereiten, indem er einen Termin mit der Führungskraft vereinbart, sondern auch mental. Die betreffende Person sollte sich dabei klar machen, warum sie das Projekt leiten will, sich auf Gegenargumente vorbereiten und das Gesprächsszenario im Kopf durchspielen. Das führt beim Treffen zu einer klareren Kommunikation.
Für wen ist Ihr Seminar „Klar kommunizieren“ gedacht?
Das Seminar ist für alle geeignet und richtet sich nicht an eine klar definierte Zielgruppe. Bisher waren Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Branchen und Institutionen dabei – aus Ministerien, Museen und anderen Einrichtungen. Unter ihnen waren Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Gerade von diesen Unterschieden lebt der Austausch im Seminar: Die Teilnehmenden verlassen ihre eigene Bubble und trainieren die Kommunikation mit Menschen, die aus ganz anderen beruflichen Zusammenhängen kommen.
Wie profitieren Berufstätige von der klaren Kommunikation, die in einer Branche arbeiten, in denen nicht so klar formuliert wird?
Es gibt Branchen, in denen verklausuliert kommuniziert wird – so etwa in der Wissenschaft. In solchen Kontexten sollten Berufstätige natürlich die Sprache nutzen, die dort üblich ist, um nicht anzuecken. Aber sie können dennoch ihre Spielräume ausloten und ausprobieren, wann sie klar kommunizieren können. Wenn es zum Beispiel um ihre berufliche Weiterentwicklung geht, ist es ratsam, Klartext zu reden und das Wort „ich“ zu verwenden, auch wenn dieses Wort in wissenschaftlichen Publikationen tabu ist.
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